Predigt am 1. Weihnachtstag 2005



Weihnachten - Fest der Familie?? Ja! Fest der Familie Gottes! Fest der Kinder Gottes! Was das bedeutet und wie solche Kinder Gottes leben können - davon hören wir im heutigen Predigtext 1.Johannes 3, die Verse 1 und 2:


Sehet, was für eine Liebe hat uns der Vater mitgeteilt, daß wir Gottes Kinder genannt werden - und wir sind es ja auch!

Geliebte, wir sind schon Gottes Kinder; es ist aber noch nicht offenbar geworden, was wir sein werden. Wir wissen aber: Wenn es offenbar wird, dann werden wir Ihm gleich sein; denn wir werden Ihn sehen, so wie Er ist.


I


Ihn sehen, so wie er ist! Gott so sehen, wie Er in Wahrheit ist!

Nicht wahr, das ist das Ungaublichste, was überhaupt gesagt werden kann, die größte Verheißung überhaupt: Wir werden einmal den sehen, der alles geschaffen hat, der immer war; ohne den nichts ist; der war, bevor überhaupt etwas war. Wir werden Ihn sehen! Aber dann ist alles anders, ganz anders. Dann sind wir in der Ewigkeit.


Noch leben wir ja innerhalb der Grenzen von Raum und Zeit - was immer das ist: "Raum" und "Zeit"; niemand kann das sagen.


Noch leben wir, wie Paulus einmal schreibt, im Glauben und nicht im Schauen. Noch sehen wir nichts - oder so gut wie nichts - von Gott. Wohl aber bekommen wir etwas zu hören, und zwar etwas, das sich sehen lassen kann:


II


Seht, sagt der alte Presbyter Johannes in seinem Briefabschnitt, der der heutige Predigttext ist: Seht doch! Was für eine Liebe hat uns Gott der Vater mitgeteilt, daß er - der absolut

Unbegreifliche und Unergründliche - uns zu seinen Kindern erklärt hat, daß wir also jetzt Gottes Töchter und Söhne sind!


Wir hier: Gottes Söhne! Gottes Töchter! Das ist die Weihnachtsbotschaft. Jesus unser aller Bruder! Wir miteinander eine Familie.


Wir sind Kinder Gottes. Also nicht mehr Knechte, nicht mehr Sklaven. Unterwürfigkeit vor Gott gilt nicht mehr. Er will nicht, daß wir unterwürfig vor ihm dienern noch ihm in sklavisch-freudlosem Gehorsam zu gefallen suchen. Er will uns als Kinder, die voller Vertrauen, voller Selbstvertrauen mit ihm kommunizieren.


Auch Feinde Gottes, Rebellen gegen ihn brauchen wir nicht mehr zu sein, also Leute, die pubertär sich gegen Gott auflehnen oder gern selber Gott spielen wollen. "Wir sind Menschen und nicht Gott, das ist die summa; es wird doch nicht anders", sagt der alte Luther einmal.


Wir können als Kinder Gottes jetzt unsere Geschöpflichkeit voll bejahen. Wir brauchen uns nicht mehr so pubertär zu verhalten, wie es derzeit die Menschheit noch tut: Mit sich im unreinen, und den Unfrieden mit sich an Anderen auslassend, auch an der Natur, von der

und in der wir doch leben! Wir haben es nicht mehr nötig, uns pubertär die Rolle Gottes anmaßen und Gott verdrängen zu wollen; wir sind etwas unendlich viel Schöneres und Freieres: Geliebte Gottes, seine erwachsenen Söhne und Töchter; seine Gesprächspartner,

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in gleicher Augenhöhe mit ihm, seine Kinder und damit auch seine Erben!

III


Was kennzeichnet unser Leben dann? Ich greife ein paar Hinweise heraus, die ich im Neuen Testament gesucht und gefunden habe:


Gottes Kinder, schreibt Paulus in Römer 8 Vers 21, das sind Menschen, die in einer herrlichen Freiheit leben. Frei von der kleinkarierten Sucht, wer sein zu wollen, vor andern glänzen zu wollen; frei vom Schielen nach Lob und Anerkennung, frei von Habsucht: Wir brauchen garnicht mehr viel zu haben - wir sind ja wer! Frei auch von Ablehnung oder gar Haß gegenüber Menschen,die anders sind als wir selbst; stattdessen fremdenfreundlich.


Vielleicht sind wir das alles ja noch nicht. Aber wir können bei Jesus, unserm großen Bruder und Befreier, in die Schule gehen, bei ihm die Freiheit erlernen.


Weiter, wiederum Paulus: Er sagt im Philipper 2,Vers15: Gottes Kinder sind Lichter mitten in einem -so wörtlich - "verdorbenen und verkehrten Geschlecht". Und dass unsere Gesellschaft ganz schön verdorben und verkehrt ist, das beklagt ja fast jeder und davon hören und lesen wir täglich. Unsere Lebensmaßstäbe sind wörtlich und im übertragenen Sinne "verrückt". Es ist so weit gekommen, daß der Bundespräsident Köhler zu "Ehrlichkeit, Anständigkeit und Redlichkeit" aufrufen muß. Wir Christen können dagegen Verführung und Verblendung durchschauen, können nach den jahrhundertelang bewährten Maßstäben leben, könnten leuchtende Vorbilder sein, etwa im Umgang mit Geld und Lebensmitteln; oder darin, daß wir uns unermüdlich für mehr Gerechtigkeit für unsere darbenden und durch uns arm gehaltenen Mitgeschwister einzusetzen - vielleicht nur in kleinen Schritten, in Kinderschritten. Aber: Was kann ein Kind durch sein scheinbar winziges Tun nicht alles verändern!


Drittens: Jesus nennt in seinen Seligpreisungen die Friedensstifter "Gottes Kinder" (Matthäus 5, 9) . Es bleibt unendlich beschämend, daß ausgerechnet die Länder, in denen die meisten Christen wohnen, zugleich die meisten Waffen produzieren, exportieren und in Kriegen testen. Stattdessen ist es ein Hauptkennzeichen von Söhnen und Töchtern Gottes, daß sie die Reife haben zur Versöhnung, zur Vergebung nach einem Streit, zum gegenseitigen sich Ertragen und Vertragen. Auch hier gehen wir oft nur kleine Schritte, aber wir wollen nicht aufhören, mit kindlicher Hartnäckigkeit Versöhnung zu stiften und zu erbitten.


Alles zusammengefaßt, wieder mit einem Pauluswort: Welche der Geist Gottes treibt - die sind Gottes Kinder (Röm. 8,14)!


Das ist das A und O, finde ich, das Entscheidende: Daß wir Gottes Geist erbitten, uns von seinem Geist unsern Geist erleuchten, unsere Seele reinigen, unseren Körper kräftigen lassen. Dieser Geist - der Geist Jesu - ist herrlich wohltuend, hilft mir zum Frieden mit mir selbst, löst Wohlbehagen aus. Er ist, wie Paulus sagt, so etwas wie ein Vorgeschmack, eine Vorauszahlung auf das Erbe, das uns als Kinder Gottes erwartet. Und einmal, einmal werden wir dieses Erbe dann antreten: Wenn Gott uns die Tür zum himmlischen Freudensaal auftun wird und wir Ihn sehen werden, wie Er ist.


Und nun laßt uns uns von Jesus unserm Gastgeber zum Familienmahl, zum Mahl der

Kinder Gottes einladen. Zum Auftakt dieses Freudenmahls singen wir: Fröhlich soll mein Herze springen...