im
Frühgottesdienst am Sonntag Oculi, 3. März 2002
Lieder:
Die güldne
Sonne...449, 1 - 4
Du schöner
Lebensbaum...96
Lasset uns mit Jesus
ziehen...384
Kreuz und
Elende...449, 12
Psalm 34
Lesung: Lukas 9, 51
- 62
Der heutige
Predigttext ist eine der Urgeschichten der Bibel, voll unergründlicher Tiefe,
Kraft und Wahrheit. Die Erzählung ist
überschrieben:Elia am Horeb. Ein paar Vorbemerkungen zum Verständnis.
Der Name Elia
(wörtlich: Eli-jahu) ist Programm. Sein
Name bedeutet übersetzt : „Mein Gott ist Jahwe“. Elia setzt sich mit
Leidenschaft dafür ein, daß das Volk Gottes das Erste Gebot wahrt: Ich bin
Jahwe, dein Gott, der dich befreit hat. Du sollst keine anderen Götter neben
mir haben. Er kämpft also gegen etwas, was es zu allen Zeiten gibt, natürlich
auch unter uns Christen: daß wir neben Gott dem Herrn auch Anderes als göttlich
oder himmlisch anbeten.
Unmittelbar vor
unserem Text wird erzählt, wie Elia in seinem Kampf einen Sieg errungen hat: Er
hat gezeigt, daß die Priester des Baal -
eines Gottes, in dem man Fruchtbarkeit, Potenz, Sexualität anbetete
- von Gott dem Herrn nicht gehört oder
gar erhört wurden. Dann wird in drastischer Sprache erzählt, daß Elia sie alle
getötet – Luther übersetzt: geschlachtet – habe.- Mit seinem Tun hat Elia vor allem Isebel, die Frau des Königs
Ahab, angegriffen. Isebel war eine Tochter des Königs von Sidon. Sie hatte den
Baalskult in Israel eingeführt.
Im heutigen Text
heißt es:
Und Ahab sagte Isebel alles, was Elia getan hatte und
wie er alle Propheten Baals mit dem Schwert umgebracht hatte.
Da sandte Isebel einen Boten zu Elia und ließ ihm
sagen: Die Götter sollen mir dies und das tun, wenn ich nicht morgen um diese
Zeit dir tue, was du diesen getan hast!
Da fürchtete er sich, machte sich auf und lief um
sein Leben und kam nach Beerscheba in Juda und ließ seinen Diener dort.
Er aber ging hin in die Wüste eine Tagereise weit und
kam und setzte sich unter einen Wacholder und wünschte sich zu sterben und
sprach: es ist genug, so nimm nun, HERR, mein Leben; ich bin nicht besser als
meine Väter.
Und er legte sich hin und schlief unter dem
Wacholder. Und siehe, ein Engel rührte ihn an und sprach zu ihm: Steh auf und
iß!
Und er sah sich um, und siehe, zu seinen Häupten lag
ein geröstetes Brot und ein Krug mit Wasser. Und als er gegessen und getrunken
hatte, legte er sich wieder schlafen.
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Und der Engel des HERRN kam zum zweitenmal wieder und
rührte ihn an und sprach: Steh auf und iß! Denn du hast einen weiten Weg vor
dir.
Und er stand auf und aß und trank und ging durch die Kraft der Speise vierzig Tage und vierzig Nächte bis zum Berg Gottes, dem Horeb.
Und er kam dort in eine Höhle und blieb dort über
Nacht. Und siehe, das Wort des HERRN kam zu ihm: Was machst du hier, Elia?
Er sprach: Ich habe geeifert für den HERRN, den Gott
Zebaoth; denn Israel hat deinen Bund verlassen und deine Altäre zerbrochen und
deine Propheten mit dem Schwert getötet, und ich bin allein übriggeblieben, und
sie trachten danach, daß sie mir mein Leben nehmen.
Der HERR sprach: Geh heraus und tritt hin auf den
Berg vor den HERRN! Und siehe, der HERR wird vorübergehen. Und ein großer, starker Wind, der die Berge zerriß und die Felsen zerbrach, kam vor dem
HERRN her; der HERR aber war nicht im Winde. Nach dem Wind aber kam ein
Erdbeben; aber der HERR war nicht im Erdbeben.
Und nach dem Erdbeben kam ein Feuer; aber der HERR
war nicht im Feuer. Und nach dem Feuer kam ein stilles, sanftes Sausen.
Als das Elia hörte, verhüllte er sein Antlitz mit
seinem Mantel und ging hinaus...
Und dann sieht er
Gott nicht – das kann er - wie auch wir – ja erst, wenn wir den irdischen Tod
hinter uns haben, sondern er hört die Stimme Gottes, der ihm nun einen neuen
Auftrag, den letzten und größten seines Lebens, gibt: Er wird zwei Männer zu
Königen salben und Elisa, seinen Nachfolger, berufen – und dann fährt er auf
zum Himmel, Gott entrückt ihn.
Aber fangen wir vorne an. Am Anfang steht sozusagen das Hochgefühl des Elia: Er hat für Gott etwas geschafft, etwas bewirkt, hat der Ehre Gottes gedient. Elia hatte für Gott geeifert, er hatte auf dem Berg Karmel die falschen Götzen und ihre Priester zu Spott gemacht und alles Volk hatte angesichts seines Erfolgs gerufen: Jahwe ist Gott! Der Herr ist Gott! Und wenn dann erzählt wird, Elia habe die - 450! – Baalspriester geschlachtet, so möchte ich das lieber als bildhafte Sprache verstehen, die sagen will: Er hat es unternommen, die Götzendienerei, das Widergöttliche, mit Gewalt auszurotten.
Das schien gelungen
zu sein, und Elia mag gedacht haben: Da hast du - gottseidank - mal einen großen Sieg im Reiche Gottes errungen. Gott, ich danke dir für den Mut
und die Kraft, mit der ich das bewältigt habe!
So etwas kenne ich
auch von mir: Wie freue ich mich, wenn wir mal eine volle Kirche haben, ein gut
besuchtes Kirchenkonzert, einen anerkennenden Presseartikel über eine gemeindliche Aktion oder
Veranstaltung...ein Hochgefühl stellt sich ein: da hast du doch mal was Gutes
geschafft - für das Reich Gottes...Von
da aus ist es oft nicht weit bis zu dem Denken: Wir machen es, wir schaffen es,
wir erringen Erfolge, wir ringen die Widerstände nieder, vertreiben und
vernichten das, was wir für böse, schlecht halten..und wenn man noch
einenSchritt weiter geht: Flugs ist man bei dem, was kennzeichend ist für die
gegenwärtige amerikanische Gewaltpolitik: Wir sind die Guten, wir streiten
gegen das Böse, wir zerstören die Mächte der Finsternis...
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Aber das Widrige,
das Widergöttliche läßt sich nie und nimmer mit Gewalt oder Vernichtungswillen
besiegen...Im Gegenteil: Wer das versucht, bewirkt, daß es erstarkt, sich um so
mehr aufbläht...Unmittelbar nach dem Triumph des Elia werden die Widerstände
mächtig, es erhebt sich die Isebel, die den Baalskult förderte und die in der
Ehe mit Ahab offenbar das Sagen hatte, sie läßt Elia ausrichten: Du hast
versucht, den Baalskult mit Gewalt
auszurotten, jetzt wird der Spieß umgedreht, jetzt bist du dran! Sie sinnt auf Rache, auf Vergeltung, sie
faßt ihrerseits die Vernichtung des Gegners ins Auge.
Elia flieht, er
läuft um sein Leben. Nach dem Hochgefühl die Niedergeschlagenheit, der Absturz
in die Depression, die Flucht, nach dem Erlebnis der Macht die Erfahrung der
Ohnmacht.
Wir hören in der
Erzählung nun etwas, was mich von ferne
daran erinnert, wie Jesus seine drei engsten Jünger zurückläßt und allein ins
Dunkel des Gartens Gethsemane hineingeht und dort betet. Elia ist gerannt bis
hin nach Beersheba, „und er ließ seinen Diener dort, ging
hin in die Wüste eine Tagereise weit und kam und setzte sich unter einen
Wacholder...“. Während Jesus in
tiefster Verlassenheit mit Gott im Gebet ringt und schließlich in seinem
Gehorsam gegen Gott von einem Engel gestärkt wird, wünscht Elia sich zunächst
zu sterben. Es ist alles zu viel für ihn, er erkennt: mit seiner Macht ist
letzten Endes doch nichts gegen die widergöttlichen Mächte getan, er findet zu
einer überaus wichtigen und heilsamen Erkenntnis: Ich bin nicht besser als meine Väter...ich bin vor
Gott - wie sie alle - nichts als ein Bettler... er ist zu Tode erschöpft, er
bittet Gott, sein Leben zu nehmen. Das war kein Selbstmordversuch – daß man
sich selbst das Leben nehmen könne, ist biblischem Denken fremd, nur zwei- bzw.
viermal wird das überhaupt in der Bibel berichtet, von Judas und Ahitophel, dem
Ratgeber Absaloms, sowie von Saul und seinem Waffenträger– sondern er bittet
Gott, ihm die Last seines Lebens, seines Berufs zu nehmen.
So wie wir das von
einer Reihe von Großen im Reich Gottes in der Bibel lesen: Mose klagt in der
Wüste zu Gott:Ich kann dies Volk nicht mehr ertragen, wenn du mir gnädig sein
willst, töte mich. Hiob: Ich begehre nicht mehr zu leben, denn meine Tage sind
eitel. Der störrische Jona: Nimm, Herr, meine Seele von mir. Ich wollte lieber
tot sein als leben. Jeremia: Verflucht sei der Tag, an dem ich geboren wurde.
Paulus im Philipperbrief: Ich habe Lust abzuscheiden und bei Christus zu sein.
Und im 2. Korintherbrief: ich will euch nicht verschweigen, daß ich in Asien
über die Maßen beschwert war, über meine Kraft hinaus, so daß ich am Leben verzagte
und beschlossen hatte, ich müßte sterben. So ist auch Elia dran, er legt sich
in der Wüste schlafen, mit dem Wunsch, nicht mehr aufwachen.
Kennen Sie
Ähnliches? Vielleicht nicht so Weitgehendes, aber immerhin, dies kennen wir
vielleicht alle, dieses: Ich kann nicht mehr. Ich bin am Ende. Es ist alles
sinn- und ausweglos.
Aber für Gott gibt
es keine Ausweglosigkeiten. Sondern – um es mit der Volksweisheit – es ist ja
wirklich Weisheit – zu sagen: „Wo die Not am größten, ist Gott am nächsten“.
Oder mit einem Satz Luthers gesagt: „Je tiefer einer ist, desto
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besser sieht ihn
Gott“. Je tiefer einer ist, desto näher ist Gott ihm - der Gott, der nicht im Gewaltigen ist,
sondern im Sanften, Stillen, Unscheinbaren, der Gott, der am Kreuz
Gewaltverzicht gewählt hat, der Gott, der nur noch durch die stille und
unaufdringliche und unwiderstehliche Macht seiner Liebe wirken will, die er
uns durch Jesus mitteilt.
Elia wird aus dem
bleiernen Schlaf der Gottesmüdigkeit erweckt – durch einen Engel, der zu ihm
sagt: Steh auf und iß. Wasser und Brot sind da, das Einfachste und
Elementarste, das notwendig ist für’s Leben. Aber wie köstlich kann dieses
Einfachste sein: frisches klares Wasser, um
den Durst zu stillen, ein frisches geröstetes Brot...
Und als er gegessen
und getrunken hat, schläft er wieder ein, schläft jetzt einen ganz anderen
Schlaf, einen erquickenden Schlaf, den Schlaf, in dem wir uns innerlich ganz
lösen, hingeben, loslassen und Leib und Seele solch neue Kräfte gewinnen, daß
man am nächsten Morgen geradezu Bäume ausreißen könnte.
Wir hören hier:
Durch die einfachsten und elementarsten Dinge tut Gott Wunder. Dadurch, daß
einer einem, wenn er nicht mehr kann, sagt: Nun iß erstmal was. Oder: schlaf
mal drüber, morgen sieht alles anders aus...Gottes Engel kann uns in solch
tröstenden, mutmachenden Worten begegnen.
Aber auch ein
einziges Psalmwort, ein Jesuswort, und eine Abendmahlsfeier...Wieviel Kraft
können wir dadurch empfangen, Kraft für einen weiten Weg, der vor uns liegt.
Denn wir Menschen gehen allesamt einen weiten Weg, bis wir den Gott finden, der
uns in der Stille begegnet und der uns so befreit, daß wir es nicht mehr nötig
haben zu eifern.
Sturm, Erdbeben,
Feuer, das sind Elemente um Gott herum, aber Gott ist nicht darin. Er ist in
nichts Lautem, Gewalttätigem, sondern...Luther übersetzt: Elia hört ein stilles, sanftes Sausen...Man
kann auch übersetzen: Eine hörbare Stille. Martin Buber übersetzt: Eine Stimme verschwebenden Schweigens. Was Elia hört, ist unsagbar. Er hört Gott.
Ich denke, wir
werden den Weg dieser Geschichte im Leben oft gehen; immer wieder, den Weg vom
eigenen es schaffen und machen wollen, wo wir Erfolg oder Triumph erleben -
durch Niedergeschlagenheit, scheinbare Ausweglosigkeit - wo wir dann überraschend, wie durch ein
Wunder – von Gott gestärkt werden durch etwas, das uns neue Kraft gibt für Leib
und Seele – hin zur Begegnung mit Gott... bis wir, so denke ich, diesen Weg in
für uns verborgener Weise ein letztes
Mal gehen werden im Sterben, wo wir dann Gott hören in der Stille und
hinausgehen...
Alles in einem Wort
gesagt: Es ist der Weg mit Jesus: mit
seinem irdischen Lebensweg, seinem Zittern und Zagen in Gethsemane, seinem
Kreuzestod - und seiner Aufnahme ins Leben und ins Licht Gottes hinein.
Darum: der Friede
Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in
Christus Jesus unserm Herrn. Amen.