Predigt über 1. Könige 19, 1-13a

im Frühgottesdienst am Sonntag Oculi, 3. März 2002

 

Lieder:

 

Die güldne Sonne...449, 1 - 4

Du schöner Lebensbaum...96

Lasset uns mit Jesus ziehen...384

Kreuz und Elende...449, 12

 

Psalm 34

 

Lesung: Lukas 9, 51 - 62

 

Der heutige Predigttext ist eine der Urgeschichten der Bibel, voll unergründlicher Tiefe, Kraft und Wahrheit. Die Erzählung  ist überschrieben:Elia am Horeb. Ein paar Vorbemerkungen zum Verständnis.

 

Der Name Elia (wörtlich: Eli-jahu) ist Programm. Sein  Name bedeutet übersetzt : „Mein Gott ist Jahwe“. Elia setzt sich mit Leidenschaft dafür ein, daß das Volk Gottes das Erste Gebot wahrt: Ich bin Jahwe, dein Gott, der dich befreit hat. Du sollst keine anderen Götter neben mir haben. Er kämpft also gegen etwas, was es zu allen Zeiten gibt, natürlich auch unter uns Christen: daß wir neben Gott dem Herrn auch Anderes als göttlich oder himmlisch anbeten.

 

Unmittelbar vor unserem Text wird erzählt, wie Elia in seinem Kampf einen Sieg errungen hat: Er hat gezeigt, daß die Priester des Baal -  eines Gottes, in dem man Fruchtbarkeit, Potenz, Sexualität anbetete -  von Gott dem Herrn nicht gehört oder gar erhört wurden. Dann wird in drastischer Sprache erzählt, daß Elia sie alle getötet – Luther übersetzt: geschlachtet – habe.-  Mit seinem Tun hat Elia vor allem Isebel, die Frau des Königs Ahab, angegriffen. Isebel war eine Tochter des Königs von Sidon. Sie hatte den Baalskult in Israel eingeführt.

 

Im heutigen Text heißt es:

 

Und Ahab sagte Isebel alles, was Elia getan hatte und wie er alle Propheten Baals mit dem Schwert umgebracht hatte.

Da sandte Isebel einen Boten zu Elia und ließ ihm sagen: Die Götter sollen mir dies und das tun, wenn ich nicht morgen um diese Zeit dir tue, was du diesen getan hast!

Da fürchtete er sich, machte sich auf und lief um sein Leben und kam nach Beerscheba in Juda und ließ seinen Diener dort.

Er aber ging hin in die Wüste eine Tagereise weit und kam und setzte sich unter einen Wacholder und wünschte sich zu sterben und sprach: es ist genug, so nimm nun, HERR, mein Leben; ich bin nicht besser als meine  Väter.

Und er legte sich hin und schlief unter dem Wacholder. Und siehe, ein Engel rührte ihn an und sprach zu ihm: Steh auf und iß!

Und er sah sich um, und siehe, zu seinen Häupten lag ein geröstetes Brot und ein Krug mit Wasser. Und als er gegessen und getrunken hatte, legte er sich wieder schlafen.

 

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Und der Engel des HERRN kam zum zweitenmal wieder und rührte ihn an und sprach: Steh auf und iß! Denn du hast einen weiten Weg vor dir.

Und er stand auf und aß und trank und ging durch die Kraft der Speise vierzig Tage und vierzig Nächte bis zum Berg Gottes, dem Horeb.

Und er kam dort in eine Höhle und blieb dort über Nacht. Und siehe, das Wort des HERRN kam zu ihm: Was machst du hier, Elia?

Er sprach: Ich habe geeifert für den HERRN, den Gott Zebaoth; denn Israel hat deinen Bund verlassen und deine Altäre zerbrochen und deine Propheten mit dem Schwert getötet, und ich bin allein übriggeblieben, und sie trachten danach, daß sie mir mein Leben nehmen.

Der HERR sprach: Geh heraus und tritt hin auf den Berg vor den HERRN! Und siehe, der HERR wird vorübergehen. Und ein  großer, starker Wind, der die Berge  zerriß und die Felsen zerbrach, kam vor dem HERRN her; der HERR aber war nicht im Winde. Nach dem Wind aber kam ein Erdbeben; aber der HERR war nicht im Erdbeben.

Und nach dem Erdbeben kam ein Feuer; aber der HERR war nicht im Feuer. Und nach dem Feuer kam ein stilles, sanftes Sausen.

Als das Elia hörte, verhüllte er sein Antlitz mit seinem Mantel und ging hinaus...

 

Und dann sieht er Gott nicht – das kann er - wie auch wir – ja erst, wenn wir den irdischen Tod hinter uns haben, sondern er hört die Stimme Gottes, der ihm nun einen neuen Auftrag, den letzten und größten seines Lebens, gibt: Er wird zwei Männer zu Königen salben und Elisa, seinen Nachfolger, berufen – und dann fährt er auf zum Himmel, Gott entrückt ihn.

 

Aber fangen wir vorne an.  Am Anfang steht sozusagen das Hochgefühl des Elia: Er hat für Gott etwas geschafft, etwas bewirkt, hat der Ehre Gottes gedient. Elia hatte für Gott geeifert, er hatte auf dem Berg Karmel die falschen Götzen und ihre Priester zu Spott gemacht und alles Volk hatte angesichts seines Erfolgs gerufen: Jahwe ist Gott! Der Herr ist Gott! Und wenn dann erzählt wird, Elia habe die - 450! – Baalspriester geschlachtet, so möchte ich das lieber als bildhafte Sprache verstehen, die sagen will: Er hat es unternommen, die Götzendienerei, das Widergöttliche, mit Gewalt auszurotten.

 

Das schien gelungen zu sein, und Elia mag gedacht haben: Da hast du - gottseidank -  mal einen großen  Sieg im Reiche Gottes errungen. Gott, ich danke dir für den Mut und die Kraft, mit der ich das bewältigt habe!

 

So etwas kenne ich auch von mir: Wie freue ich mich, wenn wir mal eine volle Kirche haben, ein gut besuchtes Kirchenkonzert, einen anerkennenden Presseartikel über eine gemeindliche Aktion oder Veranstaltung...ein Hochgefühl stellt sich ein: da hast du doch mal was Gutes geschafft -  für das Reich Gottes...Von da aus ist es oft nicht weit bis zu dem Denken: Wir machen es, wir schaffen es, wir erringen Erfolge, wir ringen die Widerstände nieder, vertreiben und vernichten das, was wir für böse, schlecht halten..und wenn man noch einenSchritt weiter geht: Flugs ist man bei dem, was kennzeichend ist für die gegenwärtige amerikanische Gewaltpolitik: Wir sind die Guten, wir streiten gegen das Böse, wir zerstören die Mächte der Finsternis...

 

 

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Aber das Widrige, das Widergöttliche läßt sich nie und nimmer mit Gewalt oder Vernichtungswillen besiegen...Im Gegenteil: Wer das versucht, bewirkt, daß es erstarkt, sich um so mehr aufbläht...Unmittelbar nach dem Triumph des Elia werden die Widerstände mächtig, es erhebt sich die Isebel, die den Baalskult förderte und die in der Ehe mit Ahab offenbar das Sagen hatte, sie läßt Elia ausrichten: Du hast versucht, den Baalskult mit Gewalt auszurotten, jetzt wird der Spieß umgedreht, jetzt bist du dran!  Sie sinnt auf Rache, auf Vergeltung, sie faßt ihrerseits die Vernichtung des Gegners ins Auge.

 

Elia flieht, er läuft um sein Leben. Nach dem Hochgefühl die Niedergeschlagenheit, der Absturz in die Depression, die Flucht, nach dem Erlebnis der Macht die Erfahrung der Ohnmacht.

 

Wir hören in der Erzählung nun etwas, was mich von  ferne daran erinnert, wie Jesus seine drei engsten Jünger zurückläßt und allein ins Dunkel des Gartens Gethsemane hineingeht und dort betet. Elia ist gerannt bis hin nach Beersheba, „und er ließ seinen Diener dort, ging hin in die Wüste eine Tagereise weit und kam und setzte sich unter einen Wacholder...“. Während Jesus in tiefster Verlassenheit mit Gott im Gebet ringt und schließlich in seinem Gehorsam gegen Gott von einem Engel gestärkt wird, wünscht Elia sich zunächst zu sterben. Es ist alles zu viel für ihn, er erkennt: mit seiner Macht ist letzten Endes doch nichts gegen die widergöttlichen Mächte getan, er findet zu einer überaus wichtigen und heilsamen Erkenntnis: Ich bin  nicht besser als meine Väter...ich bin vor Gott - wie sie alle - nichts als ein Bettler... er ist zu Tode erschöpft, er bittet Gott, sein Leben zu nehmen. Das war kein Selbstmordversuch – daß man sich selbst das Leben nehmen könne, ist biblischem Denken fremd, nur zwei- bzw. viermal wird das überhaupt in der Bibel berichtet, von Judas und Ahitophel, dem Ratgeber Absaloms, sowie von Saul und seinem Waffenträger– sondern er bittet Gott, ihm die Last seines Lebens, seines Berufs zu nehmen. 

 

So wie wir das von einer Reihe von Großen im Reich Gottes in der Bibel lesen: Mose klagt in der Wüste zu Gott:Ich kann dies Volk nicht mehr ertragen, wenn du mir gnädig sein willst, töte mich. Hiob: Ich begehre nicht mehr zu leben, denn meine Tage sind eitel. Der störrische Jona: Nimm, Herr, meine Seele von mir. Ich wollte lieber tot sein als leben. Jeremia: Verflucht sei der Tag, an dem ich geboren wurde. Paulus im Philipperbrief: Ich habe Lust abzuscheiden und bei Christus zu sein. Und im 2. Korintherbrief: ich will euch nicht verschweigen, daß ich in Asien über die Maßen beschwert war, über meine Kraft hinaus, so daß ich am Leben verzagte und beschlossen hatte, ich müßte sterben. So ist auch Elia dran, er legt sich in der Wüste schlafen, mit dem Wunsch, nicht mehr aufwachen.

 

Kennen Sie Ähnliches? Vielleicht nicht so Weitgehendes, aber immerhin, dies kennen wir vielleicht alle, dieses: Ich kann nicht mehr. Ich bin am Ende. Es ist alles sinn- und ausweglos.

 

Aber für Gott gibt es keine Ausweglosigkeiten. Sondern – um es mit der Volksweisheit – es ist ja wirklich Weisheit – zu sagen: „Wo die Not am größten, ist Gott am nächsten“. Oder mit einem Satz Luthers gesagt: „Je tiefer einer ist, desto

 

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besser sieht ihn Gott“. Je tiefer einer ist, desto näher ist Gott ihm -  der Gott, der nicht im Gewaltigen ist, sondern im Sanften, Stillen, Unscheinbaren, der Gott, der am Kreuz Gewaltverzicht gewählt hat, der Gott, der nur noch durch die stille und unaufdringliche und unwiderstehliche Macht seiner Liebe wirken will, die er uns  durch Jesus mitteilt.

 

Elia wird aus dem bleiernen Schlaf der Gottesmüdigkeit erweckt – durch einen Engel, der zu ihm sagt: Steh auf und iß. Wasser und Brot sind da, das Einfachste und Elementarste, das notwendig ist für’s Leben. Aber wie köstlich kann dieses Einfachste sein: frisches klares Wasser, um  den Durst zu stillen, ein frisches geröstetes Brot...

 

Und als er gegessen und getrunken hat, schläft er wieder ein, schläft jetzt einen ganz anderen Schlaf, einen erquickenden Schlaf, den Schlaf, in dem wir uns innerlich ganz lösen, hingeben, loslassen und Leib und Seele solch neue Kräfte gewinnen, daß man am nächsten Morgen geradezu Bäume ausreißen könnte.

 

Wir hören hier: Durch die einfachsten und elementarsten Dinge tut Gott Wunder. Dadurch, daß einer einem, wenn er nicht mehr kann, sagt: Nun iß erstmal was. Oder: schlaf mal drüber, morgen sieht alles anders aus...Gottes Engel kann uns in solch tröstenden, mutmachenden Worten begegnen.

 

Aber auch ein einziges Psalmwort, ein Jesuswort, und eine Abendmahlsfeier...Wieviel Kraft können wir dadurch empfangen, Kraft für einen weiten Weg, der vor uns liegt. Denn wir Menschen gehen allesamt einen weiten Weg, bis wir den Gott finden, der uns in der Stille begegnet und der uns so befreit, daß wir es nicht mehr nötig haben zu eifern.

 

Sturm, Erdbeben, Feuer, das sind Elemente um Gott herum, aber Gott ist nicht darin. Er ist in nichts Lautem, Gewalttätigem, sondern...Luther übersetzt: Elia hört ein stilles, sanftes Sausen...Man kann auch übersetzen: Eine hörbare Stille. Martin Buber übersetzt: Eine Stimme verschwebenden Schweigens. Was Elia hört, ist unsagbar. Er hört Gott.

 

 

Ich denke, wir werden den Weg dieser Geschichte im Leben oft gehen; immer wieder, den Weg vom eigenen es schaffen und machen wollen, wo wir Erfolg oder Triumph erleben - durch Niedergeschlagenheit, scheinbare Ausweglosigkeit -  wo wir dann überraschend, wie durch ein Wunder – von Gott gestärkt werden durch etwas, das uns neue Kraft gibt für Leib und Seele – hin zur Begegnung mit Gott... bis wir, so denke ich, diesen Weg in für uns verborgener Weise ein  letztes Mal gehen werden im Sterben, wo wir dann Gott hören in der Stille und hinausgehen... 

 

Alles in einem Wort gesagt: Es ist der Weg mit Jesus:  mit seinem irdischen Lebensweg, seinem Zittern und Zagen in Gethsemane, seinem Kreuzestod - und seiner Aufnahme ins Leben und ins Licht Gottes hinein.

 

Darum: der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus unserm Herrn. Amen.

 

 

 

 

 

Weitere Predigten von Pfarrer Martin Quaas, Essen-Rellinghausen, finden Sie unter www.martin-quaas.de/predigten.