Gottesdienst am 12. Sonnntag nach Trinitatis, 18. August 2002

 

Lieder:

 

Du meine Seele, singe... 302, 1 - 4

Nun lob mein Seel, den Herren.... 289, 1-4

Ist Gott für mich, so trete... 351, 1 - .4

Wer nur den lieben Gott läßt walten... 369, 1 + 7

 

Psalm:  146 (Nr. 762)

 

Schuldbekenntnis und Gnadenzusage:

 

Laßt uns vor Gott bringen, was uns bewegt und belastet, bedrängt und erschreckt:

 

Treuer und heiliger Gott, wir hören und sehen von schlimmen Ereignissen, von Unglück, Gewalt und Naturkatastrophen...und, ach, erst wenn es uns selber hautnah trifft, bedrängt uns das alles, bringt uns zum Erschrecken...Wird es uns auch zur Umkehr, zur Buße führen?

 

Wir bekennen dir, daß unsere Herzen oft verhärtet sind, daß uns fremdes Leid manchmal nur neugierig macht. Wir bekennen dir, daß wir fast nur an uns selbst interessiert sind, daß wir gedankenlos in den Tag hinein leben, daß wir, statt uns von dir die Augen öffnen zu lassen, blindlings den Katastrophen entgegenleben.

 

Wie schwer hast du es mit uns, deinen trotzigen Kindern, wie groß ist deine Geduld mit uns. Und nun  bitten wir dich: Verzeih uns unsere Gedankenlosigkeit, unsere Lieblosigkeit, unsere Ungerechtigkeit, führe uns und unser Volk von Irrwegen zurück

und erbarme dich aufs neue über uns!

 

So sagt es der 93. Psalm in unsere Angst und Not, in Naturkatastrophen und Bedrängnisse hinein:

 

Die Wasserströme erheben sich,

die Wasserströme erheben ihr Brausen,

die Wasserströme heben empor die Wellen,

die Wasserströme im Meer sind groß und brausen mächtig –

 

der Herr aber ist noch größer in der Höhe.

 

 

Lesung: Markus 7, 31 - 37

 

Predigt über 1. Korinther 3, 9 – 15:

 

Denn wir sind Gottes Mitarbeiter; ihr seid...Gottes Bau.

Ich nach Gottes Gnade, die mir gegeben ist, habe den Grund gelegt als ein weiser Baumeister; ein anderer baut darauf. Ein jeder aber sehe zu, wie er darauf baut.

Einen andern Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus.

2

 

 

Wenn aber jemand auf den Grund baut Gold, Silber, Edelsteine, Holz, Heu, Stroh,

so wird das Werk eines jeden offenbar werden. Der Tag des Gerichts wird’s klar machen; denn mit Feuer wird er sich offenbaren. Und von welcher Art eines jeden Werk ist, wird das Feuer erweisen.

Wird jemandes Werk bleiben, das er darauf gebaut hat, so wird er Lohn empfangen.

Wird aber jemandes Werk verbrennen, so wird er Schaden leiden; er selbst aber wird gerettet werden, doch so wie durch’s Feuer hindurch.

 

 

Liebe Gemeinde,

 

wie herrlich sind unsere großen alten Dome: der in Magdeburg etwa, von dem man noch nicht weiß, ob ihn  vielleicht in den nächsten Tagen braune Fluten umspülen werden, oder der wunderbar klar gegliederte gotische Dom in Meißen, glücklicherweise so hoch gelegen, daß er auf die trüben Fluten der ausgeuferten Elbe und die unter Wasser stehende Altstadt herunterschauen kann - oder natürlich der Kölner Dom, oder die Dome in Ulm, Naumburg, Straßburg...Lange, lange ist an ihnen gebaut worden, jahrzehnte-, jahrhundertelang. Generationen von Maurern, Zimmerleuten, Architekten, Steinmetzen, Handlangern bauten an ihnen...Einmal werden auch diese Dome mitsamt ihren Fundamenten verschwunden sein, zerstört, verrottet, zerbrochen...Es gibt einen Bildband mit dem Titel: „Sie bauten für die Ewigkeit“: Was sieht man in ihnen? Lauter Ruinen, Reste von Pyramiden, Tempeln, Palästen...

 

In unserm Text vergleicht der Apostel Paulus auch das Reich Gottes, dem die Kirche Jesu Christi dient, mit einem Bau. Und dies ist kein Jahrhundert- , sondern ein Jahrtausendebau. Es ist ein unzerstörbarer Bau, ein Bau, der alle Zeiten überdauern wird. Der bis zur Ewigkeit bleibt. Die Zahl derer, die an diesem Bau mitbauen, geht in die Milliarden. Der Bauherr – also der, der den Bauplan kennt und der auch schon die Vollendung dieses Baus vor Augen hat – das ist Gott selbst. Er, der Bauherr, gibt uns in diesem Text

 

1.      einen Auftrag

2.      zeigt er uns das Fundament, das den ganzen Bau trägt und

3.      gibt er eine Zusage

 

 

                                                                        I

 

1. Der Auftrag: Er lautet schlicht und einfach: Baut!

 

Paulus ist diesem Auftrag gefolgt, als er – etwa in der Weltstadt Korinth – die christliche Gemeinde aufbaute, andere folgten ihm, bauten auf seiner Gründung weiter – und heute bauen in Korinth andere  – nunmehr überwiegend griechisch-orthodoxe Christen.

 

3

 

Und auch bei uns in Rellinghausen wird das Reich Gottes gebaut. Vor über 1000 Jahren fing’s hier an mit dem Reich-Gottes-Bau – und seit ca. 1550, als hier die evangelische Gemeinde entstand, bauen auch evangelische Christen mit am Reich Gottes.

 

Heute gilt jedem von uns Gemeindegliedern hier der Auftrag: Baue mit! Baue mit deinen Kräften, deinen Gaben. Allein hier im Gottesdienst: Herr Gewitsch, gerade aus dem Urlaub zurück, der Küster, sorgt für diese Kirche, seine Frau kümmert sich um den Blumenschmuck, ihr alle singt und betet mit, und ihr hört zu – übrigens ein überaus aktives Tun -  Frau Eymann hat die Lesung gehalten, die Organistin, heute wieder Frau Urbasch, musiziert zur Ehre Gottes und zur Freude von uns...Oder zuhause oder auf der Straße:  Wir grüßen einen Menschen freundlich, so daß sein Gesicht schön wird über dem Lächeln, wir beten für einen kranken Nachbarn, wir lesen in der Bibel, ein  einziger Vers vielleicht gibt uns ungeahnte Kraft, wir bitten einen Menschen um Verzeihung, wir bedanken uns in einem Telefonat für Geburtstagsgrüße - lauter Dinge, die den Bau des Reiches Gottes weiterbringen. Oder – wie ich gestern hörte – ein Mitglied unserer Reisegruppe, die im Mai in Dresden war, hat einen Brief geschrieben an die Schwestern des Diakonissenhauses, in dem wir damals wohnten. Auch das dazu gehörende Krankenhaus der Diakonissenanstalt ist von den Überschwemmungen schwer betroffen. Wie wichtig kann dann auch ein anteilnehmender Brief für die so belasteten Menschen dort sein.

 

Denken wir nur ja nicht gering von unseren scheinbar kleinen Beiträgen! Scheinbar winzige Dinge können ungeahnte Auswirkungen haben.

 

Und an andern Orten und zu andern Zeiten bauten und bauen Andere.. Vielleicht trösten irgendwo jetzt in Gottesdiensten oder in Gesprächen in Turnhallen Menschen andere verzweifelte Menschen, wie viele Tausende Helferinnen und Helfer gibt es – Soldaten, Menschen, die ehrenamtlich für andere tätig sind in Feuerwehr, DLRG und anderen Verbänden. Oder:  Es sind Menschen da,  die andere Menschen in Gefängnissen seelorgerlich betreuen oder Menschen, die sie – etwa in der Organisation amnesty international – vor Folter und Unrechtshaft zu bewahren suchen, oder denken wir an Krankenschwestern und Pfleger,  an Ordensleute, an Mönche, die für andere vor Gott im Gebet eintreten, an eine Soldatin der Heilsarmee und und... 

 

Vielleicht werden wir einmal sehr staunen, wenn wir mit dem Ertrag unseres Lebens vor Gottes Thron stehen und Gott uns zeigt: Dieses Wort oder dieses Lächeln – das

war sehr sehr wichtig für den Weiterbau des Reiches Gottes – und dies  - z.B. eine theologische Doktorarbeit oder ein Kirchenbau – das hat das Wachstum des Reiches Gottes kaum weitergebracht und dies – nämlich diese Rechthaberei von dir oder

diese Knausrigkeit – das hat sogar einen großen Rückschritt bedeutet, hat einiges zum Einsturz gebracht...

 

Denn Paulus nennt hier ja auch die unterschiedlichsten Baumaterialien: Gold, Silber, Edelsteine, aber auch Holz, Stroh, Heu, also beständige, wertvolle -  und vergängliche, leicht verderbliche, schnell verfaulende Baumaterialien. Und warum er diese Materialien nennt, werden wir gleich noch sehen.

4

 

 

                                                                        II

 

Aber vorher müssen wir – zweitens – vom Fundament sprechen. Das Fundament: das ist Jesus Christus selbst. Auf ihn hat Paulus den Bau der Gemeinde gegründet. Und er bleibt das alleinige Fundament: Jesus Christus, wie er uns in der Heiligen Schrift verkündigt wird -  das eine Wort Gottes, das wir zu hören, dem wir im Leben und im  Sterben zu vertrauen und  zu gehorchen haben. Das ist das Fundament, das alle Zeiten überdauert. Alles andere wird im  Flugsand der Geschichte versinken, verwehen. Christus allein ist und bleibt das Fundament jeder Gemeinde und das Fundament jedes einzelnen Christenlebens. Er ist das Fundament, auf das wir im Leben und im  Sterben bauen können. Alles andere ist Sand und Tand.

 

Je älter ich werde, desto klarer wird mir: Jedes Menschenleben braucht einen festen Grund, ein solides, tragfähiges Fundament, auf das man bauen kann. Wer keins hat, wird haltlos, kann versinken, abstürzen. Wir brauchen ein  Fundament, das hält, wenn alles schwankt oder ins Wanken zu kommen droht. Solch ein festes Fundament kann aber weder unsere Kraft noch unsere Leistung noch unser Ansehen noch unser Geld sein...Sondern tragfähig und belastbar wie nichts und niemand sonst ist Jesus Christus. Von ihm und zu ihm können wir sagen: Teneo, quia teneor - Ich halte, weil ich gehalten werde.

 

Wer sein Leben auf Christus gründet und auf ihn baut, der baut mit Baumaterialien von  bleibendem Wert, Paulus benennt  sie einmal mit den Worten Glaube, Hoffnung, Liebe. Es sind  Baumaterialien, die Bestand haben auch im Jüngsten Gericht.

 

                                                                        III

 

Denn – drittens – Gott, der Baumeister, gibt uns eine Zusage. Er wird den Bau, den vollendeten Bau, einmal, wie man in der Architektensprache sagt, „abnehmen“. Er wird beurteilen, was Bestand hat und was nicht, was köstlich und kostbar ist an diesem Bau und was vergängliches, schnell verderbliches Baumaterial war.

 

Manches wird sich als Gras und Heu herausstellen, als Stroh – im Strohfeuer vergehend. Manche Splitter, die wir im Auge des Andern gesehen haben, werden schnell verbrennen, die Balken im eigenen Auge dagegen viel langsamer.

Ganz vieles, auf das wir in unserer Konsum- und Spaßgesellschaft in den letzten Jahrzehnten gesetzt haben, wird überhaupt keinen Bestand haben. (Dazu gehören auch zahllose Gebäude, die wir als betongewordenes Zeichen hemmungsloser Profitgier auf Wiesen hingeklotzt haben). – Und kann man in den gegenwärtigen Katastrophen nicht auch Warnzeichen der Natur sehen? Warnzeichen Gottes, die uns sagen: Ihr in USA und Europa – ihr habt in den letzten Jahrzehnten weit über eure Verhältnisse gelebt, habt weit mehr verbraucht, benutzt, verschwendet, als der Natur und eurem eigenen Leben guttut – lernt aus den Katastrophen, geht nicht gleich wieder zur Tagesordnung über,  zum schnellen Wiederaufbau, besinnt euch, handelt nicht weiter nach dem Motto: Nach uns die Sintflut, ändert eure

 

 

 

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Lebensweise, lebt bescheidener, mehr in Einklang mit eurer natürlichen  Umgebung...

 

Ob wir Menschen doch noch aus dem Tiefschlaf erwachen, ob wir doch noch sehend werden? Oder sind wir zu träge, zu dumm, zu faul...zu gottlos?! Muß es erst noch  schlimmer kommen? Ob wir endlich erkennen werden und zu unterscheiden lernen, was bleibend und was vergänglich, was wesentlich und was unwesentlich ist, was verderblich ist und was in Gottes Reich Wert und Bestand hat?

 

Denn manches, das vielleicht unwichtig und unscheinbar erschien, wird, wenn wir vor Gottes Thron stehen, wunderbar leuchten wie Edelsteine  und herrlich glänzen wie Gold: Ein tröstendes Wort, der Augenblick, wo eine Frau einer Sterbenden ganz zart übers Haar gestrichen hat, ein Blick voll Einfühlsamkeit, ein mutiges Wort, wo andere feige schwiegen...

 

In dem, was Paulus hier von der Vollendung, vom Gericht, vom endgültigen Urteil über unsere Bautätigkeit sagt, steckt eine Mahnung und eine Verheißung.

 

Die Mahnung: Richte du nicht über den Wert dessen, was andere tun. Überlaß jedes Urteilen Gott. Wie wohltuend sind Menschen, die in ihren Worten nicht über andere herziehen, an ihnen herummäkeln, sondern immer Freundliches,  Gutes von ihnen sagen. Ich kenne einiger solcher Menschen. Sie maßen sich nicht an, über andere zu urteilen. - Das ist die Mahnung: Urteile nicht über andere.

 

Und die Verheißung: Du wirst gerettet werden – du und jeder und jede -  doch so wie durch Feuer hindurch. Woraus die katholische Kirche ja die Lehre vom „Fegefeuer“ gemacht hat. Aber ich glaube, man kann aus diesem sehr ernsten Geheimnis keine Lehre machen.

 

Gemeint ist auf jeden Fall: Wir kommen nicht einfach „alle, alle in den Himmel, weil wir so brav sind...“,  sondern unser Tun und Lassen hat Bedeutung für’s letzte Gericht, für jenen jüngsten Tag, an dem wir einmal mit dem gesamten Ertrag unseres Lebens vor Gottes Thron stehen werden. Über manches, das dann wieder ans Licht kommt, werden wir uns dann sehr schämen, manches wird uns sehr schmerzen, wird uns vielleicht höllisch weh tun...aber wir selbst werden gerettet werden. Und für all das, mit dem wir das Reich Gottes gefördert hat, wird Gott uns reich belohnen.

 

Also: Achten wir darauf, daß möglichst viel von unserem Tun wertvoll und beständig ist. Leben wir im Bewußtsein: Wertvoll, beständig ist allein das, was Christus in uns und durch uns wirkt .

 

Der Friede Gottes, höher als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus unserm Herrn. Amen.

 

 

 

 

 

 

Fürbitten:

 

Laßt uns Gott bitten

für die Opfer der Hochwasserkatastrophe in unserm Land

und in Tschechien und der Slovakei, in Rußland und Österreich,

für die Menschen, die Hab und Gut verloren haben, die ihr Zuhause verlassen mußten und die verzweifelt sind angesichts von Chaos, Schmutz und Zerstörung,

für die vielen Helferinnen und Helfer,

auch für die Verantwortlichen in Bund, Ländern und Gemeinden,

 

daß Gott ihnen allen die Kraft gebe, die sie jetzt brauchen, daß er Hilfsbereitschaft wecke und stärke, daß´er uns Menschen zur Einsicht führe, bevor es zu spät ist, daß er uns einen Umgang mit Gütern und Gaben lehre, der von Ehrfurcht vor Gott, von Ehrfurcht vor dem Leben geprägt ist,

laßt uns den Herrn anrufen:

Herr, erbarme dich.

 

Laßt uns Gott bitten

für die Kranken zuhause und in den Heimen und Kliniken,

daß Menschen da sind, die sie pflegen, die sie besuchen und Verständnis für sie haben,

laßt uns beten für die, die auf eine Operation warten, daß sie mit Vertrauen und Hoffnung in die Zukunft sehen.

Laßt uns auch beten für die, die nie wieder ganz gesund werden, daß sie sich in Gottes Willen finden und seinen Segen erfahren,

auch für Schwestern und Pfleger, Ärztinnen und Ärzte und

für alle, die zu Hause ihre Kranken versorgen, daß Gott ihnen Geduld und Tatkraft schenke, Taktgefühl und ein fröhliches Herz,

laßt uns den Herrn anrufen:

Herr, erbarme dich.

 

Laßt uns für uns alle beten, daß wir die Gesundheit nicht zum Götzen machen, aber auch nicht Raubbau treiben mit unseren Kräften, daß Krankheiten uns nicht nur in Angst und Sorge treiben, sondern auch heilsam für uns sind und uns daran erinnern, daß Gottes Güte mehr ist als Leben,

laßt uns den Herrn anrufen:

Herr, erbarme dich.

 

Laßt uns beten für alle, die besondere Verantwortung tragen in Politik, Wirtschaft und öffentlicher Meinungsbildung,

daß sie die Wahrheit lieben und die Lüge verachten,

nach Gerechtigkeit streben und den Frieden fördern,

nach Wegen der Verständigung, der Versöhnung, des gedeihlichen Miteinander im Zusammenleben der Völker suchen,

laßt uns den Herrn anrufen:

Herr, erbarme dich.

 

Ach Gott, nimm Großmannssucht, Vergeltungsstreben und Kriegslüsternheit aus den Hirnen und Herzen der Mächtigen, gib ihnen Klugheit, Weisheit, Besonnenheit. Erwecke und stärke in unserem Volk die Kräfte des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe und führe uns, ehe es zu spät ist, zur Buße. Amen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 




Weitere Predigten von Pfarrer Martin Quaas, Essen-Rellinghausen, finden Sie unter www.martin-quaas.de/predigten.