Taufgottesdienst am 20. Sonntag nach Trinitatis , 5.
November 2000)
(Pfarrer
Martin Quaas)
Lieder:
Gottlob, der Sonntag kommt herbei...162
Gott gab uns
Atem...432
Laß mich, o
Herr, in allen Dingen...414
Gott, der du
alles Leben schufst...211
Danke...334
Psalm 84
Lesung: 1.
Mose 8, 18
Predigttext:
1. Korinther 7, 29- 31:
Das sage ich aber, liebe Schwestern und Brüder: Die Zeit ist kurz. Fortan sollen auch die, die Frauen haben, sein, als hätten sie keine; und die weinen, als weinten sie nicht;
und die sich freuen, als freuten sie sich nicht; und die
kaufen, als behielten sie es nicht;
und die diese Welt gebrauchen, als brauchten sie sie nicht.
Denn das Wesen dieser Welt vergeht.
Liebe
Schwestern und Brüder!
wahrscheinlich
hattet Ihr gerade das gleiche Empfinden wie ich beim ersten Lesen dieser Verse
am Mittwoch,als ich die Predigt begann, nämlich: na, das hört sich aber ganz
nach Miesmacherei des Lebens an, was Paulus hier schreibt! Wo doch Gott der
„Liebhaber des Lebens“ ist. Ja – so wird Gott im Alten Testament einmal
wörtlich genannt: der Liebhaber des Lebens -
der, der das Leben liebt! Aber Paulus – der scheint hier alle
Lebensfreude madig zu machen.
I
„Die Zeit ist kurz“ – ja,das wissen wir doch auch so. Zwar, wenn man jung ist,
scheint das Leben wie eine weite Ebene vor einem zu liegen. Aber – je älter man
wird,desto schneller geht das Leben vorbei, und die Zeit, die noch vor einem
liegt, wird immer kürzer - ein schöner
Gedanke ist das kaum für einen Menschen.
„Die, die Frauen haben, sollen sein,als hätten sie keine“: was soll das heißen!
Paulus,höchstwahrscheinlich ehelos, weiß offenbar nicht, wie gut es ist – bei
allen Problemen,die das so nahe Zusammenleben eines Mannes mit einer Frau mit
sich bringt - er weiß offenbar nicht,wie
gut und schön es ist, wenn man den Karren zu zweit zieht und einen verläßliche sie n Partner hat.
„Die weinen, sollen sein, als weinten sie nicht“: Hat Paulus denn keine Ahnung davon,
in welch tiefes Loch einer stürzt, dem der Mann, die Frau oder gar ein Kind
gestorben ist?
2
Und: „die sich freuen, als freuten sie sich nicht“
– als wenn Gott, der das Leben liebt, uns nicht Zeiten gönnte, wo man einfach
fünfe gerade sein läßt und sich unbändig freut!
Schließlich: „Die die Dinge dieser Welt gebrauchten,als gebrauchten
sie sie nicht“: Soll man sich nicht auch an Hab und Gut, Kunst und Kultur,
Essen und Trinken, Natur und Reisen vorbehaltlos freuen können?
Nein, Paulus,
das klingt alles so lebensverneinend, so freudlos, daß man an den Satz erinnert
wird, den ein Konfirmand gesagt haben soll auf die Frage, was das Wesentliche
des christlichen Glaubens sei: „Christentum: das ist das, was man nicht darf.“
II
Wo steckt denn
in diesen Paulussätzen das Evangelium, also die frohe, Freude weckende
Botschaft für uns? Denn dies habe ich bei einem meiner theologischen Lehrer
unvergeßlich gelernt: Wenn man einen
biblichen Text richtig verstehen will, muß man nach dem suchen, was
darin hilfreich, frohmachend ist - sonst hat man ihn nicht richtig verstanden.
Wo aber ist in diesem Text der Kern der Freude?
Und nun lese
ich einfach, was direkt nach unserm
Predigttext steht, da schreibt Paulus: „Ich
will, daß ihr ohne Sorgen seid..., ich will, daß ihr stets und ungehindert auf
den Herrn ausgerichtet lebt“.
Darum geht’s
also: Im Blick auf den Herrn Christus leben und dadurch frei werden von
unnützen Sorgen! Das klingt schon besser.
III
Aber was heißt
dann: Die Zeit ist kurz? Paulus
erläutert es durch den Satz „Das Wesen dieser Welt vergeht“. Das Wesen
der Welt um uns ist also etwas
Vorläufiges, Vorletztes. Unser Leben und das ganze Weltall bewegen sich nicht
nur auf ein Ende, sondern zugleich auf eine Vollendung, ein Ziel zu – und
dieses Ziel ist die Wiederkunft Christi in Herrlichkeit.
Pfarrer Ulrich
Parzany erzählt, als er ins Theologiestudium ging, habe ihm der
Weiglehaus-Pfarrer Wilhelm Busch geraten: Halte dich in den Uni – Städten zu
solchen Christen und christlichen Gruppen, die in der Erwartung der Wiederkunft
Christi leben. Und, fügt Parzany hinzu: Ich habe gemerkt,wie seelsorgerlich und
klug dieser Rat war.
Solche
Christen haben nämlich ein Ziel vor Augen, leben in einer großen Erwartung und
haben damit zugleich eine unbeirrbare Hoffnung. Sie lernen durch den Blick auf
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dieses Ziel
Wesentliches von Unwesentlichem zu unterscheiden, lernen auch zu durchschauen, was dem Leben und der
Freiheit und Freude,die Gott uns zugedacht hat, wirklich dient und was nur so
tut als ob.
„Die Zeit ist kurz“
– das bedeutet also schlicht und einfach: Erfülle die Lebenszeit,die Gott dir
zugedacht hat, mit Sinn, laß sie dir von dem, was Jesus in seinen Worten
undTaten an Gutem zu geben hat, er-füllen, lebe in der Erwartung: Die Herren
dieser Welt gehen,unser Herr aber, der Herr Christus, ist im Kommen: Ihm gehe ich
entgegen, er wird mich zu einem neuen Leben in „ewger Freud und selgem Licht“
geleiten. Oder – mit dem schönen, Luther zugeschriebenen Satz gesagt: Lebe in
der Haltung: Wenn morgen die Welt
unterginge, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen.
IV
Im Blick auf
Christus leben – damit bekommt nun
alles im Leben seine richtigen Maßstäbe, das Leben kommt in Ordnung, wir werden frei. Daß Ihr Kind Jesus
kennenlernt, mit ihm zusammen sein Leben führen lernt, das ist ja der Sinn der
Taufe und das ist ihr hoher Auftrag, liebe Eltern und Paten. Sie erfüllen ihn
dadurch, daß Jesus die Freude Ihres eigenen Lebens wird. Er sagt im
Johannesevangelium (Kap.10 Vers 10b): „Ich bin gekommen, damit die Menschen das
Leben haben und es in Fülle haben“ – Leben in Fülle, erfülltes Leben gibt er.
Von daher höre
ich nun die Worte des Paulus so, daß er mir in ihnen dies sagt: Ja, der Herr
Christus will, daß du dich am Leben freust, daß du Freude hast an all dem
Vielen, das köstlich ist im Leben: die Umgebung, die Natur – auch in ihrer Art
und
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Gestalt, wie
sie jetzt im November ist - , Essen und Trinken, Kunst, Kultur, Bücher und
manche Filme, Erlebnisse auf Reisen –: Gib dich ganz in die Herrlichkeiten des
Lebens hinein, damit du später nicht einmal denken mußt, du habest etwas
verpaßt, seist zu kurz gekommen im Leben – aber
in und über alledem, was du erlebst: lebe in Vertrauen und Ehrfurcht vor
dem Herrn Christus, in der Verantwortung vor ihm und nach den Maßstäben, die in
seinen Worten klipp und klar enthalten sind: Dann lebst du in einer Lebensfülle
und Freiheit, die es dir einmal leichter machen mag, dein Leben loszulassen, es
ganz Gott anheimzugeben und auch Dinge loszulassen.
Du kannst dann
trauern – und gerade tief trauern und sehr weinen, denn je mehr einer Menschen
und das Leben liebt, desto schwerer wird ihm das Abschiednehmenmüssen – und
doch brauchst du nicht in Schmerz gelähmt zu bleiben, sondern kannst den –
vielleicht langen – Weg der Trauer gehen, wie Jesus in Gethsemane einen inneren
Weg ging: Verzagtheit, Verzweiflung, Aufbegehren, Auflehnung gegen Gottes dunklen Willen, sich dagegen wehren und
dann doch neues Vertrauen finden, sich Gottes gutem Willen anheimgeben, einen
neuen Lebensinn, einen neuen Lebensauftrag finden...
Du kannst Glück
und Sorgen in der Ehe, der Liebe erfahren – und in deiner Ehe wird Jesus nicht
der Dritte, sondern der Erste im Bunde sein, der dir zu Liebe und
Treue,Vergebung und Widerstand, wo er geboten ist, hilft.
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Du kannst dich
dann von ganzem Herzen freuen, und doch klebt deine Freude nicht an dem, was
dich gerade erfreut, sie hat tieferen Grund: Grund in Jesus,der allezeit
unsere Freude
ist – und der dir hilft, daß deine Freude sich immer mehr mit Staunen und
Dankbarkeit paart.
Du bist dann
nicht mehr besessen von Hab und Gut, als könntest du daraus das Leben gewinnen,
sondern du lebst aus besseren, aus ewigen Gütern und Gaben – und bist dann auch
frei, mit deinem Geld und Gut Gutes zu tun.
Du lebst – mit
einem Wort – in der Freiheit, zu der Christus befreit.
Darum: Der Friede Gottes, der höher ist als alle
Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus unserm Herrn. Amen.