Lieder:
Lobet den
Herren, alle die ihn ehren...447, 1-3.6-8
Wer nur den
lieben Gott läßt walten...369
Such, wer da
will, ein ander Ziel...346, 1 – 4
Vertraut den
neuen Wegen...395
Psalm: nach
Psalm 25 (Nr.777)
Schriftlesung:
Lukas 9, 57 - 62
Wechselseitiger
Segenszuspruch am Ende des Gottesdienstes: Psalm 121 (Nr.753)
Liebe
Gemeinde,
der für heute
vorgeschlagene Predigttext erzählt vom Anfang der Geschichte Gottes mit seinem
Volk Israel: sie fängt an in Haran,einem Ort in der heutigen Südtürkei. Und sie
fängt an mit einem einzelnen Menschen, einem alten Mann.
In 1. Mose 12
Vers 1 – 4a heißt es:
Und der Herr sprach zu Abram: Geh aus deinem Vaterland und
von deiner Verwandtschaft und aus deines Vaters Hause in ein Land, das ich dir
zeigen will.
Und ich will dich zum großen Volk machen und will dich
segnen und dir einen großen Namen machen, und du sollst ein Segen sein.
Ich will segnen, die dich segnen, und verfluchen, die dich
verfluchen; und in dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter auf Erden.
Da zog Abram aus, wie der Herr zu ihm gesagt hatte...Abram
aber war fünfundsiebzig Jahre alt, als er aus Haran zog.
75 Jahre also.
Ich finde, das ist echt Gott. Gott handelt in der Bibel immer auf die
merkwürdigste Weise, er tut die überraschendsten Dinge - Dinge, die wir wir garnicht für möglich
halten.
Wo wir denken:
der gehört jetzt allmählich zum alten Eisen, oder: die hat ihr Leben eigentlich
im Wesentlichen hinter sich – da fängt Gott erst richtig an.
75 Jahre alt
ist Abraham, als Gott seine Pläne mit ihm beginnt. Also, wenn einer unter uns
75 oder älter ist, er denke bitte nie: Ich bin nutzlos. Sondern er denke: Gott
kann mich zu Wichtigem gebrauchen.
Was Abraham
vorher alles erlebt oder getan hat, davon wissen wir nichts. Wir hören nur
einige Verse vor unserem Text, daß er zwei Brüder hatte,von denen einer früh
starb,daß er kinderlos verheiratet war und daß sein Vater Terach aus der Stadt
Ur – im heutigen Kuwait – nach Haran in der südlichen Türkei ausgewandert war.
2
Aber dann, mit
75, beginnt Gott, seine Pläne mit ihm ins Werk umzusetzen. Und was sind seine
Pläne? Abraham soll zum Segen werden für alle Geschlechter auf der Erde.
I
Auch das ist
ja wohl „echt Gott“, nämlich absolut überraschend und unfaßlich: Er sagt zu dem
alten, kinderlosen Abraham: Durch dich sollen Segen empfangen alle Geschlechter
auf Erden. Nicht wahr: Größer, umfassender, weitreichender geht es nicht. Diese
Zusage Gottes übergreift alle Grenzen von Ländern und Kontinenten und alle
Zeiträume. Der alte Mann Abraham: Ein Segen für alle Völker auf der ganzen
Erde!
Und damit wir
aus dem Staunen nicht heraus kommen – ich denke mir: Gott sieht ja schon die
Erfüllung vor Augen, als er dies – eintausendfünfhundert Jahre vor Christi
Geburt - zu Abraham sagt. Gott weiß in
diesem Moment schon all die Wege,die zu diesem Ziel führen werden. Er kennt
schon die Vollendung des Anfangs, den er hier mit Abraham macht. Er hat schon
vor Augen die entscheidende Weichenstellung in der Geschichte des Segens für
Abraham, durch die der Segen vom Volk Israel auf die Völkerwelt ausgeweitet
wird: Ein Kind in einer Futterkrippe, ein Mann, der am Kreuz seine Gottverlassenheit
herausschreit.
Du und ich,wir
stehen mitten drin in dieser Segensgeschichte. Vieles hat sich schon erfüllt,
aber vollendet ist noch längst nicht, was mit Abraham begann.
Für unendlich
viele Menschen ist Abraham schon zum Segen geworden, für unendlich viele Juden,
Christen, Moslems. Denn, überlegen wir: Ohne Abraham hätten wir keine
hebräische Bibel, kein Neues Testament, keinen Koran, ohne ihn gäb’s keine Kirche, säßen wir jetzt nicht hier.
Und, wir
müssen hinzufügen: Auch das Andere ist geschehen, was Gott hier ankündigt. Er
sagt ja: Ich will segnen,die dich segnen und verfluchen,die dich verfluchen. Das gabs ja auch, bei Christen und
bei Moslems, und am schlimmsten in unserem Volk und Land: daß Menschen dem
Abraham in seinen Nachkommen, den Juden, zum Fluch wurden, ihnen Böses,
Schreckliches, Entsetzliches antaten -
und diese Menschen verfielen ihrerseits dem Fluch Gottes. Und auch der
wirkt durch Generationen fort: Wenn wir zur Segelfreizeit nach Holland fahren,
dann fahren wir als Angehörige des Volkes, das 1940 Holland überfiel und die
Juden – Anne Frank und viele Tausende Anderer - aus Holland in die KZ‘s deportierte.
Noch ist
Abraham vielen Völkern nicht zum
Segen geworden. Noch wünschen sich die Völker ja nicht in Abrahams Namen von
Herzen Segen und sagen zueinander: Friede sei mit euch. Noch bekämpft man sich,
unterdrückt die Schwächeren, beutet die Erde habgierig aus – noch muß Gott
unablässig weiter tätig sein in seinem stillen stetigen segnenden Wirken. Und auch als der, der rettend an uns handelt, indem er zu uns Menschen redet.
3
II
„Und der Herr sprach zu Abram“... Ist
nicht auch das zum Staunen? Gott, der Schöpfer des All, der, ohne den nichts
wäre - der redet. Er ist kein stummes
Schicksal. Er möchte, daß Er und Du Gesprächspartner sind. Er sagt uns, wo’s
lang geht. Er sagt uns klar, was gut ist für uns und was nicht gut ist für uns.
Er
redet zu uns,
damit wir Verführungen durchschauen und in heilsamen Grenzen leben. Er gibt uns
seine Gebote,die wir nicht ungestraft übertreten.
Aber hören wir
auch auf ihn? Er redet zu uns durch die Worte der Bibel. Er kann zu uns auch
durch Geschehnisse, Erlebnisse reden. Als ich 1967 in New York studierte, sagte
mir ein holländischer Studienfreund, Ton Veerkamp, der jetzt Dozent in Berlin
ist, als ich einmal unverschämtes Glück hatte: Du, hör mal,wir sollen nicht
einfach sagen: Glück gehabt oder auch: Pech gehabt, sondern sollen auch mal
riskieren zu sagen: das war Er! Das war – Gott!
Gott redet.
Aber was mutet er mit dem, was er hier sagt, dem Abraham zu: „Geh heraus aus deinem Vaterland,aus deiner
Freundschaft, aus deinem Vaterhaus...“.
Verlaß deine
Heimat, deine gewohnte, dir vertraute Umgebung. Verlaß deine Sippe,die dir
Schutz und Geborgenheit gibt. Brich alle bisherigen Beziehungen ab. Nur noch eine Beziehung soll gelten und dauern:
Die zu dem Gott,der dich aus Gebundenheiten herausruft.
Auch Jesus hat
seine Jünger so aus allen vorherigen Bindungen herausgerufen. Und wir haben
eben in der Lesung gehört, wie radikal seine Worte sind.
Ein Franz von
Assisi hat diesen Ruf Gottes heraus aus allen Bindungen gehört: hat seine
reiche Familie und allen Besitz verlassen und den Bettlerorden der
Franziskaner
und Franziskanerinnen gegründet. Einen Orden,der vielen zum Segen geworden ist,
auch der Familie Quaas, denn ein Franziskaner, Pater Erich Jansen, jahrzehntelang in Taiwan tätig, zuletzt
Guardian des Essener Franziskanerklosters, vor einigen Jahren verstorben, war
und ist für unsere Familie ein Segen.
Aus welchen
Gebundenheiten und Bindungen mag Gott uns heute herausrufen? Einer könnte es
vielleicht so hören: Geh heraus aus der Dauerberieselung durch
Fernsehprogramme, die das Leben (man
muß es so drastisch sagen), versauen und verrohen. Oder: Geh heraus aus einer
Lebenshaltung, in der Gott Mammon zunehmend alle Lebensbereiche beherrscht und
„gleichschaltet“, nämlich flächendeckend zeitlich, räumlich, seelisch alles beherrschen will. Ein Beispiel
dazu: Gestern steht in der NRZ zu lesen, in der CDU – Ratsfraktion unserer
Stadt wird geplant, den Essener Weihnachtsmarkt zeitlich noch weiter
vorzuverlegen und auszudehnen, er soll jetzt schon am Montag vor Buß- und
Bettag beginnen.
Ein CDU – Ratsherr hat die Stirn, dem den
Kommentar anzufügen: Weil der Buß- und Bettag ohnehin kein kirchlicher Feiertag
mehr sei, „seien ja auch die kirchlichen Interessen gewahrt“.
4
Unsere Dritte
Welt Läden hatten bereits im November vergangenen Jahres den Oberbürgermeister
in einem Schreiben gebeten, sich für einen späteren Beginn, nämlich den Tag
nach dem Toten- und Ewigkeitssonntag, einzusetzen. Er hielt es trotz
freundlicher schriftlicher Erinnerung im März nicht einmal für nötig, überhaupt
zu reagieren! Wie ist das denn mit der vielzitierten „Bürgernähe“?! Oder sollte
ihm der Brief vorenthalten geblieben sein?
Ein Anderer
könnte dieses „Geh heraus...“ so hören: Geh heraus aus deiner Gebundenheit an
eine Lüge – gesteh die Wahrheit. Geh heraus aus einem betrügerischen Verhalten
– finde zurück zur Ehrlichkeit. Geh heraus aus einer Schuld – bitte um Verzeihung.
III
Denn: Gott
ruft nicht nur heraus aus Gebundenheit, er sagt auch,wohin wir gehen sollen: „...in ein Land,das ich dir zeigen werde“.
Ein Land also. Aber: was ist das für ein Land? Abraham wußte nicht die Spur, wo
es sein würde, wie es aussehen würde. Und wir kennen dieses Land auch nicht,
das Gott uns zeigen will. Allerdings: Konturen dieses Landes können wir nennen:
Es wird ein Land sein, in dem Gerechtigkeit wohnt und Friede blüht, wo die
krassen Gegensätze zwischen Superreichen und Verhungernden eingeebnet sind, wo
Gott tröstend die Tränen aus den Augen Leidtragender abwischt, wo Menschen
nicht mehr von Leid, Geschrei und Schmerzen gequält werden. Dieses Land ist in
keiner „Weltanschauung“ oder Lehre festzulegen, wir können diesem Land nur Schritt
für Schritt in lebendiger, tätiger Hoffnung entgegengehen. Und dies ist
übrigens der einzige Fortschritt,der diesen Namen wirklich verdient. Der einzig
wirkliche Fortschritt der Menschheit ist der Fortschritt an
Gerechtigkeit,Liebe,Frieden. Zu diesem Fortschritt, dem Fortschritt des Reiches
Gottes, können wir beitragen, auch auf unserer Freizeit.
IV
Und wir sind
ja nicht allein. „Ich will dich zum
großen Volk machen“,sagt Gott dem kinderlosen Abraham zu. Und aus ihm sind
in der Tat viele Millionen geworden. Wunderbar,zu welchem Volk wir gehören: dem
Volk Gottes. Es sind Menschen,nicht besser und
schlechter als andere Menschen auch. Aber sie wissen von Gottes
Barmherzigkeit, die sich ihnen wie jedem anderen Menschen zuwendet. Außer Abraham gehört ein David
dazu und eine Deborah oder Mirjam, ein Paulus und eine Maria Magdalena, die
Dichter unserer Gesangbuchlieder, die Juden heute und orthodoxe Christen, auch
die viel gescholtenen Papst Johannes
Paul und Bischof Dyba und eine Gertrude Stein und wahrscheinlich der skipper
und der maat unseres Segelschiffes und die meisten Holländer, denen wir begenen
werden...
...lauter
Menschen,denen Gott zugesagt hat wie dem Abraham: „Ich will dir einen großen
Namen machen“ . Menschen also, die es nicht mehr nötig haben sollten,sich
selbst herauszustreichen. Keine „Turmbau-zu-Babel-Menschen“ mehr. Die sagen
5
nämlich – die
Geschichte vom Turmbau zu Babel steht unmittelbar vor unserem Text: „Wir wollen uns einen großen Namen machen“. Sie wollen hoch hinaus, immer weiter,
immer höher, wollen immer mehr Wachstum, bis alles zusammenstürzt und
zusammenbricht.
Aber die,die
zu Gottes Volk gehören, hören von ihm: Ich
will dir einen großen Namen
machen. Du bist bei mir hoch angesehen, du bist mir wichtig, ich sorge schon für
dich, verlaß dich drauf. Du kommst bei mir nicht zu kurz. Im Gegenteil, ich bin
„ein ewigreicher Gott“, der nicht kärglich gibt, sondern großzügig und
reichlich. Von Abraham wird später erzählt, wie reich sein Leben wurde. Es gab Versagen, Schuld, Feigheit, Lüge in seinem
Leben,und auch unfaßlichen Mut und Gottvertrauen. Auf jeden Fall: Sein Leben im
Vertrauen auf die Führung Gottes und im
Hören auf Gottes Wort war ein überaus reiches Leben.
V
„Da zog Abraham aus...“ Abraham gehorcht.
Er hört nicht nur. Er gehorcht. Er tut Gottes
Wort. Das ist das Entscheidende. Wir erkennen die Wahrheit der biblischen
Worte, der Worte Jesu erst, wenn wir sie tun.
Darum: Der
Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und
Sinne in Christus Jesus unserm Herrn. Amen.