TAUFGOTTESDIENST am Sonntag Invocavit, 21. Februar 1999 (Pfarrer Martin Quaas)

Lieder:451,1-5/ 362,1-3/ 361, 1 –3/ 596/ 503, 13+14/ 451, 5 – 10

Psalm 91

Lesung: Matthäus 4, 1 - 11

Predigttext: 1. Mose 2, 15 – 17.25; 1. Mose 3, 1 – 9

 

Und Gott der Herr nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, daß er ihn bebaute und bewahrte.

Und Gott der Herr gebot dem Menschen und sprach: Du darfst essen von allen Bäumen im Garten,

aber von dem Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen sollst du nicht essen; denn an dem Tage, da du von ihm issest, mußt du des Todes sterben...

Und sie waren beide nackt, der Mensch und sein Weib, und schämten sich nicht.

Aber die Schlange war listiger als alle Tiere des Feldes, die Gott der Herr gemacht hatte, und sprach zu dem Weibe: Ja, sollte Gott gesagt haben: ihr sollt nicht essen von allen Bäumen im Garten?

Da sprach das Weib zu der Schlange: Wir essen von den Früchten der Bäume im Garten;

aber von den Früchten des Baumes mitten im Garten hat Gott gesagt: Esset nicht davon, rühret sie auch nicht an, daß ihr nicht sterbet!

da sprach die Schlange zum Weibe: Ihr werdet keineswegs des Todes sterben,

sondern Gott weiß: an dem Tage, da ihr davon esset, werden eure Augen aufgetan,   und ihr werdet sein wie Gott und wissen, was gut und böse ist.

 

Und das Weib sah, daß von dem Baum gut zu essen wäre und daß er eine Lust für die Augen wäre und verlockend, weil er klug machte. Und sie nahm von der Frucht und aß und gab ihrem Mann, der bei ihr war, auch davon, und er aß.

 

Da wurden ihnen beiden die Augen aufgetan, und sie wurden gewahr, daß sie nackt waren, und flochten Feigenblätter zusammen und machten sich Schurze.

 

Und sie hörten Gott, den Herrn, wie er im Garten ging, als der Tag kühl geworden war. Und Adam versteckte sich mit seinem Weibe vor dem Angesicht Gottes des Herrn unter den Bäumen im Garten.

 

Und Gott der Herr rief Adam und sprach zu ihm: Wo bist du?

 

Adam, wo bist du? Mensch, wo bist du hingeraten?

  

Gott stellt diese Frage. Kühl ist es geworden, die Sonne hat ihren Schein verloren, Mann und Frau verstecken sich vor Gott. Aber Gott geht uns, geht jedem Adam und jeder Eva nach und ruft uns. Auch der Mensch, der ihm nicht unter die Augen kommen möchte, bleibt ihm verantworlich. Auch dem Menschen, der ein schlechtes

 

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Gewissen hat und  beschämt meint, sich vor ihm verstecken zu müssen, will er in Liebe nahe sein. Hier leuchtet von fern schon das Evangelium auf.

 

Adam, wo bist du? Diese Frage hat sich aber auch der Erzähler selbst gestellt. Er greift unseren Drang auf, erkennen zu wollen, wer wir Menschen eigentlich sind – und er gibt Antworten von solcher Dichte und Weisheit, daß sie zum Auslöser für ganze Bibliotheken von Büchern geworden sind.

 

                                                                       I

 

„Und sie waren beide nackt, der Mensch und sein Weib, und schämten sich nicht“. So also hat Gott uns ursprünglich gewollt, so unbefangen und vertraut miteinander, weder schamlos noch unverschämt, die Erde bebauend und bewahrend, die Fülle der Früchte auf ihr genießend – und all dies, indem wir das eine Gebot Gottes achten: Bestimmt nicht selbst, was gut und böse ist. Sondern laßt euch das von mir sagen.

 

Ob wir hören können, wie heilsam dieses Gebot für uns ist, wie sehr es dem Leben dient?

 

Es bewahrt ja zum einen den Unterschied zwischen Schöpfer und Geschöpf und zugleich stellt es eine Beziehung zwischen Gott und uns her: Gottes Sache ist es, zu wissen und zu sagen, was gut und was schlecht für uns ist. Und unsere Sache ist es, uns das von Gott sagen zu lassen.

 

Aber: Wir wollen das natürlich lieber selbst bestimmen. Getreu jenem Werbeslogan: „Was für mich gut ist, weiß ich selbst am besten“.

                                                                      

                                                                       II

 

Wie kommt das nur, daß wir nicht mehr gern auf Gott hören wollen? Der Erzähler sagt: In der Schöpfung gibt es etwas Schleichend - Verführerisches, lockend sich Windendes, ein süßes Gift, eine verführerische  Macht, die Leben verheißt und den Tod bewirkt, die Freiheit verspricht und in Sucht und Abhängigkeit verstrickt – eine Stimme, die Mißtrauen gegen Gott sät und grenzenlose Erkenntnis verheißt und immer beginnt sie mit dieser Frage: „Ja, sollte Gott gesagt haben...?“

 

Sollte Gott gesagt haben: Ihr sollt nicht essen von allen Bäumen im Garten?“ Eine kaum merkliche Abweichung von der Wahrheit – denn so hat’s Gott ja nicht gesagt – aber schon ist aus dem Gott, der unsere Lebensfreude will, ein eher verbietender Gott geworden. Eva stellt sofort richtig: Wir essen von den Früchten der Bäume im Garten, aber – da hast du allerdings recht – ausgerechnet von den Früchten des Baumes mitten im Garten hat Gott gesagt: Rührt sie nicht an, damit ihr nicht sterbt!

 

Und das sich schlängelnde Wesen hakt sofort nach: Ihr werdet überhaupt nicht sterben! Sondern Gott weiß: Sobald ihr davon eßt, werden eure Augen aufgetan – und ihr werdet sein wie Gott!

 

 

 

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Wiederum steckt eine Halbwahrheit darin: Wir werden nicht sterben, werden in gewisser Weise am Leben bleiben. Aber das Entscheidende in uns wird sterben: Unsere Beziehung zu Gott, unser freier vertrauensvoller Gehorsam gegen ihn.

 

„Sollte Gott gesagt haben: Ich bin der Herr, euer Gott...Und darum sollst du den Feiertag heiligen und nicht zum Arbeitstag machen, sollst die Wahrheit sagen, sollst nicht begehren, was einem anderen gehört...“? Ja, müssen wir die Worte und Gebote Gottes nicht ein bißchen weniger wörtlich nehmen, sie der heutigen modernen Zeit anpassen – und engen sie nicht überhaupt unsere Freiheit ein? Ist Gott nicht überhaupt einer, der uns nur an der Lebensentfaltung hindern will, einer für beschränkte Gemüter und schwächlich-weiche Naturen...ach, laßt uns – im Namen der Freiheit! – ihn von seinem Podest herunterholen,  laßt uns ihn abschaffen! „Erhoben von der eignen Kraft sei über uns und droben der Mensch, der alles neu erschafft, den Schöpfer laßt uns loben!“

 

Der Mensch im Mittelpunkt, der Mensch mit seinen Bedürfnissen, darum soll sich alles drehen – auch in der Kirche. Und Gott ist natürlich für unsere Bedürfnisse da (statt daß wir zur Ehre Gottes da sind).

 

                                                                       III

 

Ja, was ist denn so schlimm daran? Daß jeder von seinem Eigeninteresse her denkt.

Der eine sagt: gut ist, was für mich gut ist; die andere: gut ist, was für mich gut ist – und daraus entsteht im Grunde aller Krieg, im kleinen wie im großen.

 

Nackt beäugen Mann und Frau sich nun: Nicht mehr arglos, sondern neugierig, gierig, habgierig. Mißtrauen schleicht sich ein. Und Furcht.  Also müssen sie sich voreinander verbergen.  Sie flechten Feigenblätter zu Schurzen: Es beginnt die menschliche Kultur, die Zwiespältigkeit aller Erkenntnis: Auf der einen Seite das, was wir den sog. „Fortschritt“ nennen: Das Herstellen von Werkzeugen, Häusern, Schiffen, Brücken, Kunstwerken, die ganze Wissenschaft bis hin zu Atomkraft, Transplantationsmedizin und Gentechnologie – und all das kann den Tod bewirken und Menschen zum Fluch werden, sofern es Produkt menschlicher Eitelkeit, Ichsucht und Begehrlichkeit ist – es kann aber auch (wie jetzt – Gott sei Dank! – offenbar bei der Leber-  und Nierentransplantation für Milad Al Qassis) dem  Leben dienen und zum Segen werden, sofern Menschen nach Gottes Willen fragen und ihn bitten und in der Freiheit denken und handeln, die Jesus uns ermöglicht hat.

 

                                                                       IV

 

Er ist ja dort hingegangen, wo wir uns vor Gott verbergen und verstecken, bis hinein in das vermeintlich letzte Versteck, das des Todes, und hat in all das Gottes Vergebung und Liebe hineingetragen! Wir brauchen uns jetzt nicht mehr vor Gott verstecken,  wir können wieder in Vertrauen zu ihm leben!

 

Er hat die Verlockungen des Verführers entlarvt (vgl. Mt.4) und am Kreuz seine Weltherrschaft beendet. Wir können uns nun von Jesus sagen lassen, was gut und

 

 

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was böse ist. Und er auf ihn hört, der lernt darüber eine Freiheit kennen, wie sie der Apostel Paulus einmal so formuliert (Gal.5, 13),es ist übrigens mein Konfirmationsspruch: Ihr seid zur Freiheit berufen. Aber mißbraucht sie nicht für euch selbst, sondern durch die Liebe diene einer dem andern.

 

Nicht in ein unwiederbringlich verlorenes Paradies geht es zurück, sondern zukunftsgerichtet können wir leben: Als Töchter und Söhne Gottes in seinem Reich.

 

Auch Ihr Kind soll in dieser liebevollen Freiheit leben und seine Gaben entfalten können. Heute, wo wir es taufen, wird es in eine lebendige Verbundenheit mit Jesus

gebracht. Es soll lernen, sich von Jesus sagen zu lassen, was heilsam und was schädlich ist. Das kann es nur lernen, wenn Sie ihm Vorbild sind und das bewahrheiten, was wir jetzt mit Worten Paul Gerhards singen:

 

Dem Herren mußt du trauen, wenn dir‘s soll wohlergehn,

auf sein Werk mußt du schauen, wenn dein Werk soll bestehn...

 

Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in

Christus Jesus unserm Herrn. Amen.




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