Gottesdienst am Sonntag Judica, 10. 4. 2011, Rhodos
Lieder:
Er weckt mich alle Morgen...452, 1 - 3
Als Gloria patri: Sende dein Licht...172
Holz auf Jesu Schulter...97
Jesu, stärke deine Kinder...164
Anbetung, Ehre Dank u Ruhm...281, 3
Psalm 43 (Nr. 724)
Lesung: Mt. 26, 36 - 46
Predigt über 1. Mose 22, 1-14
Liebe Gemeinde! Was für ein Spiel treibt Gott hier mit Abraham! In welche Finsternis stürzt er ihn hinein! „Abraham“! - „Hier bin ich“. - „Nimm deinen einzigen Sohn, den du liebhast, und opfere ihn, töte ihn“. -
Wie unbegreiflich verändert Gott sich hier, wird von einem, der Abraham bisher wunderbar geführt und gesegnet hat, zu einem, der ihm wie ein Dämon, ein Teufel erscheinen muss.
Jahre vorher hatte Gott dem Abraham versprochen: Sara und du: Ihr sollt einen Sohn bekommen – und ein großes Volk soll aus ihm werden! Und dann hatten die beiden lange warten müssen. Und als alles schon aussichtslos schien, hatte Sara doch noch ein Kind bekommen. Und jetzt, wo Isaak, der einzige, geliebte Sohn aufwächst, jetzt will Gott ihn den Beiden wieder nehmen, ja noch viel furchtbarer: Der Vater soll seinen eigenen Sohn schlachten!
Muss man nicht sagen: Das ist abgründig grauenhaft. Von einem Gott, der so etwas verlangt, wollen wir nichts wissen. Solch eine Geschichte sollte nicht in der Bibel stehen. Heisst es nicht im NT: Gott ist Liebe (1. Joh. 4,16) ?? Wo ist denn hier Liebe zu sehen?
Das ist doch eher teuflisch, was Gott hier verlangt!
Wir hören zwar im ersten Vers dieser Geschichte, dass Gott den Abraham „versucht“, also prüft, ihn auf die Probe stellen will - aber Abraham weiss das eben nicht, er wird von Gott wirklich in schwärzeste Finsternis hineingestossen. Also noch einmal: Was für ein furchtbares Spiel treibt Gott hier mit Abraham! Aber auch: Was ist das für ein unfasslicher Gehorsam des Abraham!
Und Abraham stand am Morgen früh auf. Kein Wort sagt die Geschichte uns von seinen Gefühlen und Gedanken während der Nacht. Er sattelt den Esel. Er spaltet Holz für das Brandopfer. Er wandert mit seinem Sohn und mit zwei Knechten durch die karge Landschaft, drei Tage und Nächte lang.
Dann sieht er von weitem die Opferstätte. Er sagt zu seinen Knechten: Bleibt ihr hier. Mein Sohn und ich wollen dort oben anbeten. Anbeten. Er lädt dem Sohn das Holz auf die Schultern. Er nimmt ein Messer, und Glut in einem Topf, „und gingen die beiden miteinander“. Dann die – arglose oder Unfassbares ahnende? – Frage des Sohnes: Wo ist das Schaf zum Brandopfer? Und Abraham: Gott wird sich ein Opferlamm ersehen. Gott wird sich ein Opferlamm ersehen. „Und gingen die beiden miteinander“.
2
Was ist das für ein Gott, der Menschen so etwas Entsetzliches zu mutet! Nicht nur dem Abraham, auch dem Isaak, und ja auch der Mutter, der Sara. Im Talmud, einer
rabbinischen Auslegung der biblischen Texte, heisst es zu diesem Text: Als Abraham zurückkehrte und alles berichtete, da habe Sara vor Entsetzen sieben spitze Schreie ausgestossen und sei gestorben. Auch wenn es dann doch nicht eingetreten war – ihr Herz konnte das nicht aushalten, was Gott da verlangt hatte.
Aber, müssen wir jetzt sagen: So etwas passiert ja tatsächlich, wovon diese Geschichte spricht. Das gibt es ja doch im menschlichen Leben, dass Gott Entsetzliches jedenfalls zulässt und Menschen in furchtbare Finsternisse stürzt. Gott ist eben nicht einfach „der liebe Gott“. Die Bibel redet anders von ihm. Da ringen Menschen nächtelang mit Gott, schreien zu ihm, wie der von einer furchtbaren Krankheit geschlagene König Hiskia: „Zu Ende hab ich gewebt mein Leben wie ein Weber, er schneidet mich ab vom Faden.Tag und Nacht gibst Du mich preis; bis zum Morgen schreie ich um Hilfe, aber er zerbricht mir aller meine Knochen wie ein Löwe, Tag und Nacht gibst du mich preis...“(Jesaja 38). Da verfluchen Menschen – wie z.B. der von einem Übermass von Leiden geplagte Jeremia – den Tag ihrer Geburt sagen: Ach, wenn ich doch nie geboren worden wäre, wenn ich immer nur Jammer und Herzeleid sehen muss“ (Jeremia 20), oder sie schreien, winseln geradezu wie Hiob: Lass ab von mir, Gott! Lass mich doch endlich in Ruhe! (Hiob 14,6; Psalm 39,14) und im Neuen Testament steht der Satz: Schrecklich ist es, in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen (Hebr. 10, 31).
Und das gibt es doch auch heute : Ein tödlicher Verkehrsunfall. Krebskrankheit und andere tödliche Krankheiten von Kindern. Menschen,die sich das Leben nehmen und ihre Angehörigen werden nie damit fertig. Die Aids-Krankheit, die zahllose Kinder wegrafft und und und...Und wenn Menschen diese furchtbaren Erfahrungen mit Gott in Verbindung bringen, mit Gott, der doch laut Bibel alles lenkt, und der nach dem Zeugnis der gesamten Bibel in seinem innersten Wesen „barmherzig und gnädig, geduldig und von grosser Güte“ ist (z.B. Psalm 103, 2. Mose 33,19), und aus dessen Hand wir alles nehmen sollen – muss Gott einem so leidgeprüften Menschen nicht dunkel und finster, grausam und herzlos erscheinen? So dass er schliesslich sagt: ich kann nicht mehr glauben, jedenfalls nicht an einen persönlichen oder gar liebevollen Gott.
Zwar sagen uns die Religionswissenschaftler, dass diese Geschichte von der Opferung des Isaak, die dann stattdessen zu der Opferung eines Widders wird – dass diese Geschichte im Grunde ein wichtiges religionsgeschichtliches Datum markieren und beschreiben will: Nämlich die „Ablösung eines Menschenopfers durch ein Tieropfer“. Sie sagen uns, dass die Hauptaussage dieser Geschichte sei: Gott will gerade keine Menschenopfer, sondern allenfalls Tieropfer (und, in Klammern, die Propheten sagen dann, auch die will er nicht· sondern er will, dass Menschen Opfer der Barmherzigkeit und Liebe bringen (zB Hosea 6,6)).
Aber trotzdem: Die eigentliche,auch für heute gültige Aussage dieser Geschichte ist doch: Gott ist es , der bis heute zahllose Menschen überall in der Welt auch in Aussichtslosigkeit und Finsternis treiben kann, ihnen Entsetzliches zumutet, und der dann - trotz allem!! - unseren Glaubensgehorsam, unser Gottvertrauen will. Und das ist mehr, als ein Mensch oft ertragen kann. Luther sagt sehr klar in einer Predigt zu diesem Text: „Ich wäre unten geblieben, ich wäre nicht auf den Berg gegangen“. Und ich kann nur sagen: Ich auch nicht. Und vor allem: Gott sei Dank, dass Gott uns und unsere Familie bisher so bewahrt hat, und mir jedenfalls kaum Schweres zugemutet hat.
3
Und nun lernen wir ja gerade von Jesus her, dass wir dieser alttestamentlichen
Geschichte nichts von ihrer Härte wegnehmen und sagen sollen: Dieser alttestamentliche Gott ist tot, es lebe der neutestamentliche Gott der Liebe! Denn Jesus musste ja hinein in den Garten Gethsemane – und der Reformator Calvin sagte: Der Garten Gethsemane, das war und das ist die Hölle! - er liess seine Jünger zurück, er, der Sohn, war dann mit
Gott, den er seinen Vater – abba – nannte, ganz allein, und der Wille des Vaters wurde ihm absolut unbegreiflich, Gott wurde ihm finster. Jesus fügte sich dann dem dunklen Willen Gottes. Er musste dann das Kreuzholz tragen und brach darunter zusammen. Er musste – gemeinsam mit dem Vater – hinauf auf den Berg, den Berg Golgatha, und er starb mit einer Frage, mit dem Schrei: Mein Gott, warum hast du mich verlassen?
Der Herr der Kirche ist mit einer Frage an Gott, mit einem Schrei der Verlassenheit gestorben.
Ihn, seinen einzigen Sohn, den er liebhatte, hat Gott nicht verschont. Und das Neue Testament schweigt davon, was da im Herzen Gottes vorgegangen ist. Das geht ja hinein in's für uns Menschen absolut Unbegreifliche und Unerkennbare.
Aber dann hören wir im Neuen Testament, dass dieser Opfertod Jesu tatsächlichen einen unausdenklichen Sinn hatte: Es war ein Liebestod ohnegleichen: Denn wir können in diesem Sterben Jesu eine Hingabe erkennen, eine Liebe, die für alle Menschen eintritt und für alle um Vergebung ihrer Schuld - welcher Art auch immer – bittet und diese Vergebung auch erwirkt. Und wir können in diesem Sterben eine Liebe erkennen, die Leid und Folterung und Verspottung trägt und erträgt und die seitdem tröstend, lindernd, heilend bei leidgeprüften Menschen sein will. Jesus kann und will still den Arm legen um einen Menschen in schwerem Leid. Wir können hier eine Liebe erkennen, die uns aber auch sagt: Gott will, dass wir freundlich und gnädig und liebevoll miteinander umgehen und nicht gewalttätig sind, weder mit Waffen noch mit Worten. Das will Gott nicht, dass Menschen einander Leiden zufügen.
Weil Jesus freiwillig Leid auf sich genommen und getragen hat, weil er - trotz allem – im Vertrauen zu seinem und unserem himmlischen Vater blieb: „M e i n Gott“, rief er ja, „wozu hast du mich verlassen“ – darum kann er Menschen helfen, die in Leid geraten und denen Gott dunkel und finster geworden ist.
Weil auf seinen Karfreitag ein Ostern folgte, darum können wir Menschen - trotz allem Furchtbaren – in Hoffnung bleiben, einer Hoffnung, die Luther in seiner Auslegung dieser Geschichte so formulierte: Hier siehst du, dass es keine Not gibt, die nicht die Verheissung hat, zum Segen zu werden.
Und doch: Wie wichtig ist für mich die Vaterunserbitte: Und führe uns nicht in Versuchung! Und wie heilfroh und dankbar bin ich, dass Gott mich und unsere Familie bisher immer bewahrt und gesegnet hat. Amen