Predigt über 1. Mose 2, 15 – 17.25; 3, 1 – 9

 

Adam – wo bist du? Mensch, wo bist du hingeraten?

Kühl ist es geworden, die Sonne hat ihren Schein verloren, Mann und Frau verstecken sich vor Gott. Jede Unbefangenheit ist dahin, vorbei ist es mit dem Leben in vertrauter Nähe zu ihm, am liebsten möchten sie ihn wohl los sein....Aber Gott geht ihnen nach, er sucht und ruft sie...Auch den Menschen, der von Gott nichts mehr wissen und hören will, den ruft er, zu dem spricht er. Auch der Mensch, der vor ihm davonläuft, bleibt ihm ver-antwortlich.

 

Liebe Gemeinde, wie merkwürdig ist das: Gott will nicht ohne uns Menschen sein, er geht uns nach! So wie es schließlich in ganz bewegender Weise Jesus erzählt, etwa im Gleichnis vom verlorenen Sohn, im Gleichnis vom verlorenen Schaf. Und wie es Jesus dann selbst getan hat: Er ist ja in die tiefste Verlorenheit und Verlassenheit von uns Menschen hineingegangen. Und nun sind wir nie mehr, auch im Tod nicht, ohne Gott. Und wer mit Jesus durchs Leben geht – und das ist ja der Sinn der Taufe – der kann nun, jedenfalls einigermaßen, wieder so sein, wie Gott uns ursprünglich gewollt hat.

 

                                                                       I

 

„Und sie waren beide nackt, der Mensch und sein Weib, und schämten sich nicht“. So hat Gott uns ursprünglich geschaffen und gewollt: ganz offen für Ihn und füreinander, ganz arglos im Umgang miteinander, in vertrauter Nähe zu Ihm und zueinander, frei von Scham, aber nicht unverschämt. Und so, daß wir uns von ihm sagen lassen, was gut und was böse ist für uns selbst  und für alle Menschen.

Denn das ist, nach dieser Erzählung, das Kennzeichen Gottes: daß er allein weiß und uns sagen kann, was gut und was böse ist.

 

Darum das eine Gebot: „Du darfst essen von allen Bäumen im Garten, aber von dem Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen sollst du nicht essen, denn an dem Tage, da du davon issest, mußt du des Todes sterben“.  Es ist also ein Gebot, das dem Leben dient. Freude und Genuß sollen wir haben, indem wir die Erde bebauen und bewahren – aber wie das gut für uns und die Anderen geschieht, das sollen wir uns von Gott sagen lassen. Wir sollen weder einem Allwissenheitsdünkel noch einem Allmachtswahn verfallen und schon gar keinem Egoismus.

 

Auch in der Ehe, auch wenn uns ein Kind anvertraut ist, sollen wir nicht selbstherrlich sein, sondern uns von Gott sagen lassen, wie wir gut zueinander sein können. Gott möchte, daß Sie, die Eltern und Sie, die Paten, auf Gott hören, daß Sie in Ihrem Kind ein wundervolles Geschenk sehen, das Gott Ihnen anvertraut, daß die Worte, die sie ihm sagen, Gottes Wort für Ihr Kind sind, daß Ihre Liebe zu ihm aus der Kraftquelle der Liebe Gottes gespeist wird. Und Ihr Kind soll dann seinerseits von den Eltern lernen, wie man auf Gott hört! Denn auch die ach so unschuldigen Kindchen stellen sich ja recht bald als ganz schön pfiffige Egoisten heraus, als Menschlein, die wissen, wie sie auf ihre Kosten kommen, und auch schon sehr schnell einen diebischen Spaß daran haben können, andere zu ärgern. Die also im Kleinen wie wir Große sind: Erstmal komme ich, und statt auf Gott zu hören, habe ich eher einen Hang dazu, lockend-verführerischen Einflüssen zu folgen.

 

 

2

 

                                                                       II

Womit wir bei der Schlange wären. Es ist den armen Schlangen zwar leider sehr zum Nachteil ausgeschlagen - aber es gibt nun mal kein besseres Bild, um anschaulich zu machen: Da ist etwas Schleichendes und sich Windendes in der Schöpfung, ein verführerisch-lockender Einfluß, ein süßes Gift, eine rätselhafte Macht, die uns zur Grenzüberschreitung verführt, die Leben verspricht und Tod bewirkt, die Freiheit verspricht und in Abhängigkeit verstrickt. Und das Gefährlichste an ihr ist: Sie ist kaum erkennbar und nicht durchschaubar, denn sie tarnt sich, zeigt sich unter dem Anschein des Gegenteils.

 

Mit scheinbar wohlwollenden und fürsorglichen, ja manchmal sogar überaus fromm klingenden Worten kommt sie daher und sät leise schleichendes Mißtrauen gegen Gott. „Sollte Gott gesagt haben: Ihr sollt nicht essen von allen Bäumen im Garten?“

Eine fast unmerkliche, winzige Verdrehung der Wahrheit, aber sie genügt, um den großzügigen Gott als einen eher verbietenden Gott hinzustellen und eine Spur von Zweifel an seiner Fürsorglichkeit in Evas Herz zu säen. Zwar, sie stellt sofort richtig: Wir essen von den Früchten der Bäume im Garten...nur – da hast du allerdings recht – von den Früchten des Baumes  mitten darin hat Gott gesagt: Rührt sie nicht an, damit ihr nicht sterbt...

 

Aber das sich schlängelnde Wesen verstärkt das Mißtrauen gegen Gott, deutet an, daß Gott vielleicht nicht die reine Wahrheit gesagt haben könnte, sondern eher mißgünstig sein könnte, ja daß er vielleicht gar Angst vor dem Menschen als einem ihm ebenbürtigen Konkurrenten haben könnte: „Gott weiß, ihr werdet nicht sterben, sondern eure Augen werden aufgetan werden und ihr werdet sein wie Gott...!

 

                                                                       III

 

„Erhoben von der eignen Kraft

sei über uns und droben

der Mensch,

der alles neu erschafft,

d e n  Schöpfer laßt uns loben“ – wie es in einem Gedicht aus der früheren DDR hieß. Freiheit! Unabhängigkeit! Weg mit den Fesseln! Was gut ist für mich, weiß ich selbst am besten! Eva, die Mutter des Lebens, tut den ersten Schritt, ißt von der Frucht der Erkenntnis. Adam, der Mann, ist hier eher der Mitläufer, eine Kerl ohne eigene Initiative, sie gibt und er nimmt, sie geht voran und er folgt.

 

Sie sehen sich – nackt. Sie schämen sich voreinander, flechten Feigenblätter, machen sich Schurze: Beginn menschlicher Kultur.  Sie lernen, sich vor Kälte und vor Verwundungen zu schützen, zugleich dienen die Feigenblätter aber auch dazu, sich  voreinander zu verstecken, sich vor den neugierigen, gierigen, habgierigen Blicken des Andern zu schützen.

 

Und seither hat ja alle Kultur, alle Wissenschaft und Forschung dieses Zwiespältige, enthält Segen wie Fluch, Befreiuung wie Zerstörung, Gutes wie Böses. Denn sie geschieht nicht mehr im Hören auf Gott, sondern ist von  - persönlichem oder nationalem – Eigeninteresse bestimmt.

 

                                                                      

3

                                                                       III

 

Muß das so bleiben? Nur zum Teil. Jesus ist gekommen – um die Werke des Teufels zu zerstören. Er hilft, manches, was uns angeboten wird, als schädliche Scheinfreiheit zu durchschauen und zu erkennen: Das meiste von all diesem Zeug brauche ich überhaupt nicht zu glücklichem Leben. Von Jesus kann ich lernen, was wirkliche Freiheit ist: Das, was der Apostel Paulus in Galater 5 Vers 13 – meinem Konfirmationsspruch übrigens – so formuliert: „Ihr seid zur Freiheit berufen. Allein mißbraucht die Freiheit nicht für euch selbst, sondern durch die Liebe diene einer dem andern“. Höchste Freiheit also zeigt sich in dienender Liebe. Oder, wie wir‘s eben in Worten Luthers mitgesprochen haben: Ich glaube, daß Jesus Christus... mein Herr sei, der mich verlorenen und verdammten Menschen erlöst hat, erworben, gewonnen von allen Sünden, vom Tode und von der Gewalt des Teufels, auf daß ich sein eigen sei und in seinem Reiche unter ihm lebe und ihm diene...

 

Nicht um Rückkehr in ein verlorenes Paradies geht’s für uns Christen, sondern um etwas Zukunftsgerichtetes: Um Leben im Reiche Gottes; um ein Leben, in dem Jesus das Sagen hat, um ein Leben als Sünder – ja; aber als von Gott geliebter Sünder.

Zu einem Leben, das auf Ihn hört, bekennen Sie, die Eltern und Paten und wir alle uns heute auf’s neue. Wir dürfen und wollen „in seinem Reiche unter ihm leben und ihm diene in ewiger Unschuld, Gerechtigkeit und Seligkeit...“:  Welch ein Wunder und welche Freude: Gott sieht uns, um Jesu willen, so an: Als seine geliebten, unschuldigen Kinder, die ihm recht sind, er schenkt und verheißt uns...Seligkeit!

 

Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus unserm Herrn. Amen.




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