„Vor einem grauen Haupt sollst du aufstehen und die Alten ehren“

( 3. Mose 19, 32)

 

Gottesdienst zum Thema: Das Leben älterer Menschen in unserer Gemeinde

am 8. Sonntag nach Trinitatis, 1. August 2004

 

Lieder:

 

Erfreue dich, Himmel... 636

Die güldne Sonne...449, 3.4.8

Ja, ich will euch tragen bis zum  Alter hin...380

O Gott, du frommer Gott...495, 1 – 6

Ich lobe meinen Gott von ganzem Herzen...272

 

 

Psalm 71, 1 – 3. 17 - 23

 

 

 

Wir hören als Predigttext einige Verse aus dem 1. Mosebuch, Kapitel 47

 

Joseph hat seinen  alten Vater zu sich nach Ägypten geholt, und dann heisst es in den Versen 7 – 10:

 

Josef brachte auch seinen Vater Jakob hinein und  stellte ihn vor den Pharao. Und Jakob segnete den Pharao.

Der Pharao aber fragte Jakob: Wie alt bist du?

Jakob sprach zum Pharao: Die Zeit meiner Wanderschaft ist hundertunddreißig Jahre; wenig und böse ist die Zeit meines Lebens und reicht nicht heran an die Zeit meiner Väter in ihrer Wanderschaft.

Und Jakob segnete den Pharao und ging hinaus von ihm.

 

Liebe Schwestern und Brüder,

 

eine kleine Begebenheit wird hier erzählt– ein Geschehen von ein paar Minuten Dauer – und doch unendlich tief an Sinn und wunderbar.

 

Äußerlich betrachtet enthält diese kleine Erzählung weiter nichts, als was auch heute geschieht, wenn jemand vorgestellt wird: Ein Gruß – ein paar freundliche Worte der Erkundigung – ein Abschiedsgruß.

 

Der Pharao erkundigt sich nach dem Alter des Jakob -  so wie heutzutage etwa der Bundespräsident, wenn ihm bei einem Empfang jemand vorgestellt wird, höflich und freundlich eine oder zwei Fragen  an ihn richtet. Aber der Eingangs- und Abaschiedsgruß ist bei Jakob ein Segnen.

 

Jakob segnet den Pharao. Der einfache Hirte segnet den von Prunk und  Würdenträgern umgebenen Machthaber, der wandernde Nomade den königlich Thronenden,der Untertan den hohen Herrscher und: der zu Gottes Volk Gehörende den Heiden. Jakob, der alte Nomade, teilt dem mächtigsten Mann der damaligen Welt Gottes Segen mit!

 

2

 

Warum kann Jakob segnen?

 

 

Das wird in seinen Worten  deutlich: Die Zeit meiner Pilgerschaft ist 130 Jahre. Kurz und böse ist die Zeit meines Lebens und  reicht nicht heran an die Zeit meiner Väter in ihrer Pilgerschaft.

 

Einhundertunddreißig Jahre – das erscheint uns  nicht gerade kurz. Und doch: Auch Jakob  hat erfahren, was im Psalm 90 ausgesprochen wird: Unser Leben fähret schnell dahin, als flögen wir davon.

 

Das Leben von Euch, Ihr lieben älteren Menschen hier in diesem Gottesdienst: Euer Leben - einerseits so lang, 70, 80 Jahre und mehr – und doch andererseits auch: Schnell vergangen - wie ein  Augenblick...

 

Und wenn  Jakob sein Leben nicht nur kurz, sondern auch böse – man kann auch  übersetzen: leidvoll – nennt, dann spricht daraus ein tiefes, aus langer Lebenserfahrung mit Gott gewonnenes Wissen, nämlich: daß er den reichen Segen,  den Gott seinem Leben gab, nicht verdient hat - ihn weniger noch verdient hat als seine Vorfahren,  Abraham und Isaak.

 

 „Herr, ich  bin zu gering aller Barmherzigkeit und Treue, die du an deinem Knecht getan hast“, so bricht es aus Jakob heraus, als er – nach langen  Jahren in der Fremde, wohlhabend geworden, und verheiratet mit Lea und Rahel   -  dann zurückkehrt, voll Beklommenheit seinem Bruder Esau entgegenzieht... „Herr, ich bin zu gering aller Barmherzigkeit und Treue, die du an mir getan hast!“ (1. Mose 32, 11),

 

Was hat Jakob, dieses schlaue Schlitzohr, nicht alles erlebt,  in seiner Lebensgeschichte, seinem Unterwegssein mit Gott! Dem Bruder hat er mit List und Tücke den Erstgeburtssegen weggenommen. Dann muß er vor Esau, der ihn umbringen  will, fliehen. Später bekommt er – von vier verschiedenen Frauen – 12 Kinder.  Und  wieviel Leid und Schmerzen fügen ihm dann seine  Söhne zu, nicht ohne Jakobs eigene Schuld, hat er doch den Josef so sehr bevorzugt.

 

Und  jetzt im hohen Alter, im  Rückblick,  erkennt er - ebenso wie Josef es  erkennt - : Wie wunderbar hat Gott sein Leben geführt, hatte aus Bösem Gutes werden lassen, hatte ihn, in dessen Lebensgeschichte es Untreue und Mißtrauen, Schuld, Lüge und Verrat gab, so unverdient und  so reich gesegnet...während seiner Wanderschaft durchs Leben.

 

Es ist der Jakob, an dem Menschen schuldig wurden und  der seinerseits an Menschen  schuldig wurde, der Jakob, der viel Leid erfuhr, aber auch Leid verursachte, der Jakob, der erkennt, wie er von Gott gnädig geführt und  oft bewahrt wurde, der Jakob, der weiß, wie unverdient Gott ihm so viel Gutes getan hat -  es ist der Jakob, der unter dem barmherzigenGott und  mit dem ewigreichen Gott durchs Leben gewandert ist,  der segnen kann.

 

 

 

3

 

Ihr, die alten Menschen  unter uns: Welch ein  Lebensreichtum bei jedem und jeder von  Euch!. Was habt Ihr alles erlebt und erlitten!

 

Könnt auch Ihr Euer Leben als Wanderschaft mit Gott, unter seiner unverdienten Gnade, und beschenkt mit seinem Segen, sehen?

 

Dann  könnt  auch  Ihr segnen, könnt für andere Menschen ein  Segen sein – auch dadurch und dann, wenn Menschen Euch zuhören,  Euch zuhören, wenn Ihr von Eurem Leben in  der Pilgerschaft mit Gott erzählt.   

 

Amen.