Gottesdienst am 20. Sonntag nach  Trinitatis, 9. Oktober 2005

 

Lieder:

 

Erneure mich, o ewigs Licht...390

Erfreue dich, Himmel...636

Herr, die Erde ist gesegnet...512, 1-3.5+6

Danket dem Herrn...333, 1+2

Liebster Jesu...161(als Kollektengebet)

 

Psalm 148 (Nr. 763)

Lesung: Lukas 17, 11-18

 

Predigt über 1. Mose 8, 18-22

 

Der heutige Predigttext ist das Ende der Sintflutgeschichte – jener Erzählung von einer furchtbaren Flutkatastrophe – wie sie übrigens nicht nur in  der Bibel überliefert ist, sondern zum Beispiel auch bei den  Assyrern und Babyloniern, aber auch bei den australischen aborigines und bei südafrikanischen und mittelamerikanischen Naturvölkern. Zugrunde liegt allen Erzählungen das Geschehen gewaltiger Naturkatastrophen, aber wesentlich ist die Deutung: Immer werden diese Katastrophen als Ausdruck göttlichen  Zorns über menschliche Gottlosigkeit gedeutet – so wie ja auch das Wort Sintflut – das althochdeutsche „sinvluot“, das einfach „große Flut“ bedeutet - seit dem 16. Jahrhundert volkstümlich in „Sündflut“ umgedeutet wurde. Auch die biblische Sintflutgeschichte beginnt mit den Sätzen: „Als aber der Herr sah, daß der Menschen Bosheit groß war auf Erden und alles Dichten und Trachten ihres Herzens nur böse war immerdar, da reute es ihn, daß er die Menschen gemacht hatte auf Erden, und es bekümmerte ihn...“.

 

Aber dann fällt sein  Blick auf einen, der ist anders. Und um dieses Einen willen ändert er seine Pläne und seine Einstellung zu uns Menschen.

 

Noah aber war ein frommer Mann und ohne Tadel... er wandelte mit Gott“, so heißt es gleich am Anfang der Sintflutgeschichte. Und eines Tages erhält er von Gott den Auftrag: Baue eine Arche, einen Kasten aus Akazienholz. Auch die Größe wird angegeben: In unseren heutigen Maßen: 150 m lang, 25 m breit, 15 m hoch. Noah fängt an zu bauen - wie man sich vorstellen kann, unter dem Gespött der Leute: Was soll das, was baust du mitten auf dem Land solch einen riesigen Kasten, tickst du nicht mehr richtig...? 

 

Aber er, der Gott gehorcht, er überlebt sie alle. Er überlebt die, die Gott mißachten. Urplötzlich ist die Katastrophe da, die Flut reißt alles mit, zerstört alles, was und worauf die Menschen gebaut hatten. Nur die Arche und das Leben in ihr bleiben.

 

Und  schließlich, nach langen bangen Tagen: Die Wende. Der Regen hört auf, die Sonne zeigt sich wieder. Es knirscht und kracht.Die Arche stößt auf Grund. Wieder fester Boden. Gerettet.

2

Und im heutigen Predigttext heißt es: V 15-22.

 

Da redete Gott mit Noah und sprach: Geh aus der Arche, du und deine Frau, deine Söhne und die Frauen deiner Söhne mit dir.

Alles Getier, das bei dir ist, von allem Fleisch, an Vögeln, an Vieh und allem Gewürm, das auf Erden kriecht, das gehe heraus mit dir, daß sie sich regen auf Erden und fruchtbar seien und sich mehren auf Erden.

So ging Noah heraus mit seinen Söhnen und mit seiner Frau und den Frauen seiner Söhne,

dazu alle wilden Tiere, alles Vieh, alle Vögel und alles Gewürm, das auf Erden  kriecht; das ging aus der Arche, ein jedes mit seinesgleichen.

Noah aber baute dem Herrn einen Altar und nahm von allem reinen Vieh und von allen reinen Vögeln und opferte Brandopfer auf dem Altar.

Und der Herr roch den lieblichen Geruch und sprach in seinem Herzen: Ich will hinfort nicht mehr die Erde verfluchen um  der Menschen willen; denn  das Dichten und  Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf. Und ich will hinfort nicht mehr schlagen alles, was da lebt, wie ich getan habe.

Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.

 

Noah hat mit allen die Arche verlassen, überall breitet sich das Leben neu aus, aber Noah tut zuerst etwas Besonderes: Er baut Gott einen  Altar, er bringt Dankopfer, er dankt Gott für seine Rettung. Das ist schön, das zu hören; es beweist: Er „wandelte“ wirklich „mit Gott“, er blieb ständig in  lebendiger Verbundenheit mit Gott. Er vergißt das Danken nicht!

 

Und Gott freut sich darüber. Und in  der Freude über diesen einen dankbaren Menschen sagt er zu sich: Ich will von jetzt an nicht mehr die Erde verfluchen um der Menschen willen, ich will ihr segnend zugewandt bleiben. Auch wenn, wie er sagt,„das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens böse von Jugend auf ist “.

 

Aber stimmt das denn? Sind wir denn böse?

 

Wenn wir uns selbst beurteilen, dann tun wir das ja nach bestimmten Maßstäben und  Wertvorstellungen, die uns beeinflussen und prägen:

Manche Menschen finden sich – zeigen sich jedenfalls so – cool, locker, gut drauf..und das wird uns ja derzeit auch eingetrichtert, ist herrschende

Weltanschauung: Finde dich gut; denk positiv von dir; du bist, wie du bist, o.k.

 

Aber gleichzeitig sollen wir alle uns ja doch nach bestimmten Normen richten: Fitness und  Schlankheit, Erfolg, Spaß haben, Leistung bringen... Und wer da nicht mitkann – und das sind die allermeisten Menschen -  der findet dann  eben nur wenig Gutes an sich, kann sich oft selbst nicht

3

 

leiden und bejahen, kommt sich vor wie eine graue Maus, so unscheinbar, so wertlos...

 

So ist das, wenn wir uns selbst beurteilen. Aber weder die einen noch die andern würden sich selber als „böse von Jugend auf“ ansehen. Und ist das denn nicht wirklich zu negativ gesehen? Wird hier der Mensch nicht schlecht gemacht? Gibt es nicht auch „anständige“ Menschen? Sind  wir nicht auch „edel, hilfreich und gut“?

 

Klipp und klar: Nein. Wir hören hier nicht unser, sondern Gottes Urteil über uns. Und Gott unser Schöpfer sagt von mir und dir: Du bist böse von Jugend auf. Das braucht sich nicht gleich in bösen Worten oder Taten zu äußern. Sondern es ist so, wie es einmal Goethe formulierte: Ich erschauere, wenn ich in mein Inneres blicke, über die Abgründe des Bösen, die sich da auftun...Oder, wie es im Johannesevangelium heißt: Die Menschen „liebten die Finsternis mehr als das Licht“ (Joh.3,19). Und ich finde, am tiefsten und  klarsten hat es Paulus formuliert: „Das Gute, das ich tun  will, tue ich nicht, sondern das Böse, das ich nicht will, das tue ich...“. Und  dann der tiefe Seufzer: „Ich elender Mensch ...Wer wird mich erlösen...?“ (Röm.7,19.24).      

 

Unser Dichten und Trachten  ist böse von Jugend auf. Das weiß und das erfährt Gott täglich. Aber er will sich trotzdem nicht mehr von uns  abwenden. Er will, daß wir leben und will nicht mehr strafen! Und wir sollten darum Naturkatastrophen jedenfalls nach diesem Text nicht als Strafe Gottes oder Gericht Gottes deuten. Solche Naturkatastrophen  scheinen  sich in  den letzten Jahren ja erschreckend zu häufen. Sie können und sollen in jedem Fall  Anstoß zu erneuter tätiger Hilfsbereitschaft  oder auch zur Besinnung auf das immer auch gefährdete Leben sein, und wir können  garnicht dankbar genug sein, daß wir in solch wohlhabenden und in vielfach „gesicherten“ Lebensverhältnissen leben können. Auch sollten Naturkatastrophen Anstoß auch zur Besinnung auf unseren in manchem fragwürdigen, umweltzerstörenden Lebensstil sein, ein Bußruf Gottes, ein Ruf zu bescheidenerem Leben. Aber klar ist jedenfalls nach der Aussage Gottes in diesem Text: Er will die Erde nicht mehr wegen unserer Bosheit bestrafen. 

 

Heißt das aber: Er findet sich einfach  damit ab, daß wir nun  mal böse sind?

 

Aber es geht ja noch weiter in der Bibel! Wir hören, wie Gott dann noch einen  Neuanfang macht, wieder mit einem Einzelnen, mit dem Abraham. Und dann einen Neuanfang mit einem versklavten Volk in  Ägypten: Den Israeliten. Und  schließlich kommen  Gottes Pläne an ihr Ziel, zu ihrer Erfüllung, schließlich ist der eine Langerwartete da, Jesus der Messias...Der

ist die endgültige Antwort Gottes auf Bosheit, Gottlosigkeit und Gewalt, Niedertracht und Gemeinheit. Jesus überwindet das Böse durch seine Liebe, seine Hingabe, sein Opfer am Kreuz. Er nimmt das Gericht, die 

 

4

 

Strafe, das Urteil, das uns mit Recht gelten müßte, auf sich – und uns gilt nun die Vergebung, die Gnade, die bedingungslose Liebe Gottes. Er trägt den Fluch und uns  gilt der Segen, er erduldet die Vergeltung und uns gilt die Vergebung. Um  dieses einen willen fängt Gott ganz neu mit jedem von uns an. Wir sind und  bleiben – trotz allem, was gegen uns spricht - seine geliebten Kinder. Wir brauchen unseren Wert nicht mehr nach irgendwelchen  Maßstäben, die uns eingetrichtert werden, zu beurteilen. Das Evangelium jedenfalls sagt: Du, wie du bist, bist Gott unendlich viel wert. Weil Gott dich bejaht, kannst du mit dir einverstanden sein, mit deinen Gaben, deinem Wesen, deinem Körper.  Und Jesus ist Gottes wunderbares Geschenk auch für dich persönlich. Dein Leben kann von ihm regiert werden. Er kann das schaffen, daß wir bösen von Gott geliebten Menschen nun „Gutes denken, tun und dichten...“.Und wenn wir rückfällig werden und wieder Böses denken,reden oder tun, dann steht uns Gottes Vergebung offen.

 

Ja, und zu diesem neuen erlösten Leben gehört dann auch, daß wir dieser wunderbaren Zusage Gottes zustimmen  und uns mit unserem Lebensstil in sie einfügen:  Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.“

,

Was für ein – auch im  poetischen Sinn – wundervoller Satz: Der Satz fängt den Rhythmus des Lebens ein, benennt das Leben in seiner ganzen Fülle, Vitalität und  Bewegtheit, stellt uns den immer wiederkehrenden Wechsel vor Augen, der nach Gottes Willen  bleiben soll,  solange die Erde steht“.

 

Nicht wahr: Wieviel ärmer wäre das Leben, wenn es diese Spannungen und Gegensätze nicht gäbe, alles zu seiner Zeit: Säen und  Ernten - in der Natur, aber auch sonst im  menschlichen Leben -– Frost und  Hitze: In der Natur, aber auch sonst im Leben - Tag und  Nacht, Helles und Dunkles...Und zu reifem, erwachsenem Menschsein gehört, in diesen von Gott geschaffenen Rhythmus einzustimmen, uns in ihn einzufügen, also nicht immer nur  möglichst schnell und viel ernten wollen, sondern auch geduldig  säen und das Wachsen, Reifen, Fruchtbringen abwarten, nicht im  Winter Erdbeeren essen und  im  Sommer Orangen, sondern möglichst die regionalen Früchte und Lebensmittel kaufen, die Nacht nicht zum Tage machen und  den Tag nicht zur Nacht.. Wo wirkliches Leben ist,  da ist dieser Rhythmus von Saat und  Ernte, Frost und  Hitze, Sommer und  Winter, Tag und  Nacht.

 

Wo wirkliches Leben ist, da leben wir in Ehrfurcht vor dem Schöpfer,

in  Dankbarkeit für die Gaben Gottes, besonders die Gabe aller Gaben Gottes für uns:  Jesus Christus, und bringen Gott in Liedern, Worten und  Taten Dankopfer für seine Treue – so wie es der gottesfürchtige und  fromme Noah tat. Amen.