Predigt über 1. Mose 8, 18 – 22 (zweite Fassung)

 

 

Gnade sei mit euch...Der für heute vorgeschlagene Predigttext führt uns in die Anfänge der Bibel, ans Ende der Sintflutgeschichte: Lesung

 

Liebe Gemeinde,

 

am Anfang Chaos und Zerstörung, am Ende die Zusage der unwandelbaren Treue Gottes.

 

Vor unserem Text hören wir von der Sintflut: Immer weiter und höher steigen die Fluten, bis es schließlich keinen Ausweg, kein Entrinnen mehr gibt, alles  versinkt und erstickt in den Fluten von Wasser, den Massen von Schlamm.

 

Die Sintflut war ja nicht einfach eine der Naturkatastrophen, wie sie – schlimm genug – immer wieder vorkommen, in diesem Jahr auch wieder so oft, häufiger, denkt man,   als früher, so daß man manchmal meint, alles käme zunehmend ins Wanken...Die Sintflut war mehr, war sozusagen der Super – GAU, der größte anzunehmende Unfall, die Vernichtung alles Lebens, das Ende der Menschheit -  als Konsequenz und Quittung für ihre Verdorbenheit und Bosheit. Aber: Die Sintflutgeschichte ist – bei all ihrer Entsetzlichkeit – auch eine Geschichte, die uns nicht ganz ohne Hoffnung läßt. Denn: Einer kommt durch. Einer wird gerettet. Und um dieses Einen willen geht das Leben weiter, beginnt es neu.

 

„Noah aber war ein frommer Mann und ohne Tadel...er wandelte mit Gott“, so heißt es von ihm (1. Mose 6, 9). Eines Tages erhält er von Gott den Auftrag: Bau‘ eine Arche, einen  Kasten aus Tannenholz. Auch die Maße werden angegeben: 15o m lang, 25 m breit, 15 m hoch. Noah fängt an zu bauen, vermutlich unter dem Spott der Leute: Was soll das – was baust du da mitten auf dem Land solch einen Kasten...! Tickst wohl nicht mehr richtig...

 

Aber er, der Gott gehorcht, überlebt sie alle. Er überlebt die, die Gott mißachten, die nur sich selber sehen und sagen: der Mensch hat’s bisher immer geschafft...Unvermutet und urplötzlich ist die Katastrophe da, die Flut reißt alles mit, was scheinbar so sicher war, worauf die Menschen gebaut hatten.

 

Die Frage stellt sich uns hier: Worauf bauen wir unser Leben? Auf das, was wir  für gut halten? Oder auf das, was Gott uns sagt? Ob denn unser Leben standhalten würde, wenn Katastrophen kämen, Unheil , das Gott schickt? Damals hielt nichts stand. Nirgendwo war mehr ein Halten. Vierzig Tage und vierzig Nächte nichts als Regen, unaufhörliches Prasseln und  Strömen, bis alles versinkt.

 

Und dann doch: die Wende. Der Regen hört auf, die Sonne zeigt sich wieder. Die Arche stößt auf Grund. Es knirscht und kracht: Wieder fester Boden. Gerettet.

 

Was für ein Gefühl werden Noah und die anderen wohl gehabt haben? Sicher waren sie maßlos erleichtert, überaus froh und glücklich: Wieder an Land! Wieder die Sonnenstrahlen spüren. Festen Boden unter den Füßen haben!

 

 

 

2

 

Noah – auch das ist bemerkenswert - Noah vergißt das Danken nicht. Er dankt Gott für seine Rettung und die seiner Mitgeschöpfe. Er baut Gott einen Altar. Er bringt Dankopfer dar. 

 

Und dann heißt es, sinnlich-schön : „Und der Herr roch den lieblichen Geruch...“: Gott freut sich über Noah und seine Dankbarkeit, und Gott ändert um dieses Einen willen seine Gedanken und Pläne. Vor der Sintflutgeschichte hieß es noch: „Als aber der Herr sah, daß der Menschen Bosheit groß war auf Erden....da reute es ihn, daß er die Menschen gemacht hatte“ (1.Mose 6,5f.),  und jetzt sagt er – um dieses Einen willen –: „Ich will hinfort nicht mehr schlagen alles, was lebt, wie ich getan habe“.

 

Dabei gibt er sich ja keinen Illusionen über uns Menschen hin. Er weiß: „Das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf“.

 

Ja – stimmt das denn?

 

Wenn wir uns und andere selber betrachten und beurteilen: Da gibt’s manche, die sind sehr von sich überzeugt, finden sich cool, locker, gut drauf, sehen sich gern im Spiegel. Und das wird uns ja derzeit geradezu eingetrichtert, ist herrschende Weltanschauung: Finde dich gut, denk‘ positiv von dir, du bist, wie du bist, o.k.

 

Aber gleichzeitig sollen wir uns ja auch nach ganz bestimmten Normen richten:

Fitness und Schlankheit, Erfolg, Spaß haben und Leistung zählen. Und  wer da nicht mithalten kann –und das sind, fürchte ich, die meisten – der findet dann  eben nur wenig Gutes an sich, kann sich oft selbst nicht leiden, kommt sich vor wie eine graue Maus, so unscheinbar, so wertlos...

 

So ist das, wenn wir uns selbst beurteilen....Aber weder die einen noch die anderen würden sich selber als „böse von Jugend auf“ ansehen. Ist das denn nicht wirklich zu negativ gesehen? Wird hier der Mensch nicht schlecht gemacht? Sind wir denn nicht auch „edel, hilfreich und gut“?

 

Klipp und klar: Nein. So wie Gott selbst es hier feststellt, so sind wir. Muß ich Beispiele anführen? Was war in Bosnien, im Kosovo, was ist derzeit im Kongo, in Ruanda – und auch hier bei uns im alltäglichen Leben: Sticheleien, Bosheiten, Menschen sind in Not und jeder geht vorbei...Es gab die Todesschwadronen der Roten Khmer, es gab  und gibt sog. „Kindersoldaten“, 12/13jährige, die ohne erkennbare Gemütsbewegung Menschen abschlachten, es gab und gibt

-zigtausende biedere Familienväter, die nach Fernost fliegen und ihre Lust an Kindern befriedigen...Und sehen wir nicht  nur auf andere, sehen wir auf uns selbst. Im Goethejahr kann man auch dieses Goethewort nennen: Ich erschauere,hat der Dichterfürst gesagt, ich erschauere, wenn ich in mein Inneres sehe, über die Abgründe ,die sich da auftun ...Am tiefsten und klarsten hat es der Apostel Paulus formuliert:  Das Gute, das ich tun will, tue ich nicht, sondern das Böse, das ich nicht tun will, das tue ich...und dann der Seufzer: ich elender Mensch! Wer wird mich erlösen? (Römer 7, 19.24)

 

 

3

 

Und nun hören wir in unserem Text Evangelium! Gott weiß: wir sind böse. Aber er will nicht mehr mit Zorn und Vergeltung darauf reagieren.  Er will stattdessen, daß wir -  inmitten der Schöpfung - leben: „Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze,  Sommer und Winter, Tag und Nacht“.

 

Was für ein – auch im poetischen Sinn – wundervoller Satz!

Er benennt das gesamte Leben der Schöpfung in seinem Rhythmus, seiner Fülle, seinem Pulsieren, seiner Vielfalt.

 

Nicht wahr: Wieviel ärmer und langweiliger wäre unser Leben, wenn es diese Spannungen und Gegensätze nicht gäbe von Säen und Ernten, Kälte und Wärme, sommerlicher Vitalität und winterlichem Ruhen, hellem Sonnenlicht und nachtschwarzer Finsternis...Wie langweilig, wenn immer nur blauer Himmel wäre und

nie schwerlastende graue Regenwolken, immer nur  Hitze und nie Frost, immer nur Helligkeit und nie Dunkel... Wie töricht sind wir, wenn wir anfangen, diesen Rhythmus des Lebens  zu stören und außer Gang zu setzen, wenn wir immer nur und möglichst schnell ernten wollen und nicht mehr geduldig und erwartungsvoll säen, wenn wir die Nacht zum Tage machen und den Tag zur Nacht...

 

Wo Lebensfülle ist, da ist auch immer dieser Rhythmus. Und: Er wird, trotz all unserer Verdorbenheit und Großmannssucht,  bleiben, solange die Erde steht.  Das hat Gott zugesagt. 

 

Unser Dichten und Trachten ist böse von Jugend auf. Das weiß und erfährt Gott täglich. Aber er will sich trotzdem nicht von uns abwenden. Er will, daß wir leben.

 

Aber – heißt das nicht: Er findet sich nun halt ab damit, daß wir nun mal böse sind?

Aber die Bibel hat ja noch weitere Kapitel! Wir hören ,wie Gott dann noch einen Neuanfang macht, wieder mit einem Einzelnen, dem Abraham. Und dann einen Neuanfang mit einem einzigen Volk auf der Erde: dem Volk Israel. Und schließlich ist der eine Langerwartete und Ersehnte da, Jesus, der Messias, der, mit dem die einzige Zeitenwende beginnt, die wirklich diesen Namen verdient.

 

Er ist die endgültige Antwort Gottes auf Gottlosigkeit und Gewalt, Niedertracht und Gemeinheit. Gott überwindet das Böse durch ihn, den Guten. Um dieses Einen willen fängt Gott nun ganz neu mit jedem von uns an. Wir sind und bleiben –trotz allem, was gegen uns spricht, seine Geliebten. Wir brauchen unseren Wert nicht mehr nach irgendwelchen Maßstäben zu beurteilen. Du bist, wie du bist, Gott unendlich viel wert.  Jesus ist die Chance unseres Lebens und Gottes wunderbares Geschenk für uns: Unser Leben kann von ihm geprägt, erfüllt, gelenkt werden. Jesus schafft das bei uns, daß wir „Gutes denken tun und dichten...“, er befreit uns dazu, daß das Dichten und Trachten unseres Herzens aufs Gute ausgerichtet wird. Und wenn wir rückfällig werden – und das geschieht ja dauernd – dann steht uns Gottes Vergebung offen. Und wir können dann auch einander vergeben und neu miteinander anfangen. Gott sei Dank!

 

Darum: Der Friede...   

 




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