Gottesdienst Am Heierbusch, 9. Sonntag nach Trinitatis 20.7.08


Lieder:


437: Die helle Sonn...

740 Psalm 92

495, 1-6 O Gott, du frommer Gott...

451, 5-10 Mein erst Gefühl...

178.9 Kyrie eleison...

333, 1+2 Danket dem Herrn...


Lesung: Mt 25, 14 - 30


Predigt: 1. Petrus 4, 7 -11


Liebe Gemeinde,


Deutsche Soziologen sagen, die treffendeste derzeitige Definition unserer Gesellschaft sei „Die egoistische Gesellschaft“, und gerade las ich: Amerikanische Soziologen haben geschrieben: Der Trendsetter der letzten Jahre sei der „Egotaktiker“, also der Mensch, der absolut ichbezogen damit taktiert, wie er ein Höchstmaß an Vorteil, Spaß und Genuß für sich aus dem Leben herausholen kann. In absolutem Widerspruch und Gegensatz zu solch einer Haltung steht der heutige Predigttext. Er spricht von den vielfältigen Begabungen, mit denen wir Menschen einander dienen können. Mehrfach kommt in ihm das Wort „füreinander“ „miteinander“ vor.


Ich lese aus dem 1. Petrusbrief Kap. 4 die Verse 7 - 11



Es ist aber nahe gekommen das Ende aller Dinge. So seid nun besonnen und nüchtern zum Gebet.

Vor allen Dingen habt untereinander beständige Liebe, denn „die Liebe deckt auch der Sünden Menge“ (Sprüche 10,12) .

Seid gastfrei untereinander ohne Murren.

Und dient einander, ein jeder mit der Gabe, die er empfangen hat, als die guten Haushalter der mancherlei Gnade Gottes:

wenn jemand predigt, daß er's rede als Gottes Wort; wenn jemand dient, dass er's tue aus der Kraft, die Gott gewährt, damit in allen Dingen Gott gepriesen werde durch Jesus Christus.



Ich gliedere die Predigt in drei Sätze:


1. Die Welt hat einen Herrn

2. Er befreit uns zur Entfaltung unserer Gaben

3. Dienen wir einander damit!


1. also: Die Welt hat einen Herrn. Unser Text spricht indirekt davon, indem er sagt: Das Ende aller Dinge ist nahe herbeigekommen. Wir denken dabei vielleicht an das Weltende, an Untergangspropheten, die uns apokalyptische Katastrophen voraussagen. Aber gerade Das ist hier nicht gemeint. Das Wort, das Luther hier mit „Ende“ übersetzt – das griechische Wort telos – das heisst wörtlich: Ziel,

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Vollendung – und damit bekommt dieser Satz geradezu einen hoffnungsvollen, Zuversicht weckenden Klang: Mit Christus ist das Ziel, die Vollendung alles dessen, was Gott mit der Welt und uns Menschen vorhat, ganz nahe gekommen.

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Wenn wir gut überlegen, müssen wir sagen: Mehr, als Gott durch Christus für uns getan hat, kann er für uns Menschen überhaupt nicht mehr tun: Bei Jesus ist alles zu finden und zu haben, was wir Menschen zu einem Leben, wie Gott es will, brauchen. Und jetzt sind wir dran, das zu verwirklichen.


Die alte Art zu leben mit Habsucht und krassem Egoismus ist überholt, ist sozusagen von gestern, ist „out“; „in“ ist ein neuer und viel schönerer Lebensstil, der uns Lebensfülle und freies Leben verspricht Denn nun hat die ganze Schöpfung und die gesamte Menschheit einen Herrn, und zwar einen, der in der Allmacht der Liebe herscht und diese Herrschaft zur Vollendung führen wird.


Was gemeint ist, das macht eine alte römische Legende klar. Da wird erzählt, ein Herr sei auf einen großen Sklavenmarkt gekommen und habe über den ganzen Platz hin gerufen: Ihr seid frei, ich habe euch freigekauft! Ungläubige Mienen bei den dumpf vor sich hinblickenden Sklaven – bis man ihnen tatsächlich die Ketten abnahm, sie sich erheben und aufrecht stehen konnten – und da seien sie samt und sonders hingegangen zu diesem Herrn, der sie freigekauft und von ihren Ketten er-löst hatte: „Wo sollen wir hingehen? Lass und bei dir bleiben, wir wollen dir in Freiheit dienen“. - Gut“, sagte der Herr. Dann dient einander. Dadurch dient ihr mir am schönsten, indem ihr einander zur Lebensfreude und Lebenswürde verhelft.


In dieser Fabel ist der ganze christliche Glaube enthalten. Er sagt uns: Nun hat die Schöpfung und die gesamte Menschheit einen Herrn, der uns befreit hat und uns klare Maßstäbe für ein lohnendes Leben gibt.


Und dazu sind wir doch auch heute wieder hier im Gottesdienst, weil wir auf den Herrn Jesus Christus hören und von ihm wieder gute Maßstäbe und Weisungen für ein Leben in seinem Dienst bekommen wollen.


(a) Von diesen Maßstäben nennt unser Text nun zunächst drei, die ganz grundsätzlich und für jeden gelten:


Einmal: Seid besonnen und nüchtern zum Gebet. Zuerst also immer: Die persönliche Hinwendung zu diesem Herrn, zum Gespräch mit ihm, zum Gedankenaustausch mit ihm.

Und ich finde schön, dass hier steht, zum Beten gehöre Besonnenheit, Nüchternheit. Beter bleiben auf dem Teppich. Sie überlegen gut, was wohl im Sinne Gottes zu beten

sei.


Solches Beten , liebe Gemeinde, verändert meine Haltung anderen Menschen gegenüber. Ich stelle sozusagen Christus vor diese Menschen, sehe sie gleichsam durch Christus hindurch.


Und schon folgt daraus die zweite grundsätzliche Weisung: „Habt einander beständig lieb, denn die Liebe deckt die Menge der Sünden zu“. Hier ist ja nicht gemeint: Alles mit

dem Mäntelchen der Barmherzigkeit zuzudecken, das wäre ein fauler Friede, sondern das

Wort „zudecken“ meint hier wörtlich: „tief in der Erde vergraben“, ein tiefes Loch graben –

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die Schuld des Andern darein legen, Erde drauf und sie dann auch begraben sein lassen; also sozusagen den Menschen von seiner Schuld unterscheiden, ihn so ansehen, wie Jesus den Zachäus, die Ehebrecherin, den reichen Jüngling, aber aber auch die Hohenpriester und Schriftgelehrten angesehen hat: nämlich – unabhängig von ihrem Verhalten - als Gottes Kinder.


Jeden also mit Respekt und Hochachtung behandeln: Das ist manchmal ganz schön schwere Arbeit und Liebesmüh', gelingt uns auch nicht immer, aber man kann es üben, kann es vor allem dann, wenn ich diesen Menschen im Gebet vor Christus bringe, also für ihn bete.


Die dritte grundlegende Weisung folgt wiederum hieraus: Es mag uns überraschend sein, dass Petrus sie für so grundlegend wichtig für Christen hält: „Seid gastfrei ohne Murren“.


Aber so ist das ja wirklich: Christus macht uns freigebig und großzügig. Wann immer wir uns von seinen Gaben beschenken lassen, bewirkt er ein offenes Herz und ein offenes Haus für Andere. Christen sind großzügig und gastfreundlich – ohne Murren!


Wie oft hören wir – oder erzählen wir selber – von der Gastfreundlichkeit der Menschen in

anderen - meist materiell viel ärmeren – Ländern und jammern darüber, wie kalt und

herzlos es dagegen bei uns sei und wie wenig Zeit wir hätten für Andere, und wie geizig viele gerade von den Wohlhabendsten seien.


Ich glaube, wenn das so ist, dann liegt das daran, dass wir uns zuwenig beschenken lassen von den Wohltaten Christi, die unser Leben aufblühen lassen.


Also wollen wir nicht an anderen herumkritisieren, sondern es selber besser machen.


II


Denn nun - 2. - kommen wir – jeder mit seinen ganz persönlichen Gaben – in den Blick.


Seid Haushalter der „- wörtlich übersetzt - „bunten, vielfarbigen Gnadengaben Gottes“, die er jedem von euch geschenkt und anvertraut hat.


Der frühere Weiglehaus-Pfarrer Wilhelm Busch hat einmal geschrieben: Die Christenheit ist wie eine endlos weite Sommerwiese, auf der die unterschiedlichsten Blumen blühen, und alle tragen zur Pracht bei, alle verherrlichen auf ihre Art Gott den Schöpfer. So unterschiedlich sind die Blumen, Stauden, Gräser - aber darin sind alle gleich, dass sie nur blühen, wenn sie dem Licht zugewandt sind. Oder, wie unser Text sagt: „dass in allen

Dingen Gott gepriesen werde durch Jesus Christus“.


Zwei besondere Gaben, die jeder Christ hat, nennt der Text: Die Verkündigung - also das Mitteilen des Evangeliums, das Reden vom Glauben – und das diakonische Handeln. Und welch eine Fülle von Gaben haben wir, damit diese beiden grundlegenden Dinge unter uns geschehen!


Auf welch vielfältige Weise wird verkündigt: Sicher, durch unsere Predigten, aber auch

durch so manches Gespräch, in dem einer von seinem Glauben, auch seinen

Glaubensfragen und -zweifeln, spricht. Und auf welch vielfältige, bunte Weise geschieht

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der Dienst, also die Diakonie von uns Christen - sicher auch durch die vielen Hauptamtlichen –: Das Diakonische Werk in all seinen Ebenen hat über eine Viertelmillion Mitarbeiter, ist einer der größten Arbeitgeber in Deutschland - aber wieviel Diakonie geschieht durch Besuche, etwa in Heimen, oder durch Entscheidungen von Arbeitgebern zum Wohle von Menschen in einer Firma, oder auch durch künstlerisches Tun eines Musikers, oder indem einer ehrenamtliche Aufgaben in einer Gemeinde übernimmt...Jeder von uns hat seine Charismata, seine Gnadengaben von Gott bekommen. Vielleicht hat einer das Talent, in besonderer Weise erfahren zu haben, dass Gott im Leiden nahe ist und also kann er einen Menschen in Kummer und Leid gut trösten. Oder einer hat die Gabe, dass Kinder ihm ihr Vertrauen schenken. Oder Großeltern können vorlesen, für ihre Kinder und Enkel fleissig beten. Und ich glaube, auch wenn einer schwer krank ist oder im Sterben liegt , kann er das Leben von Menschen bereichern und zum Segen werden. Mir sagte vor einer Zeit ein Bestatter wörtlich: „Alle Sterbenden müßten eigentlich den Titel 'Professor' bekommen, denn sie lehren uns sehr viel über das Leben“. Das ist wahr.


III


Darum 3. und als Summe: Dient einander, jeder mit seinen Gaben! Überlegen wir nur: Wie viele Menschen von nah und fern dienen uns täglich mit ihren Gaben! Wir sehr brauchen wir einander!. Gewiss: Mancher hat ganz besondere Gaben - und darum erwartet man mit Recht auch Besonderes von ihm - aber dessen Talente sind vor Gott nicht einen Deut wertvoller oder besser als die eines anderen, der meint, er könne überhaupt nichts. Das Schlimmste im Reich Gottes ist nicht: Fehler zu machen und schuldig zu werden. Das Schlimmste ist: Nichts zu machen, aus Angst etwas verkehrt zu machen.


Wir haben alle schon öfters erlebt, wie Gott scheinbar gute, überzeugende Wege versanden und in Sackgassen enden liess. Und wie er andererseits aus etwas anscheinend Falschem und Schlechtem Gutes entstehen liess. Gott gibt das Gedeihen – oder auch nicht. Und dann können wir uns abstrampeln - es wird nichts draus.

Darum: In diesem Vertrauen auf Gott, der unserm Tun Gedeihen gibt: Dient einander! Amen.


Eingangsgebet:


Lieber Vater im Himmel, wie gut und wohltuend ist es für uns, wenn wir jetzt wieder zu dir kommen können. Wir öffnen dir unser Herz. Sieh all das Unreine darin, sieh unsere Sorgen, sieh die Angst vor der Zukunft, vor Aufgaben, die auf uns zukommen, und reinige unser Herz. Sorge du für uns, führe uns und leite unseren Gang durch dein Wort. Dazu sprich jetzt wieder zu uns . Lass die Worte der Heiligen Schrift zu deinem lebendigen Wort für uns werden: Gib uns neuen Lebensmut, neue Lebensfreude, gib uns Orientierung und gute Masstäbe für unser Leben! ...In der Stille lasst uns Gott sagen,was uns besonders am Herzen liegt...







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Fürbitten

Wir schlagen im Gesangbuch Nr 178.9 auf und singen nach jeder Fürbitte das „Kyrie...“, das dort steht:


Lieber Vater im Himmel, du hast uns, deine Kinder, mit reichen Gaben beschenkt. Wir bitten dich: Beschenke uns mit der Kraft deines Heiligen Geistes, damit wir sie zum Wohl deiner Schöpfung nutzen.


Giesse ihn in reicher Fülle aus unter den Angehörigen deines Volkes, den Juden und

den Christen. Wir, deine Söhne und Töchter, müssten doch eigentlich wissen, wie wir nach deinem Willen leben sollen - und gerade wir sind oft so aggressiv und habgierig, setzen auf Waffengewalt und wollen immer mehr haben. So gib doch neues Erwachen des Glaubens in Israel und unter uns Christen. Lass die, die in besonderer Weise Verantwortung tragen in Wirtschaft, Politik, Öffentlichkeitsarbeit, nach Massnahmen suchen, die Vertrauen schaffen, Versöhnung stiften, Gespräche fördern. Gib deinem Volk Israel Sicherheit, gib dem palästinensichem Volk einen eigenen Staat. In Vertrauen und Zuversicht bitten wir dich und singen: Kyrie eleison...


Wir danken dir für alles segensreiche Tun in dieser Gemeinde in Verkündigung und Dienst. Gib, dass alle – ehrenamtlichen und hauptamtlichen - Mitarbeiter sich verstehen, sich gut vertragen, einander ertragen. Gib ihnen Gelassenheit, die Kraft, andere gelten zu lassen, Freude am Glauben. Wir rufen:


Und wir bitten dich für uns und unsere Familien: Gib, dass wir einen Rückhalt in den Familien aneinander haben, dass wir uns aufeinander verlassen können, einander dienen mit unseren Gaben. Denen unter uns, die trauern, stärke das Vertrauen in deine

Führung, denen, die Angst haben in ihrem Beruf, gib Erfolge und Anerkennung – uns allen aber gib Staunen und Freude an den Geheimnissen und Herrlichkeiten deiner Schöpfung, Freude auch an der Liebe und Zuwendung von Menschen. Wir rufen zu dir:


In der Stille bitten wir Gott um etwas, das uns besonders am Herzen liegt...