Abendmahlsgottesdienst am Ostersonntag, 16. April 2006

 

Lieder:

 

O herrlicher Tag...560

Christ ist erstanden...99

Der schöne Ostertag...117

Großer Gott, wir loben dich...

 

Psalm 113 (Nr. 749)

 

Lesung: Markus 16, 1 - 8

 

Predigt über 1. Samuel 2, 1 - 8

 

Liebe Gemeinde!

 

Der heutige Predigttext ist eines von drei geradezu revolutionären Lobliedern auf Gott den Befreier, die in der Bibel überliefert sind - alle drei übrigens von Frauen angestimmt.

 

Das erste ist der Lobgesang der Mirjam, der Schwester des  Mose und Aaron, nach der Befreiung aus der Sklaverei in Ägypten, wo sie mit anderen Frauen im Reigen tanzt und  ihr Lied mit Paukenschlägen begleitet.

 

Das zweite ist der Lobgesang der Maria nach der Ankündigung der Geburt Jesu durch den Engel Gabriel, wo Maria u.a. singt: Gott stürzt  die Gewaltigen vom  Thron und  erhebt die Niedrigen; die Hungrigen füllt er mit Gütern und lässt die Reichen leer. 

 

Und das dritte ist der heutige Text: Der Lobgesang der Hanna, nachdem sie endlich, endlich  ein Kind  bekommen hat, den Samuel. 

 

Im  Kapitel vorher, einem der Glanzstücke biblischer Erzählkunst, hören wir, wie Hanna sich jahrelang grämt, wie sie oft weint und  nichts essen will,  denn - wie der Erzähler formuliert , "Gott hatte ihren Schoß verschlossen".  Ausgiebig hatte sie die Verachtung und den Spott ihrer Umgebung zu spüren bekommen, denn Frauen, die keine Kinder bekamen, wurden damals - und werden im Orient bis heute - verachtet oder gar verstoßen.

 

Hanna betet beharrlich zu Gott, er möge sie durch ein Kind beglücken und  ehren. Und dann  erhört Gott sie, sie bringt den Samuel zur Welt, (und  der Name Samuel bedeutet übersetzt: "Gott erhört"). Und nun  stimmt sie in ihrer Freude diesen Lobgesang an, in 1. Samuel 2 ist er überliefert:

 

Gott, du hast mich fröhlich gemacht,

du hast mich aufgerichtet und gestärkt!

Jetzt kann ich über meine Feinde lachen.

Wie froh bin ich  - du hast mir geholfen!

 

Ja, der Herr allein ist heilig;

keinen Gott gibt es außer ihm.

Auf niemanden sonst ist so felsenfest Verlaß.

 

Also tut nicht so groß!

Spielt euch nicht auf!

Prahlt nicht so frech mit euren Plänen!

2

 

Gott der Herr weiß,  was ihr tut;

er prüft all eure Taten.

Starken Männern zerbricht er die Waffen;

Schwachen und Mutlosen aber  gibt er neue Kraft.

Reiche müssen ihr  Brot  mit eigener Hand verdienen,

und Arme feiern Festgelage....

 

Der Herr tötet und macht lebendig,

er führt ins Totenreich und  wieder heraus.

Der Herr macht arm und macht reich;

er erniedrigt und erhöht.

Er hebt den Bedürftigen aus dem Staub

und erhöht den Armen aus der Asche,

daß er ihn setze neben die Fürsten

und ihn den Thron der Ehre erben lasse.

 

 

Welch ein Jubel! Was für radikale Worte! Gott hat etwas für Hanna getan, was nach Menschenermessen kaum noch möglich schien: Hanna hat ein Kind  bekommen! Gott  hat ihre Gebete erhört, hat ihre Schande in Ehre, ihren Kummer in Freude, ihre Klage in Lob verwandelt, Hanna hat neues Leben zur Welt gebracht und  ihr eigenes Leben wird darüber neu!

 

                                                                       I

 

Und nun  fragen manche von Euch wahrscheinlich: Aber was hat dieser Text denn mit Ostern zu tun? Nun, das zu beantworten sollte einem Theologen und Pfarrer nicht schwer fallen, denn die finden ja bekanntlich auf alles eine Antwort. Und  es gibt ja eine Reihe von  Anklängen in diesem Text, die auf Ostrern hinweisen.

 

Auch in  den Ostererzählungen hören wir ja von Frauen, die zuerst in tiefer Betrübnis sind. Auch sie - mindestens von  Maria Magdalena ist es überliefert - auch sie weinen, während sie zu einem verschlossenen Grab gehen. Düster ist es in ihnen, während sie den Weg  im  Dunkeln suchen. Schlimme  Bilder haben sie noch vor Augen:  Wie man Jesus geprügelt und  bespuckt hatte. Die höhnenden Worte der Soldaten und der hohen Priester haben sie noch im Ohr: Steig doch runter vom Kreuz! Andern  hast  du immer geholfen, jetzt hilf dir doch mal selber! Von  fern hatten sie mit angesehen, wie mitleidige Menschen  die Leiche Jesu immerhin abgenommen und in ein Grab gelegt hatten. Nun  wollen sie  sie  einbalsamieren.

 

Während sie zum Grab gehen, beginnt die Sonne aufzustrahlen. Sie merken das wohl garnicht. In  ihren Herzen jedenfalls ist alles dunkel, tot und verschlossen.

 

Dann sind sie am Grab und  sehen: Es ist offen. Sie gehen hinein und finden darin keinen Leichnam mehr, sondern einen Engel. Da werden sie von Furcht gepackt - und dann geradezu von Entsetzen, als der Engel sie anspricht: Ihr sucht Jesus von  Nazareth den Gekreuzigten. Er ist nicht mehr hier. Er ist auferstanden.

 

Und später  beginnen sie ganz allmählich zu begreifen, was dann alle Zeugen  des Neuen Testaments in großer Ehrfurcht aussprechen: Gott hat hier etwas  für menschliches Begreifen und nach  Menschenmaßstäben Unmögliches getan. Er hat dem Leichnam Jesu sein eigenes göttliches Leben eingehaucht. Er hat an Jesus exakt das getan, was Hanna

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Jahrhunderte zuvor gesungen hatte:

 

Der Herr tötet und  macht lebendig.

Er führt ins Totenreich und  wieder heraus.

Der Herr macht arm und macht reich,

er erniedrigt und  erhöht,

er erhebt den Armen  aus dem Staub

und läßt ihn  den Thron der Ehre erben.

 

 

                                                                       II

 

 

All das hat Gott zu Ostern an Jesus getan. Und  dadurch das Leben neu gestaltet, in 

dreifacher Weise.

 

1. Der Tod ist nicht mehr das Ende unseres Lebens. Er ist keine letzte Verschlossenheit mehr, sondern offen auf Gott hin; er ist zum offenen  Tor ins himmlische Leben hinein geworden. Er ist damit auch kein  letzter Schlupfwinkel mehr für skrupellose Leute,die nach dem Motto handeln: Nach  mir die Sintflut! Jedes Leben gelangt nun vor den Thron Gottes, über jedes Leben spricht nun Jesus das letzte Urteil. Mit einem Wort: Der Tod hat seine Allmacht und  Endgültigkeit verloren; er hat sie an Jesus abgeben müssen.  

 

Nun  können wir vom  Sieg Jesu über den Tod sicher oft nicht so triumphierend sprechen, wie das manche unserer Osterlieder tun. Wir können ja nicht übersehen: Der Tod eines geliebten Menschen gehört nach wie vor zum  Schlimmsten, was es im Leben gibt.

 

Meine Frau, die ja häufig sehr kluge und für mich einprägsame Dinge sagt, sagte vor einigen Jahren mal zu mir aus einer tiefen Empfindung heraus: Dass Menschen  Abschied nehmen müssen, das hat Gott nicht gut gemacht!

 

Zumindest kann  das Abschiednehmenmüssen von einem geliebten Menschen oft sehr schwer sein. Aber Ostern sagt uns das Unbegreifliche: Unsere Beziehung zueinander, die hat einmal ein Ende, aber die Beziehung Gottes zu uns bleibt auch im Tod. Gott ruft uns aus dem Tod heraus, er erhebt uns aus dem Staub, "läßt uns den Thron der Ehre erben", wie Hanna sang , ruft uns dorthin, wo das Gotteslob, die Musik der Engel und  der Erlösten erklingt.

 

Und  darum  - zweitens - kann nun auch bei unseren  Trauerfeiern das Lob Gottes erklingen. Auch hier wollen wir nicht überschwenglich werden. Bei mancher Trauerfeier kann  man wirklich nur klagen, wenn nicht ganz verstummen Und  doch, ich habe auch  in unserer Gemeinde öfter das erlebt, was der Schweizer Dichter Kurt Marti in  einem  seiner Gedichte eine Frau sagten läßt:

 

wenn ich gestorben bin

hat sie gewünscht

feiert nicht mich und schon gar nicht den Tod

feiert den

der ein  Gott von Lebendigen ist

...singt Lobgesänge.

 

Denn:  Trauernde und  verzagte Menschen können nun erfahren, was Hanna sagt: Gott führt

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ins Totenreich - aber auch wieder heraus! Gott kann das Leben sehr arm machen, aber auch, in  neuer Weise, wieder reich. Eine ganze Reihe von  Witwen und  Witwern kenne ich in unserer Gemeinde, die nach Trauer und  Leid doch einen neuen Lebensauftrag  und neue Lebensfreude gefunden haben.

 

Und drittens:  Seit Ostern gilt, was Hanna singt:

 

Starken Männern zerbricht Gott die Waffen

Schwachen  und  Entmutigten gibt er neue Kraft.

Reiche müssen um Brot anstehen

und Arme können Festschmaus halten.

 

Durch seine Tat, den gekreuzigten Jesus aufzuwecken, hat Gott in revolutionärer Weise die  Rangordnungen  und Werte der Welt umgedreht.

 

Gottes Kraft ist in den Schwachen mächtig, die Hungrigen erfüllt er mit Gutem, die Reichen dagegen lässt er leer ausgehen. Die feiern Ostern vielleicht als Frühlingsanfang oder mit Schokoladenhasen, sitzen in Blechlawinen statt in Ostergottesdiensten und erleben die Osterfreude nicht, die in den Verzagten und  Unterdrückten ausgelöst wird,  weil Gott selber ihnen sagt: Glaubt mir, die Handlanger des Todes, die Gewalttäter und  Habgierigen - die werden nicht das letzte Wort behalten. Das letzte Wort spricht mein Sohn, der auf seiten der Schwachen ist und  ihnen seine Kraft einflößt, der auf seiten  der  Bedürftigen und  Armen ist, um ihren  Lebenshunger zu stillen.

 

Um noch einmal Kurt Marti zu zitieren:

 

Das könnte den Herren der Welt ja so passen,

wenn erst nach dem Tode Gerechtigkeit käme,

erst dann die Herrschaft der Herren,

erst dann die Knechtschaft der Knechte

beseitigt wäre für immer..

 

Doch ist der Befreier vom Tod ja erstanden,

ist schon auferstanden und ruft uns jetzt alle

zur Auferstehung auf Erden

zum Aufstand gegen die Herren

die mit dem Tod uns regieren...   

 

Oder, um es mit einem Wort Bonhoeffers zu sagen, das alles zusammenfasst: Wer Ostern kennt, kann nicht mehr verzweifeln.. Amen.