Frühgottesdienst am 14. Sonntag nach Trinitatis, 1. September 2002

 

 

Lieder:

 

Mein erst Gefühl sei Preis und Dank......451, 1-5

Von Gott will ich nicht lassen...365, 1-5

In dir ist Freude...398

Sei Lob und Preis mit Ehren...289, 5

 

Psalm 92

Lesung: 1. Mose 28, 10-19a

 

 

 

Predigt über 1. Thessalonicher 5, 16-24

 

Liebe Gemeinde,

 

der heutige Predigttext ist aus dem 1. Thessalonicherbrief. Dieser Brief ist das älteste Schreiben des Neuen Testaments überhaupt. Paulus schrieb ihn im Jahr 49 von Korinth aus. Er beginnt seinen Brief nach dem Gruß mit einem Dank für das Wunder der Gemeinde Das älteste Schriftliche im Neuen Testament ist also ein Dank, daß es christliche Gemeinde gibt – ist das nicht auch für uns übrigens ein Anlaß zur Dankbarkeit? Und im letzten Kapitel dieses Briefs stehen dann Ermahnungen, besser Ermutigungen. Ich lese aus 1. Thess. 5 die Verse 16 – 24:

 

Seid allezeit fröhlich,

betet ohne Unterlaß,

seid dankbar in allen Dingen;

denn das ist der Wille Gottes in Christus Jesus an euch.

Den Geist dämpft nicht.

Prophetische Rede verachtet nicht.

Prüft aber alles, und das Gute behaltet.

Meidet das Böse in jeder Gestalt.

Er aber, der Gott des Friedens, heilige euch durch und durch

und bewahre euren Geist samt Seele und Leib unversehrt, untadelig für die Ankunft unseres Herrn Jesus Christus.

 

 

 

Liebe Gemeinde, in solch einen wunderbaren Segenswunsch mündet also unser Text: Der Gott des Friedens möge euer ganzes Leben – Leib, Seele und Geist – heiligen und bewahren – bis ihr einmal vor Jesus Christus steht. 

 

Wie geschieht das, daß unser Leben „durch und durch geheiligt“ und bewahrt wird, wie geschieht das, daß wir bereit sind „für die Ankunft unseres Herrn Jesus Christus“?

 

Eine Reihe von überaus guten Hinweisen gibt der Apostel Paulus, Ratschläge,

 

2

 

an denen man sein Leben lang üben kann – und für die man vor allem eins braucht:  Den Heiligen Geist:  

 

-    Alles prüfen – und dann das Gute behalten!

-         Das Böse in jeder Gestalt meiden!

-    Den Willen Gottes tun, wie wir ihn bei Jesus Christus lernen.

 

Was ist dieser Wille Gottes?

 

Paulus nennt ein Dreifaches, und darauf will ich meine Predigt konzentrieren:

 

-    Seid allezeit fröhlich,

-         betet ohne Unterlaß,

-         seid dankbar in allen Dingen.

 

I

 

Seid allezeit fröhlich! Wir begehren sofort dagegen auf: Immer fröhlich sein, das geht doch gar nicht! Es wäre wahrscheinlich auch unerträglich für andere Menschen.

 

Ich fand heraus: Genau den gleichen Ausdruck gebraucht der Apostel Paulus noch einmal, in Philipper 4, wo Luther dann übersetzt: Freuet euch in dem Herrn allewege...Also:  Mit dem „allezeit fröhlich sein“ meint Paulus nicht: Ständig high sein,  heiter und hochgemut , immer keep smiling, unablässig erlöst aussehen...Das – wie gesagt - kann man ja gar nicht, dazu ist Gottes Handeln oft viel zu unbegreiflich, sind die Lasten des Lebens oft zu schwer und auch der Kummer, Ärger, der Zorn und manchmal auch das Entsetzen über so vieles im politischen, aber auch im kirchlichen Leben oft zu groß.

 

Sondern gemeint ist eben: Seid allezeit – in dem Herrn – fröhlich. Er kann

und will allezeit Grund ewiger Freude sein, durch ihn, durch das, „was Gott durch ihn an uns gewendet hat“ (Luther) , kann die Freude – trotz allem - die Grundhaltung christlichen Lebens sein.

 

Und das kann sie in der Tat. Bei Paulus war das so. Seit Christus ihm vor Damaskus überwältigend begegnet war, war er, durch den wir die Gerechtigkeit Gottes im Glauben empfangen und der uns Frieden mit Gott erworben hat, die Freudenquelle seines Lebens.

 

Und werden das nicht auch manche von uns hier so sagen können: Jesus Christus, der Erlöser, den Gott uns Menschen geschickt hat, der bewirkt auch in meinem Leben immer aufs neue das, was die Engel auf dem Hirtenfeld in Bethlehem verkündigten: große Freude...

 

Worte der Bibel,  das Gebet, Gesangbuchlieder, Menschen in unserer Gemeinde, die uns lieb werden usw. usw. – das enthält alles doch viel viel Freude für uns!

 

                                                                      

 

 

3

II

 

Das Zweite: Betet ohne Unterlaß.

 

Nicht wahr: Die Freude an einem Menschen, die Liebe zu ihm – die drängt uns geradezu zum  Gespräch mit ihm, zum Gedankenaustausch mit ihm. Wir wollen mit ihm Freude und Leid teilen!

 

Geradeso führt auch die Freude an Gott, wie wir ihn in Jesus kennenlernen, zum Gebet, zum Gespräch mit ihm: Betet ohne Unterlaß!

 

Auch hier wieder: Man denkt unwillkürlich: Ohne Unterlaß beten...Ja, ist nicht auch das zu vollmundig, zu übertrieben, zu hoch gegriffen und zu viel verlangt...? Ohne Unterlaß beten? Gibt’s nicht oft genug Zeiten, wo wir zu müde, zu faul, zu leer, zu nachlässig zum Beten sind?

 

Aber auch hier wieder: In der orthodoxen Frömmigkeit gibt es das sog. Herzensgebet, ein unablässiges zu Gott Hingewandtsein –  und eben dies meint Paulus: Ein Leben führen, das im Gespräch mit Gott ist, das immer wieder nach seinem Willen fragt, das in den Grenzen der Geschöpflichkeit bzw. des Kindseins Gottes bleibt, das eben nicht selbst Gott spielen will. Denn das ist ja immer aufs neue unsere Urversuchung – wie sich in der Gegenwart etwa bei den Gentechnologen zeigt, wenn sie sagen, wie es nur Gott sagen darf (1. Mose 1, 26): „Lasset uns Menschen  machen – ein Bild, das uns gleich sei!“

 

Wir Menschen wollen nicht Geschöpfe sein, die auf Gott hören und ihm ver-antwortlich sind, sondern wir haben diesen Allmachtswahn, diesen Wahn, alles, was uns nur möglich ist, auch wirklich machen zu wollen, wir wollen immer wieder selbst Herr und Maß aller Dinge sein und alles für uns ausnutzen – und wenn wir alles darüber kaputtmachen.

 

Gleich im Gottesdienst um halb elf – da werden die Kinder, die auf der Kinderfreizeit auf Sylt mitwaren, die Geschichte von Jona darstellen. Wie aktuell ist diese Erzählung! Zum Beispiel: Gott gebraucht die Gewalt der Natur, um durch sie Jona endlich dazu zu „zwingen“, Gottes Auftrag wahrzunehmen. Ist nicht auch die derzeitige Flutkatastrophe ein Warnzeichen der Natur, das Gott gebraucht, um uns, die Kirche, dazu zu „zwingen“, unseren Auftrag wahrzunehmen, nämlich uns und andere zur Buße, zur Umkehr aufzurufen und zu sagen: Wenn wir weiter so wirtschaften wie bisher, wird „Ninive“, wird die westliche Welt, die gekennzeichnet ist von Habgier, Ausbeutung, Ungerechtigkeit, Aggressivität und Verschwendung, untergehen. Kehrt um! Lebt bescheidener! Lernt neu die Ehrfurcht vor Gott und vor dem Leben -  auch dem Leben Eurer Mitgeschöpfe, die ihr so gnadenlos „ausnutzt“!

 

Wie heilsam und schön ist es dagegen, wenn wir unter Gott leben dürfen, im Vertrauen auf seine Fürsorge und Führung, im Fragen nach seinem Willen. Die Frucht solcher betenden Lebenshaltung ist die Erfahrung von Geborgenheit und eine große innere Freiheit – nämlich die Freiheit und der Mut, unabhängig von Menschenmeinung und Menschenwünschen das, was wir als Willen Gottes erkannt haben, klar zu sagen.                                                                     

4

 

III

 

Und eine ganz besondere Frucht solcher betender Lebenshaltung ist: Man wird immer dankbarer. Man erkennt immer klarer, daß nichts selbstverständlich ist, daß wir auf nichts einen Anspruch haben, daß alles Gnade und Geschenk ist, darum das Dritte:

 

Seid dankbar in allen Dingen.

 

Auch hier wieder: ...in allen Dingen!?

 

Äußerlich, vordergründig gesehen können wir gar nicht immer dankbar sein, unserem Wesen, unserer Natur nach sehen wir doch immer eher das, was uns fehlt, was schlecht ist, wir suchen und finden das Haar in der Suppe. Aber wer mit Gott und unter ihm und seinem Wort lebt, der lebt eben in Vertrauen auf seine Führung, und zu diesem Vertrauen gehört: Auch schwere Erfahrungen, auch Wanderungen durch finsteres Tal können heilsam, lebensbereichernd sein – ja, oft gerade solche Zeiten und Erfahrungen. Ich kenne Menschen  in unserer Gemeinde, Menschen, die schwer krank sind oder vor einer lebensgefährlichen Operation stehen, die leben in diesem Vertrauen, dieser Zuversicht. Und auch wir selber können  vielleicht sagen: Im Rückblick bin ich auch für Dinge dankbar, die mir, als ich mitten darin war, schlimm, böse, sinnlos, falsch erschienen – ich erkenne jetzt, sie waren heilsam, bereichernd für mich. So, wie es Paulus in Römer 8 sagt: Denen, die Gott lieben, müssen alle Dinge zum Besten dienen.

 

 

Seid allezeit fröhlich: Auch unter Tränen kann die Freude die Grundhaltung eures Lebens bleiben. Betet ohne Unterlaß: Bleibt im Gespräch mit Gott, fragt nach

seinem Willen. Seid dankbar in allen Dingen: Auch Schwieriges kann Anlaß zum Dankbarwerden sein. Alles in allem:  Der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus unserm Herrn. Amen. 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Weitere Predigten von Pfarrer Martin Quaas, Essen-Rellinghausen, finden Sie unter www.martin-quaas.de/predigten.