Gottesdienst am Sonntag Quasimodogeniti, 18. April 2004

 

Lieder:

Gottlob, der Sonntag kommt herbei...162

O herrlicher Tag, o fröhliche Zeit...560

Dankt, dankt dem Herrn, jauchzt volle Chöre...630, 1.3.4

                                                                                      9 und 10

Psalm 16

 

Lesung: Jesaja 40, 26 - 31

 

Predigt über 1. Petrus 1, 3 – 9:

 

Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns in seiner grossen Barmherzigkeit wiedergeboren hat zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi von  den Toten,

zu einem unvergänglichen und unbefleckten und unverwelklichen Erbe, das aufbewahrt wird im Himmel für euch,

die ihr aus Gottes Macht durch den Glauben bewahrt werdet zur Seligkeit, die bereit ist, dass sie offenbar werde zu der letzten Zeit.

Dann werdet ihr euch freuen, die ihr jetzt eine kleine Zeit, wenn es sein soll, traurig seid in mancherlei Anfechtungen,

damit euer Glaube als echt und viel kostbarer befunden werde als das vergängliche Gold, das durchs Feuer geläutert wird,

und damit er euch zu Lob, Preis und Ehre gereicht, wenn Jesus Christus offenbart wird.

Ihn habt ihr nicht gesehen und habt ihn doch lieb; und nun  glaubt ihr an ihn, obwohl ihr ihn jetzt nicht seht. Darum werdet ihr euch freuen mit unaussprechlicher und  herrlicher Freude,

wenn ihr das Ziel eures Glaubens erlangt, nämlich der Seelen Seligkeit.

 

Liebe Gemeinde,

 

was für ein herrliches Loblied, das uns mit starker Hoffnung erfüllen will! Die Kommentatoren meinen, ursprünglich sei es ein Tauflied gewesen. Eine Lied, das eine kleine Gemeinde von Christen zusammen mit gerade getauften Menschen gesungen habe.

 

Wie anders sind die Christen damals zusammengekommen als wir heute in unseren liturgisch geordneten Gottesdiensten. Damals – irgendwo in Kleinasien, der heutigen Türkei – vielleicht in einem Gebiet, in dem heute Kurden sich vor türkischen Milizen fürchten – da hielten sie immer am Sonntag nach Ostern – also heute – ihre Tauffeiern: Vermutlich irgendwo im Freien, an einem Flusslauf.

 

Christen waren sie wie wir – und doch lange vor uns lebend.

 

                                                                       I

 

Und nun  will ich diesen Ausdruck „vor uns lebend“ einmal im umgekehrten zeitlichen Sinn verstehen: Christen waren sie, die vor uns sind, uns  voraus, uns „schon vorangegangen“. Sie sind wie Menschen an der Spitze eines unendlich langen

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Pilgerzuges. Und von weit vor uns rufen sie uns zu, dass sie das Ziel schon vor sich sehen.

 

Hier hinten bei uns, da ist von diesem Ziel noch nichts zu sehen, wir sind nioch unterwegs durch wechselnde Etappen unseres Lebens, mal blühende Landschaften, aber auch Wüstenstrecken. Wir hier hinten sind in Gefahr, am liebsten  stehenbleiben zu wollen oder gar sehnsüchtig zurückzuschauen. Aber nun  helfen uns die da ganz vorn, sie sehen das Ziel, und was sie da sehen, das ist so, dass sie in Entzücken und jubelnde Freudenrufe ausbrechen: Gelobt sei Gott! jubeln sie.

 

Was sie dort vor dem Ziel als letzte und endgültige Wirklichkeit erblicken, das lässt sie also nicht Schreckensrufe ausstossen, sie sehen eben nicht, wie alles im  Nichts versinkt und in Finsternis und Verderben endet. Das könnte ja auch sein, dass uns dies am Ende, im Tode erwarten würde. So wie mir das kürzlich bei einem Trauerbesuch eine Frau sagte: Sie habe so Angst, dass sie im Tode in Dunkel geraten, in Finsternis fallen würde. Aber ich konnte ihr stattdessen mit unserm Predigttext sagen: Die da vorn jedenfalls sehen ins Licht der Auferstehung hinein, in ein von Gott selbst ausgehendes Licht, von dem einerseits geradezu unerträgliche Heiligkeit ausstrahlt, zugleich aber, dies gleichsam durchdringend und überwältigend – das Licht eines solch beseligenden Erbarmens, dass in diesem Licht auch all das, was ihnen in ihrem Leben als hart und schwer, ja als quälend, rätselhaft und schrecklich erschien, nun verklärt ist und  also in seinem Sinn durchschaubar wird – sie sehen in ein Licht, für das ihnen nur zwei Worte angemessen erscheinen, die Worte: Seligkeit und unaussprechliche Freude.

 

                                                                       II

 

Das, was sie dort sehen, das wird in unserm Tauflied mit dem Wort „Erbe“ bezeichnet.

 

Erbe, Erbteil: Das ist biblische Sprache, erinnern wir uns an den 16. Psalm, und blicken wir jetzt einmal weit, weit zurück, bis in die Anfänge des Volkes Gottes. Da verspricht Gott dem Abraham und später dem Mose: Ihr sollt ein Erbteil bekommen, ein Land, in dem Milch und  Honig fliesst. Wenn Gott dieses Land als Erbteil bezeichnete, dann sagte er seinem Volk damit: Es fällt euch zu, gleichsam wie ein Geschenk, wie etwas, um das ihr euch selber überhaupt nicht bemüht habt.

 

So ist das ja auch heute manchmal. Da ist etwa in Stadtwald eine alte Dame kinderlos gestorben, sie hat allein in ihrem grossen Haus gelebt, und jetzt fällt einem Neffen, der sich nie gross um sie gekümmert hat, dieses Haus als Erbteil zu.

 

Und so ist das auch mit uns Christen! Ein Erbe liegt für uns  bereit, das wir nicht aufgrund eigener Mühe und Arbeit bekommen, sondern aufgrund der Mühe und  Arbeit eines Andern. Er hat sich schwer dafür abgearbeitet, ja sogar entsetzliche Folterqualen dafür auf sich genommen – siehe den Film „Passion Christi“ von Mel Gibson – und uns  fällt es jetzt als Geschenk in den Schoss!

 

Und darum jubeln die da vorn ja auch so staunend und völlig überrascht! Denn im Licht der Auferstehung sehen sie ja ihr ganzes Leben mit all seinen Flecken und

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Dunkelheiten darin, mit all dem Bösen und der Schuld, die man so gern vertuschen,  bemänteln, verdrängen will – aber nun erkennen sie glasklar: Eigentlich haben wir von  Gott nicht gerade Gutes verdient, gerechterweise sogar eine Verurteilung – aber nun stattdessen dies: Seligkeit! Unaussprechliche Freude! Und sie erkennen: Das verdanken wir Jesus.

 

Im einzelnen ausgemalt wird dieses herrliche Erbteil aus guten Gründen nicht. Es ist nicht so wie bei den Touristik–Hochglanzprospekten, wo die sog. „Urlaubsparadiese“ in betörenden Bildern vor Augen  geführt werden. Oder wie der „Siebte Himmel“ im Volksglauben der Moslems – wo den Kämpfern im Dschihad, dem „heiligen Krieg“, verheissen wird, dass unmittelbar nach ihrem Märtyrertod köstliche Wein-, Weib- und Gesangfreuden auf sie warten.

 

Hier hören wir nur, was dieses Erbe in jenem Land, in dem Seligkeit und Freude regieren, nicht ist:

 

-                     Es ist unvergänglich, es gibt also keine Zeit, also auch keine Langeweile mehr

-                     Es ist unbefleckt: Das Leben dort ist nicht mehr behaftet oder besudelt durch Gewalt, Schuld und Schande

-                     Es ist unverwelklich, es gibt keine Gebrechlichkeit, keine Hinfälligkeit, kein Abschiednehmenmüssen mehr.

 

III

 

Und wer dies im  Glauben annimmt, und wer sich also darauf freut, von dem sagt unser Lied: Er ist „wiedergeboren zu einer lebendigen Hoffnung“.

 

Vielleicht wissen Sie, dass es in den USA und anderswo Christen gibt, die sich selbst als „wiedergeboren“, „reborn“ bezeichnen. Sie sagen: Nur der ist wirklich Christ, der sich selber als „wiedergeboren“ bezeichnen kann und dem man das auch anmerkt.

 

Einerseits: Es ist sicher eindrucksvoll, wenn man Christen ihren Glaubeneifer anmerken kann. Andererseits: Liegt dann nicht doch ein ständiger Druck auf ihnen? Und vor allem: Kann man das überhaupt von sich selber sagen: Ich bin ein wiedergeborener Christ!? Sollen wir nicht jedes Urteil auch über unseren Glauben ganz Gott überlassen?

 

Ich jedenfalls weiss von mir: Ich habe zwar eine neue Aussicht, aber oft genug noch kein neues Aussehen; erlöst sehe ich allzuoft nicht aus.

 

Wiedergeboren, das heisst: Wir sehen die Welt und uns neu. So wie  ein  Säugling bei seiner Geburt die Augen aufschlägt und alles ganz neu sieht, eine neue Welt -  so wie er nicht mehr im  Dunkel des Mutterleibes ist, sondern im Licht der Schöpfung Gottes, so sehen wir durch die Auferstehung Jesu uns und die Welt im neuen Licht: Im Licht seines Ostersieges.Wir sehen uns und die Welt unterwegs zur Erlösung . Wir sehen uns, wie Gott uns sieht: Als eine „Gemeinschaft der Heiligen“, als Menschen, die Ihm heilig sind.

 

 

 

 

 

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                                                                       IV

 

Und wer sich so von Gott angesehen weiss, für den ist nun dreierlei kennzeichnend:

 

(1)       Er weiss: Ich werde „aus Gottes Macht durch den Glauben bewahrt“. Also: Glaube ist wichtig! Wir sollen uns im Glauben üben, uns  um den christlichen Glauben bemühen, so das wir - erleuchtet vom Glauben -  Verführungen durchschauen können und ihnen also nicht verfallen. Aber das Wesentliche tut Gott, muss Gott tut. Er muss uns bewahren. Wir wissen vermutlich alle nicht, wie oft wir schon von Gott und seinen Engeln bewahrt worden sind.

 

(2)              Es wird Zeiten geben, in denen wir „traurig sind in mancherlei Anfechtungen“.

Damals war es die Situation brutaler Christenverfolgungen unter Kaiser Diokletian.  Und heute? Wie ist das bei Ihnen? Auch Sie werden Anfechtungen kennen. Gerade Menschen, denen es ernst ist mit dem Glauben, kennen Glaubensbedrängnisse nur zu gut. Aber in unserem Loblied hören wir: Sie dienen zu etwas, nämlich dazu, dass unser Glaube geläutert und gefestigt wird und es wird uns  sogar verheissen: Solcher Glaube, der sich in  Anfechtungen  bewährt hat, der wird uns einmal, wenn wir Jesus sehen werden, „zu Lob, Preis und Ehre gereichen“.

 

(3)       Schliesslich, das vielleicht wichtigste Kennzeichen für Menschen, die „wiedergeboren sind zu einer lebendigen Hoffnung“: Sie haben „Jesus nicht gesehen

und haben ihn doch lieb“.

 

Vielleicht ist das überhaupt die schönste Definition des christlichen Glaubens. Christlicher Glaube bedeutet: Jesus liebhaben.

 

Darum: Der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in ihm, unserem Herrn. Amen. 

 

 

 




Weitere Predigten von Pfarrer Martin Quaas, Essen-Rellinghausen, finden Sie unter www.martin-quaas.de/predigten.