Predigt über 2. Korinther 13, 11-13 (Sonntag Trinitatis, 26.Mai 2002)
Lieder: Wunderbarer
König...327
Gelobet sei mein Gott...139
Anbetung, Ehre, Dank und Ruhm...281, 3
Brunn alles Heils, dich ehren wir...140
Psalm 145 i.A,
Lesung: Jesaja 6, 1
- 8
Liebe Gemeinde,
der für den heutigen
Sonntag Trinitatis vorgeschlagene Predigttext ist der Schluß des 2.
Korintherbriefs, drei Verse, den letzten hören wir oft als sog. Kanzelgruß.
Paulus schreibt in 2. Kor.13 Vers 11-13:
Zuletzt, ihr Geliebten, freut euch, laßt euch zurechtbringen, laßt euch mahnen, habt einerlei Sinn, haltet Frieden! So wird der Gott der Liebe und des Friedens mit euch sein.
Grüßt euch untereinander mit dem heiligen Kuß. Es
grüßen euch alle Heiligen.
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen!
Liebe Gemeinde,
vor einer Zeit
erzählte mir ein Gemeindeglied von einem in der Erziehungsberatung tätigen
Psychologen. Er habe ein verhaltensgestörtes Kind drei Stunden lang anhand von
Spielen, Fragen, Tests untersucht, um dann zu dem Ergebnis zu kommen: dem Kind
fehlt Liebe!
Und er sagte: Hätte
man das nicht auch so wissen können?
Nun sagte ich ihm
dem Sinn nach schon: Er als Fachmann
wird den für das Kind Verantwortlichen sicher auch eine Reihe notwendiger
konkreter Vorschläge und Hinweise gegeben haben, aber im Prinzip hat dieses
Gemeindeglied ja sicher recht. Wenn wir einmal eine Umfrage machen würden: Was
ist das wichtigste Heilmittel im Leben von uns Menschen miteinander, auch im
Zusammenleben der Völker, was ist das
wichtigste und beste Heilmittel gegen Krankheiten seelischer, aber auch
körperlicher Art, was ist das beste Heilmittel in allen möglichen familiären,
aber auch beruflichen Streitereien – alle würden sagen: Liebe! Also dem Andern
sich herzlich und freundlich zuwenden, ihm mit Interesse und Hochachtung
begegnen, ihn spüren lassen, daß er wichtig, wertvoll und schön ist.
Nur: Solche Liebe
hat keiner von uns in sich – wo sollen wir Egoisten sie auch hernehmen? Einer
müßte anfangen mit lieben – müßte uns
voller Liebe und Freude ansehen, müßte uns liebevoll begegen, müßte uns
zeigen, daß wir ihm am Herzen liegen.
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Gott hat angefangen, sagt Paulus und mit ihm die ganze Bibel. „Gott hat uns zuerst geliebt“. (1.Joh.3). Oder, wie es ein schöner Spruch sagt, den ich irgendwo las: Viel mehr als der Mensch Gott sucht, sucht Gott den Menschen.
Aber wir wenden
vielleicht sofort ein: Wo ist das denn zu spüren und zu sehen, daß Gott so
liebevoll an uns interessiert ist? Bei
all dem Leid, das es gibt und das Gott zuläßt...?!
Und nun achten wir darauf: der Apostel Paulus beginnt seinen Segenswunsch für die Gemeindeglieder in Korinth garnicht mit der „Liebe Gottes“, sondern mit der „Gnade unseres Herrn Jesus Christus“.
Paulus hatte, bevor
er Christ wurde, einen starken Glauben
an Gott, er eiferte für Gott, für die Rechtgläubigkeit, er verfolgte diese
neue, in seinen Augen
gotteslästerliche Sekte der Christen mit glühendem religiösen Eifer – bis der auferstandene Jesus selbst ihm im Lichtglanz Gottes vor Damaskus begegnete, so daß er drei Tage lang blind wurde und danach alles mit neuen Augen sah. Seither erkannte er die Liebe Gottes in der Gnade Jesu Christi.
Christlicher Glaube
beginnt also bei Jesus und endet auch bei ihm. Der große Kirchenführer Martin
Niemöller sagte einmal, bewußt provozierend: Wenn Jesus
nicht wäre, wäre ich
Atheist. Aber weil er in Jesus die Liebe Gottes fand, darum wurde er ein
geradliniger, mutiger, aufrechter Christ.
Ich weiß: Viele auch
in unserer Gemeinde sagen oder denken:
Jesus war sicher ein guter Mensch. Aber daß er Gottes Sohn war, das kann ich
nicht glauben. Jesus und Gott selbst muß man voneinander trennen. Gott ist doch
sozusagen „droben überm Sternenzelt“, er ist absolut unbegreiflich,
unergründlich, undurchschaubar.
Und Paulus würde antworten: Ja, auch ich finde Gott unbegreiflich und unfaßlich. Aber das eigentlich Unbegreifliche, Unerforschliche, Unfaßliche an Gott ist gerade dies, daß er so tief herunterkommt aus Liebe zu uns und weil er bei uns sein will. Nicht mehr„oben“, nicht mehr „über uns“, sondern unten bei uns will er sein – so wie es eine schöne von Martin Buber überlieferte Geschichte sagt: Der Schüler kommt zu seinem Rabbi und fragt ihn: Meister, es wird erzählt, früher hätten Menschen Gott von Angesicht gesehen. Warum geschieht das heute nicht mehr? Darauf der Rabbi: Weil sicn heute niemand mehr so tief bücken will.
Unten will Gott
sein, in einem Baby sich finden lassen, darum kommt er in einer Krippe zur
Welt. Bei denen will er sein, die über die Traueranzeige das eine Wort: Warum? schreiben, darum
geht er in eine Lebenssitauation, wie sie tiefer nicht möglich ist: In einen
Folterod an einem Kreuz, zwischen zwei Terroristen hängend – dorthin, wo Jesus seine Gottverlassenheit
herausschreit.
Eine Schwäche hat er
für die Schwachen – nicht aber für die Starken! Und das gilt übrigens auch für
die Bereiche der Politik und der Wirtschaft. Eine „Politik der Stärke“ und eine
Wirtschaft auf Kosten der Schwachen ist nicht in Gottes Sinne.
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Gott, der in Jesus
ein schwacher Mensch wird, löst nicht die Probleme unseres Lebens auf, aber er
kommt in die Grundprobleme des Lebens hinein: In die Sorge, um uns zur einzig guten Sorge, der Fürsorge,
zu ermutigen; in die Angst, um sie zu stillen und uns Mut zu geben und
unbeirrbares Vertrauen darauf, daß Er unser Leben – auch und gerade, wenn wir
in Schwierigkeiten geraten- gut führt; in die Schuld, um
deren Last uns durch Vergebung abzunehmen; in das Leid, um es mit uns gemeinsam zu tragen und in
den Tod, um
da, wo kein Mensch bei uns sein kann, bei uns zu sein.
Also in der Gnade
Jesu Christi, in seiner Zuwendung finden wir die Liebe Gottes zu uns.
Nun können Menschen
dazu sagen, wie weiland Goethes Faust: „Die Botschaft hör
ich wohl, allein mir fehlt der Glaube“. Und darum wünscht Paulus uns als Drittes: die „Gemeinschaft des
Heiligen Geistes“. Denn er allein kann das bewirken, daß wir glauben – und dann
auch hoffen und lieben können. Der Heilige Geist stiftet das: Innige
Gemeinschaft mit Gott und gute Gemeinschaft miteinander.
Im Grunde wünscht
Paulus den Korinthern und uns das Schönste, was man nur fürs Leben wünschen
kann: Freude. Liebe. Frieden. In den Kapiteln vorher kann man spüren, daß er
unglaublich aufgewühlt, im Innersten erregt war. Er kämpfte mit aller
Leidenschaft dafür, daß die Gemeindeglieder in Korinth doch Gottes Weisheit in
dem gekreuzigten Jesus erkennen möchten. In einer Mischung aus Zärtlichkeit und
Zorn, Drohen und Flehen wirbt er um Glauben, hält ihnen schließlich in 1. Kor.
11 eine Rede, die er selbst eine „Narrenrede“ nennt, weil er darin sich selbst
mit seinen Stärken und Gaben rühmt, und die dann darin gipfelt, daß Gott zu ihm gesagt habe: „Laß mir an deiner Gnade genügen, denn meine Kraft ist in den Schwachen
mächtig“. Und dann – so wie ein
stürmisch aufgewühltes Meer schließlich nach dem Sturm wieder spiegelglatt und
ruhig werden kann – dann kommt er in diesen letzten Särtzen seines Briefs
schließlich zu ganz friedvollen Tönen: Freut euch! schreibt er. Ihr habt ja doch so viel Grund
zur Freude. Und haltet doch Frieden, gebt euch wieder den heiligen Kuß.
Solch ein Friedenskuß war in Korinth üblich nach der Verkündigung, vor der Mahlfeier – auf uns übertragen: also gleich nach meiner Predigt, vor der Abendmahlsfeier. Eine Geste,die mehr als Worte sagen konnte. So wie es bei uns ja auch spontan zu einer herzlichen Umarmung, einem Händedruck, einem Streicheln kommen kann - natürlich kann man so etwas nicht machen, kann es nicht befehlen, sozusagen Gemeinschaft auf Kommando herstellen – sondern wenn unser Herz voll ist, dann äußern wir das auch mit Mund und Händen.
Ja – Friede und Freude können trotz allem unser Leben und Zusammenleben regieren und erfüllen. Freude und Friede, wenn wir uns der Gnade Christi öffnen, in der wir die Liebe Gottes finden. Die Kraft, die das bewirkt, ist der Heilige Geist, der uns Gott als Vater erkennen lehrt und uns bei Jesus Christus erhält. Darum: Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus unserm Herrn. Amen