(Pfarrer
Martin Quaas)
Gnade sei mit
euch und Friede von Gott unserm Vater und dem Herrn Jesus Christus.
Nun, liebe
Gemeinde, hören wir auf die
Weihnachtsgeschichte des Paulus. Ganz anders ist sie als die des Lukas. Bei
Lukas eine herrliche Erzählung voll wunderbarer tief eindringender Bilder – bei
Paulus ein einziger Satz von geradezu unauslotbarer Tiefe.
Ihr kennt die Gnade
unseres Herrn Jesus Christus,
schreibt er. Obwohl er reich ist, wurde er doch arm um euretwillen, damit ihr durch
seine Armut reich würdet.
Um Armut und
Reichtum geht es also, und damit im Grunde um das Hauptthema der Weltgeschichte
– und auch um das Grundproblem der
heutigen Welt. Denn wenn die Politiker sich – was sie kaum tun – um eine
gerechtere Weltwirtschaftpolitik bemühen würden, hätten wir sicher viele
Probleme nicht, die uns in Trauer und Entsetzen stürzen.
Seht auf
Christus! sagt Paulus allen Christen und auch jedem von uns jetzt hier. Er, der
reich ist, wird um eurettwillen arm, um euch gerade durch seine Armut reich zu
machen. Merkwürdig. Wie kann einer, der reich ist, freiwillig arm werden
wollen? Das ist unter uns Menschen
jedenfalls selten. Obwohl’s das auch gab, zum Beispiel Franz von Assisi.
Und: noch merkwürdiger: Wie kann einer ausgerechnet durch seine Armut Andere
reich machen?
Gehen wir den
Weg Christi, den Paulus hier beschreibt, in Gedanken nach.
I
1. Der reiche Gott
Ähnlich wie
der Evangelist Johannes fängt auch Paulus nicht mit der irdischen Geburt Jesu
an (die hat ihn, den Denker und Junggesellen, vermutlich wenig interessiert),
sondern er beginnt mit dem eigentlichen Anfang, mit dem Ursprung der Geschichte
Jesu: Jesus, so sagt er, kommt unmittelbar von Gott her, sein Ursprung ist der
Reichtum Gottes.
Ja aber – ist
Gott denn reich?
Sicher, müssen
wir sofort sagen. Unermeßlich reich.
Er ist ja der
Schöpfer des Universums, ihm allein gehört das ganze Weltall mit seinen
unzähligen Sternen, Spiralnebeln, Milchstraßen, mit seinen unausforschlichen
Wundern und Geheimnissen, mit allen Schätzen und allen Bodenschätzen allein auf
unserem Winzling Erde und ihm allein gehören auch alle Lebewesen, die es auf
unserer Erde und vielleicht sonst irgendwo im All gibt.
2
Und Gott ist
offenbar auch überaus reich an Gedanken und an Phantasie: Jeder Mensch, so hat
jemand mal gesagt, jeder Mensch ist ein Gedanke Gottes – und nun wiederum jeder
einzelne Mensch – wie unübersehbar vielfältig ist das Leben eines jeden von
Euch hier an Gedanken und Gefühlen, Worten, Erlebnissen, Sorgen, Begegnungen
mit Menschen...
Und welch ein
Reichtum an Phantasie Gottes auch, wenn wir an die unglaubliche Vielfalt seiner
Geschöpfe denken: Seekühe, Giraffen,
Nilpferde, Bienen, diese überaus kunstreichen Tierchen, und Ameisen, und
Spinnen, die die wunderbarsten (und so gefährlichen) Netze herstellen, all die
exotischen Fische, die Schmetterlingsarten...
Und
schließlich: Reich ist Gott sicher auch an Risikobereitschaft. Als er uns
Menschen schuf - da ist er offenbar ein
hohes Risiko eingegangen. Ob er hat voraussehen können, wie gewalttätig wir
Menschen miteinander umgehen würden, auch heute noch, als hätten wir seit der
Steinzeit nichts dazu gelernt, hat er vorausgesehen, wie wir Menschen unsere
Mitgeschöpfe, viele Tiere, behandeln
würden - so als seien sie
Versuchsobjekte und Industrieprodukte? Und hat er damit gerechnet, was wir mit
der Erde anrichten würden, diesem (wie
die Astronauten sagen) kostbaren Juwel, diesem Edelstein?
Nun, Gott sei
Dank: Gott ist offenbar auch überaus reich an Möglichkeiten zu handeln. Er kann
aus Bösem Gutes werden lassen, er kann da, wo für uns alles zuende ist, einen
neuen Anfang setzen. Und er, der reiche Gott, kann sogar für sich freiwillig
die Armut wählen. Und er hat das getan – um unsertwillen.
II
2. Der arme Gott
Zur Zeit des
Herodes ist er arm geworden, der reiche
Gott.
Denn: Wenn wir
nun auf das irdische Leben Jesu sehen: Daß Jesus reich war, kann man jedenfalls
nicht von ihm sagen. Allerdings kam er sicher auch nicht in solch bitterer
Armut oder auch bitterer Kälte zur Welt, wie das manche erbaulichen
Weihnachtserzählungen ausmalen. Aber: In schlichtesten Verhältnissen wird er
geboren, sein Leben ist von Anfang an bedroht, er muß mit seiner Familie auf
die Flucht, als Erwachsener hat er jedenfalls weder Grundbesitz noch eine
eigene Wohnung. Immerhin: Er hat
wahrscheinlich kaum je hungern müssen, aber am Ende ist er allerdings in
tiefster Armut. Als er stirbt, hat er buchstäblich nichts Eigenes mehr, er endet
in absoluter Verlassenheit, nackt und bloß, erniedrigt, verspottet.
Aber
zugleich: Welch ein Geheimnis in diesem
Leben! Welch ein unerhörter Reichtum inmitten der äußeren Armut dieses Lebens.
Reichtum – man kann es nur mit diesem
viel strapazierten Wort sagen – Reichtum an Liebe. Nicht Liebe als Gefühl,
schon gar nicht kriecherische Liebedienerei, seine Liebe kann auch die Gestalt
des Zorns annehmen, sich in harten Gerichtsworten äußern und
3
entschiedenem
Nein zu bestimmten Verhaltensweisen. Aber es ist immer Liebe. Liebe bis in den
Tod.
III
3. Der arme Gott, der uns reich macht.
Paulus und
unsere Weihnachtslieder sagen: Das hat er alles uns getan....um uns durch seine
Armut reich zu machen.
Uns will er
reich machen. Dich. Mich.
Aber: Sind wir
nicht schon reich? Sicher: Nicht so reich wie Königin Elisabeth oder die
Albrecht-Brüder oder die Verfasserin der Harry Potter Bücher – aber einiges
haben
wir schon...in
unseren Wohnungen... auch auf unseren Konten.
Oder: Könnte
es sein, daß wir vielleicht doch nicht reich sind, sondern arm? Vielleicht bettelarm? Verbergen wir
vielleicht unsere Armut nur vor anderen, verstecken wir sie unter eleganter
Kleidung? Gott sieht ja in das Verborgene. Gott sieht deinen Kummer, sieht die
Tränen, die Du sogar vor deinen nächsten Angehörigen verbergen konntest. Gott
möchte nicht, daß du arm dran bist.
Gott möchte
dich durch seine Armut gern reich machen.
Zum Beispiel:
reich an Freude. Ich muß von mir persönlich sagen: Jesus ist für mich immer
wieder eine Quelle der Freude und des Staunens. Seine Worte zu befolgen, das
bringt einfach Freude ins Leben, von ihm zu erzählen, etwa im Unterricht oder
in Schulgottesdiensten, das macht Freude!
Und es kann
tiefe Freude in uns wecken, wenn wir das auf uns beziehen, was das Evangelium
von ihm sagt: Daß wir Angst, Sorge und Schuld, die uns belasten, bei ihm
abladen können, daß wir in der Zuversicht leben können: Er und kein anderer hat
und spricht das letzte Wort – Er und
nicht George Bush, und nicht Bin Laden,
sondern sie werden sich Beide einmal vor Ihm verantworten müssen. Und es kann
uns einen tiefen Trost und starken Mut geben, zu wissen, daß hinter dem Tor des
Todes uns Er erwartet und mit ihm Licht
und Seligkeit...So wie es Paul Gerhardt dichtet – wir haben’s gestern im
Weihnachtsoratorium gehört: „...mit dir
will ich endlich schweben voller Freud, ohne Zeit, dort im andern Leben...“
Weiter: Er
macht unser Leben reich an Vertrauen – Vertrauen zu Gott und auch zu Menschen. Wir können durch Jesus zu
dem Vertrauen finden: Da, wo Gott uns Schwierigkeiten schickt, hat er doch vielleicht gerade Gutes für unser Leben vor.
Also halte durch! Und Jesus hilft mir
auch, mich Menschen immer wieder vergebend und vertrauensvoll zuzuwenden. Er
hilft, bei Anderen nicht vorrangig das Negative zu sehen – das vielzitierte
mobbing, das ja tatsächlich grassiert - sondern die Menschen, denen ich
begegne, als von Gott hochgeachtet anzusehen.
4
Weiter: Er
macht uns reich an Gemeinschaft. Die Soziologen nennen uns ja die „egoistische
Gesellschaft“ – jeder ist auf sich fixiert. Aber darum ist die Gemeinde so
wichtig, oder auch Kinder- und Jugendfreizeiten: Hier lernt und erfährt man
Gemeinschaft. Und auch sonst im Leben unserer Gemeinde: Wie reich können wir
durch Begegnungen mit andern Menschen
in ihr werden. Wie gut tut etwa auch unseren älteren Gemeindegliedern die
Teilnahme im Seniorenkreis! Jeder Nachmittag ist so etwas wie ein Jungbrunnen!
Und: Er macht
uns reich an Luxusgütern. Ja - Ihr habt richtig gehört. Der Schriftsteller Hans
Magnus Enzensbeger sagte das vor einiger Zeit: Die eigentlichen heutigen
Luxusgüter seien: Zufrieden sein, Zeit sinnvoll gestalten, Stille finden...Und
diese
Luxusgüter sind in der Tat bei Jesus zu finden und von ihm zu haben. Übrigens
läßt er uns darüber ein Lebensgesetz erkennen: Je mehr innerer Reichtum, desto
weniger brauchen wir materielle Güter und also ist es für uns selbst gut und
bereichernd, wenn unsere Gesellschaft ärmer wird – und andere Menschen durch
unser Ärmerwerden reicher. Und ich muß schon sagen: Ich sehne mich sehr danach,
daß dieser
Überfluß, dieser Materialismus bei uns endlich aufhört, oder jedenfalls
vernünftige Formen annimmt.
Ein Volk ohne
Religion, ohne Glaubenssubstanz hat keine Zukunft, es verdirbt. Aber Gott will
nicht, daß wir verderben. Darum laßt uns das zu Herzen nehmen und und uns
darüber freuen: Der ewigreiche Gott will uns, indem er arm wird, reich machen.
Reich an Freude, an Vertrauen, an Gemeinschaft, reich an Kostbarkeiten wie
Zufriedenheit, Stille, sinnvollem Leben. Laßt uns das bewahrheiten, was Paul
Gerhardt sagt: Hier, bei dem Kind, das ein Mann wird, „sind alle guten Gaben
und das Gold, da ihr sollt euer Herz mit laben“!
Amen