Predigt über 2. Mose 16, 2-3.11-21 (14. Juli 2002)

 

Lieder:

Nun preiset alle Gottes Barmherzigkeit...502, 1-4

Ich singe dir mit Herz und Mund...324, 1-3.15-18

Nun danket alle Gott...321, 1+2

Komm, Herr, segne uns...170

 

Psalm 34 i.A.

Lesung: Johannes 6, 30 - 35

 

Liebe Gemeinde,

 

der für diesen Sonntag vorgesehene Predigttext ist ein Ausschnitt aus der berühmten Geschichte vom Manna in der Wüste. Gerade mal sechs Wochen ist es her, daß die Israeliten das Sklavendasein in Ägypten hinter sich gelassen haben und unter Gottes Führung durch die Wüste wandern, dem verheißenen Land entgegen – da fangen sie schon an zu jammern und zu schimpfen und wollen zurück. In 2. Mose 16 von Vers 2 an heißt es:

 

Und es murrte die ganze Gemeinde der Israeliten gegen Mose und Aaron in der Wüste.

Und sie sprachen: Wollte Gott, wir wären in Ägypten gestorben durch des Herrn Hand, als wir bei den Fleischtöpfen saßen und hatten Brot die Fülle zu essen. Denn ihr habt uns dazu herausgeführt in die Wüste, daß ihr diese ganze Gemeinde an Hunger sterben laßt...

Und der Herr sprach zu Mose:
ich habe das Murren der Israeliten gehört. Sage ihnen: Gegen Abend sollt ihr Fleisch zu essen haben und am Morgen von Brot satt werden und sollt innewerden, daß ich, Jahwe, euer Gott bin.

Und am Abend kamen Wachteln herauf und bedeckten das Lager. Und am Morgen lag Tau rings um das Lager.

Und als der Tau weg war, siehe, da lag’s in der Wüste rund und klein wie Reif auf der Erde.

Und als es die Israeliten sahen, sprachen sie untereinander. Man hu ? (d.h. Was ist das?) Denn sie wußten nicht, was es war. Mose aber sprach zu ihnen: Es ist das Brot, das euch der Herr zu essen gegeben hat.

Das ist’s aber, was euch der Herr geboten hat: Ein jeder sammle, soviel er zum Essen braucht, einen Krug voll für jeden nach der Zahl der Leute in seinem Zelte.

Und die Israeliten taten’s und sammelten, einer viel, der andere wenig.

Aber als man’s nachmaß, hatte der nicht zuviel, der viel gesammelt hatte, und der nicht zuwenig , der wenig gesammelt hatte. Jeder hatte gesammelt, soviel er zum Essen brauchte.

Und Mose sprach zu ihnen: Niemand lasse etwas davon übrig bis zum nächsten Morgen.

Aber sie gehorchten Mose nicht. Und manche ließen davon übrig bis zum nächsten Morgen; da wurde es voller Maden und stinkend. Und Mose wurde zornig auf sie.

 

 

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Sie sammelten aber alle Morgen, soviel ein jeder zum Essen brauchte. Wenn aber die Sonne heiß schien, zerschmolz der Rest, der nicht aufgesammelt worden war.

 

 

 

Liebe Gemeinde,

 

Menschen haben Hunger. Damit beginnt diese Wundergeschichte. Ob manche von Ihnen noch wissen, was Hunger ist? Ich, 1941 geboren, weiß es noch ein bißchen aus der Nachkriegszeit. Wir wuchsen ja zu neun Geschwistern auf, es gab zu Hause abends meist nur eine Schnitte Brot für jeden, hin und wieder mittags eine Suppe, die wir „Baumstammsuppe“ nannten, weil da merkwürdig holzige Gemüsestiele drin herumschwammen... - Nun, wie auch immer, seit vielen Jahren kennen wir hier keinen Hunger mehr. Unsere Sorge ist bei keinem von uns: Wie bekomme ich für

mich und meine Lieben etwas zu essen? Sondern bei den meisten stattdessen: Wie bekomme ich das Zuviel an Pfunden los?.

 

Wir sind also nicht so dran wie in unserer Geschichte das Volk Israel. Sondern wir sind eher dort, wohin sie zurückwollen: zu  den Fleischtöpfen in Ägypten, auch wenn sie dafür ein versklavtes Leben in Kauf nehmen müssen. Hauptsache gutes Essen.

 

Der Apostel Paulus spricht einmal im Philipperbrief drastisch von den Menschen, „deren Gott der Bauch“ ist (Phil. 3, 19). An diesen Ausdruck muß ich manchmal denken. Was für einen unglaublichen Aufwand treiben wir, bei dem sich alles darum dreht, uns den Bauch zu füllen mit den raffiniertesten und übertriebendsten Dingen. Gewiß, neben der Vergötzung des „Bauches“, neben dem sog. „Körperkult“ gibt’s ja auch bei uns auch den Glauben an Gott. Und auch die Israeliten reden ja in fromm klingender Rede davon, wenn sie sagen: „Wollte Gott, wir wären in Ägypten gestorben durch des Herrn Hand...“. Aber der biblische Gott ist das nicht, von dem sie hier reden.  Der Gott der Bibel – der  führt heraus aus Sklaverei, führt durch die Wüste, dem verheißenen Land entgegen, der führt in freies, nicht abgesichertes Leben...Wie gut, daß wir die biblischen Texte haben, die unseren Lebensstil infragestellen, die uns zu einem Leben helfen können ganz anders als das gegenwärtig übliche: Nicht mehr angefüllt mit äußerem Konsum, wobei wir innerlich immer leerer werden, sondern erfüllt mit innerer, seelischer Kraft und Substanz, so daß wir das allzuviele Äußerliche garnicht mehr nötig haben. Und dazu will uns auch unser heutiger Text helfen.

 

Die Israeliten murren, sie suchen – typisch menschlich – einen Sündenbock, einen, auf dem sie herumhacken können, sie klagen ihre Führer Mose und Aaron gehässig an: „Nur dazu habt ihr uns herausgeführt in diese Wüste, damit diese ganze Gemeinde hier an Hunger stirbt“. Immer kritisiert man herum an denen, die zu leiten haben. Es ist anscheinend nur noch Mose allein, der auch jetzt noch der Führung Gottes vertraut. Und Gott, zu dem er regelmäßig betet, sagt zu ihm: Ich werde für mein Volk so sorgen, daß es merkt: Ich bin Jahwe, euer Gott.

 

Und dann empfangen sie von Gott zu essen: Fleisch und Brot. Also auch etwas Fleisch, aber  vor allem – darauf liegt die Betonung – Brot. Das berühmte Manna.

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Noch heute, so kann man in biblischen Kommentaren lesen, lassen sich Wachteln auf ihrem Flug über die Wüste Sinai ermattet in der Wüste nieder und sind dann kinderleicht zu fangen. Und noch heute essen Beduinen dieses Manna: den durch den Stich von Schildläusen bewirkten honigsüßen Ausfluß aus Tamariskenbäumen,

der auf die Erde tropft und über Nacht hart wird – also so etwas wie kleine Honigsemmeln.

 

Natürliche Dinge also, die aber für das Volk Israel zum Wunder werden. Denn sie staunen: Man – hu? (daher ja der Name Manna). Auf deutsch: Was ist das? Sie staunen, daß Gott sie gegen alle Erwartung so überraschend versorgt.

 

Man – hu? Was ist das? Und Mose sagt’s ihnen, indem er erklärt und deutet: Es ist das Brot, das euch Gott der Herr zu essen gegeben hat.

 

Dazu sind wir Pastoren zum Beispiel auch da, und auch dazu ist es gut, in den Gottesdienst zu gehen, daß wir sagen und hören, was wir so schnell und leicht vergessen: Wenn wir zu essen und trinken haben, ist das Gottes Gabe für uns. „Er

gibet Speise“, wie wir eingangs gesungen haben. Ihm verdanken wir alles. Das zu beherzigen, hebt die Lebensqualität enorm, bringt Tiefe und Fülle ins Leben. Dazu einen Satz von Dietrich Bonhoeffer, den ich gerade las: „Wir hindern Gott, uns die großen geistlichen Gaben zu schenken, die er für uns bereithält, weil wir für die täglichen Gaben nicht danken“.

 

Wir werden Gott also unsere Dankbarkeit sagen, wenn es uns gut geht, wenn wir und unsere Familienangehörigen gesund sind und wir nicht etwa einer Katastrophe zum Opfer fallen, wie kürzlich die Kinder und jungen Menschen bei dem Flugzeugzusammenstoß am Bodensee. Und als ich las, die Menschen in Überlingen hätten gesagt: Da haben wir aber einen Schutzengel gehabt, mußte ich doch denken: Ja, aber muß nicht  der Hauptgedanke den armen Menschen gelten, die nicht bewahrt wurden, sondern so jung sterben mußten, und  ihren Angehörigen mit all ihrem Leid? Gott läßt ja wirklich Furchtbares und Unbegreifliches zu, der Gott, von dessen Fürsorge wir hier hören, scheint ja manchmal auch ganz im Gegenteil Menschen unversorgt zu lassen und Leben zu zerstören. Von daher also wird auch die Klage oder gar Anklage gegen Gott zum Leben mit Gott gehören. Auf der anderen Seite aber und umso mehr eben die Dankbarkeit für alle guten Gaben Gottes, die uns dann eben alles andere als selbstverständlich werden. Und die wir auch mit Lust genießen sollen, denn Gott will eher Menschen voller Lebensfreude als grämliche Asketen.

 

Übrigens wird dann auch das Tischgebet, das bei vielen in Vergessenheit geraten ist,  wieder etwas ganz Selbstverständliches.

 

Aus der Dankbarkeit kann dann zweitens Vertrauen wachsen, das Vertrauen: Gott wird auch in Zukunft für uns sorgen. Das heißt nicht: Wir sollen von der Hand in den Mund leben. Wir sollen schon planen und vorsorgen. Aber nie so, daß wir damit unser Leben absichern vor möglicherweise ganz anderen Lebenserfahrungen, in die Gott uns führen will. Nicht wahr, wir kennen die Versuchung, der hier ja dann auch einige aus dem Volk verfallen: Viel mehr als wir brauchen zu sammeln. Was

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sammeln wir nicht alles und  manche wollen immer mehr und mehr von dem haben, das schließlich doch nur, wie es hier drastisch heißt, „voller Maden und stinkend“ wird. Gottes Gaben lassen sich nicht konservieren und horten. Sondern immer aufs neue können wir bitten: „Unser tägliches Brot gib uns heute!“

 

So wächst eine lebendige Verbundenheit mit Gott – und dann auch in  tieferer Weise eine Verbundenheit mit unseren Mitgeschöpfen und mit anderen Menschen. Wir können dann drittens eher etwas tun, was auch zur Lebensqualität, zu unserer Menschenwürde gehört: von unserem Überfluß abgeben...

 

Denn, das ist die Zusage Gottes in dieser Mannaerzählung: Alle können, sollen, werden genug zu essen haben – wenn wir nur aufhören, mehr anzusammeln als 

gut für uns ist. In unserer Geschichte bekommen alle soviel, wie sie brauchen, der eine mehr, der andere weniger – aber jeder soviel, daß er für sich und seine Familie genug hat.

 

Wer in  Dankbarkeit für die Gaben Gottes und im Vertrauen auf seine Fürsorge lebt, der wird nicht aufhören,  mit daran zu arbeiten, daß es zu einem Ausgleich zwischen reich und arm kommt, einem Ausgleich, der bei allen Beteiligten zu mehr Glück und Zufriedenheit führt: Sowohl bei den derzeit Übersättigten wie bei den derzeit Unterernährten. Die Kraft und Freiheit dazu gibt uns Jesus, den Gott uns als das  Brot des Lebens vom Himmel herab gegeben hat und der auch in dieser Woche unser tägliches Brot sein kann.

 

Der Friede Gottes, der höher als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in ihm. Amen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 




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