Gottesdienst am 2. Sonntag nach Epiphanias, 16. Januar 2011, Rhodos

 

Lieder:

 

Man lobt dich in der Stille...323

Du hast uns, Herr, gerufen...168 (als Kollektengebet)

Gott wohnt in einem Lichte, dem keiner nahen kann...379 (Mel.: Befiehl du deine Wege...)

Wie schön leuchtet der Morgenstern...70,1

vor Abendmahl: 70, 4

Anbetung, Ehre, Dank und Ruhm...281, 3

 

Psalm 145 (Nr. 756)

 

Lesung: Johannes 1, 14-18

 

Liebe Gemeinde!

 

Der Predigttext steht im 2. Buch Mose, Kapitel 33, die Verse 18 – 23. Ich erzähle, was vorher geschehen ist:

 

Israel, das Volk Gottes, ist unterwegs in der Wüste, in der Nähe des Berges Sinai. Hinter ihm liegt die große Rettungs- und Befreiungstat Gottes -  Er hatte sie herausgeführt aus der Knechtschaft in Ägypten. Vor ihnen liegt das, was Gott ihnen versprochen hat: Das gelobte Land, in  dem Milch und Honig fliesst. Ihre Gegenart aber ist mühsames Leben in  der Wüste.Immer wieder einmal denken sie sehnsuchtsvoll zurück  an die vermeintlich bessere Zeit in Ägypten, und  immer wieder fürchten sie sich vor der ungewissen Zukunft. Sie halten  es nicht aus, immer nur den Verheissungen Gottes trauen zu sollen, sie wollen auch nicht gern  den Geboten Gottes gehorchen. Am liebsten hätten sie einen sichtbaren, ansehnlichen, vorzeigbaren Gott – einen Gott,  der ihren Wünschen entspricht. So machen  sie sich ein goldenes Stierbild und beten es an. Ein goldenes Stierbild: das Symbol für Vitalität, Reichtum, Macht. Werte, die der Mensch schon immer anbetete und die auch die Götter der derzeit bei uns noch herrschenden Weltanschauung sind: vital, leistungsfähig, sexy soll der Mensch sein, power ist angesagt, die Reichen und die Schönen sind die Vorbilder.

 

Mose zerstört dieses Kultbild im Namen Gottes und durch die Kraft seines Glaubens. Und dann tritt er - wieder einmal - fürbittend für sein Volk ein, und hemmt den Zorn Gottes. Aber auch er, dieser demütige Mensch, kennt die Glaubensmüdigkeit, die Verzagtheit, das nicht mehr weiter wissen und können. Und so sucht er die Einsamkeit. Geht hinein in das Gebirge, steigt hoch auf den Sinai, er begegnet Gott in der Stille, es kommt zu einem Gespräch miteinander und mitten in dem  Gespräch bricht es aus Mose heraus – und damit beginnt der heutige Predigttext:

 

Und Mose sprach: Lass mich deine Herrlichkeit sehen!

 

Was wohl jeder Mensch schon einmal gedacht hat: Mose spricht es hier aus. „Gott, ich möchte dich sehen!“ Und bei Mose ist es ja nicht eine Sehnsucht einfach aus verwegener Neugierde heraus, schon garnicht aus dem dümmlichen Denken: Ich glaube nur, was ich sehe. Sondern:  Es wird ihm einfach zu schwer, immer nur vertrauen zu müssen. Ich  denke, jeder, dem es mit dem Glauben ernst ist, kennt das. Es ist schwer, immer nur dem Wort Gottes vertrauen zu sollen und nichts oder nur zeichenhaft etwas von ihm und seiner Macht zu sehen. Sicher: Die Schönheit, Unfasslichkeit, Großartigkeit der Schöpfung: sie

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sind schon staunenswerte Zeichen der Unfasslichkeit und Erhabenheit  Gottes.  Aber da ist ja auch das, was uns oft quält und bedrängt und uns an Gott irre werden lässt: Wir hören in der Bibel: Gottes Wesen ist Liebe und Erbarmen – und was müssen seine Geschöpfe und Kinder alles aushalten! Dietrich Bonhoeffer hat im Gefängnis den Satz geschrieben, der ein tiefer Seufzer, ja  Aufschrei ist: Die Unsichtbarkeit Gottes macht uns kaputt.

 

Gott, lass mich deine Herrlichkeit sehen! Lass mich etwas, wenigstens etwas davon sehen, dass du gerecht und liebevoll bist, lass meinen Glauben nicht immer nur aufs Hören angewiesen bleiben!

 

Und nun hören wir, was Gott darauf antwortet:

 

Und er sprach: Ich will vor deinem Angesicht all meine Güte vorübergehen lassen und will vor dir kundtun den Namen des Herrn: Wem ich gnädig bin, dem bin ich gnädig, und  wessen ich mich erbarme, dessen erbarme ich mich.

Und er sprach weiter: Mein Angesicht kannst du nicht sehen; denn kein  Mensch wird leben, der mich sieht.

Und der Herr sprach weiter: Siehe, es ist ein Raum bei mir, da sollst du auf dem Fels stehen.

Wenn dann meine Herrlichkeit vorübergeht, will ich dich in die Felskluft stellen und meine Hand über dir halten, bis ich vorübergegangen bin.

Dann will ich meine Hand von dir tun, und du darfst hinter mir hersehen; aber mein Angesicht kann man nicht sehen.  

 

Allein dies, liebe Gemeinde, finde ich schon erstaunlich und freundlich: Gott weist den Wunsch des Mose nicht einfach zurück, er lässt es zu, dass Mose, der Mensch, das Staubkorn, der schnell vergängliche Winzling, ihn, den Ewigen, so direkt anspricht. Offenbar versteht Gott den Mose mit seiner Sehnsucht völlig. Ja, es ist geradezu, als suche Gott danach und als ringe er in seinen mehrfachen Antworten darum: Wie weit kann ich ihm entgegenkommen – ohne  dass die entscheidende Grenze überschritten wird, die Grenze zwischen Schöpfer und Geschöpf, die Grenze, jenseits derer der Mensch vergehen muss – so wie ein Raumschiff, wenn  es der Sonne zu nahe käme, verglühen muss.

 

Denn dies spricht Gott ja klar aus: Kein Mensch kann leben, der Gott sieht. Und die Bibel sagt uns in vielen Geschichten, in denen Menschen nur etwas von Gott und seinen Engeln oder – im Neuen Testament - von der Lichtherrlichkeit des erhöhten Christus geschaut haben: Gott ist  - menschlich gesprochen – von solch einer Klarheit, solch einem strahlenden  Lichtglanz, solch einem verzehrenden Feuer umgeben, dass der Mensch angesichts dessen nur aufschreien kann wie Jesaja im Tempel (Jes. 6, 5): Weh mir, ich vergehe; denn ich bin unreiner Lippen und wohne unter einem Volk von unreinen Lippen!  

 

Im jüdischen Talmud gibt es auch die Legende von den vier großen Lehrern Israels, die gewürdigt wurden, etwas von Gott in seiner himmlischen Herrlichkeit zu schauen. „Als sie wiederkamen gegen Abend, da schritten sie riesengroß und dunkel aus der Glut des Westhimmels hervor in schwerem Schweigen; die anderen Lehrer aber, die ihnen entgegenkamen, erschraken vor der Verstörung ihrer Gesichter. Der eine, Rabbi Schimon, warf sich mit zitternden Gliedern auf sein Lager, nahm weder Speise noch Trank zu sich und starb nach wenigen Tagen. Den zweiten bedrängten die masslos ungeheuren Bilder,

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die er gesehen hatte, so sehr, dass er mit den irdischen Dingen nicht mehr zurecht kam und in Wahnsinn versank. Rabbi Elisa, dem dritten,  war alles sinnlos geworden. 'Was wir hier haben, ist ja doch nur eine abgesplitterte Nichtigkeit vom Ewigen', rief er, stiess verzweifelt allen Glauben von sich und warf sich allen Sünden der Welt in die Arme.

' Wir sind tot, gemessen an Seinem Leben, winzig vor Seiner Unendlichkekit, Toren vor Seiner Weisheit; dennoch ist Seine Hand über uns und hat uns dieses Leben gegeben, dass wir darin wirken zu Seiner Ehre', bekannte Rabbi Akiba, der vierte, und stand hoch auf, zu lehren Ewiges in  den armen Formen der Erde“.

 

„Zu lehren Ewiges in den armen Formen der Erde“. Darum nur kann's hier gehen: Nicht – noch nicht – Gott zu schauen, sondern auf Ihn zu hören, ihm zu glauben, nach seinem Willen zu fragen und  ihn  zu tun, so gut man's vermag, ihn  auch anderen nahebringen  - also in einer Beziehung des Vertrauens, der Ehrfurcht, des Gehorsams zu leben. Und darum sagt Gott hier zu Mose: Ich will vor deinem Angesicht all mein Gutes vorübergehen lassen und: Mein Name soll dir bekannt werden!

 

Gott will ihm die uns Menschen zugewandte, uns zugängliche Seite seines Wesens zeigen: Seine Güte,  und Gott will sich mit Namen anreden lassen! Und umgekehrt will Gott auch uns bei unserm Namen rufen. Unmittelbar vor unserm Predigttext sagt er zu Mose: Ich kenne dich mit Namen! Und das heisst doch: Eine  Beziehung wechselseitigen Erkennens, eine Beziehung innigen Vertrauens, ja eine Beziehung wechselseitiger Liebe darf bestehen,  sich entwickeln, lebendig sein zwischen Gott und uns   - eine Beziehung  von der Art, wie sie ein paar Verse vorher (V11) so benannt wird: „Gott redete mit Mose wie ein Mann mit seinem Freunde redet“. Schöner kann man nicht beschreiben, was christliches Gebet ist: Ein Gespräch mit einem Freund,auf den man sich verlassen kann,  ein Gespräch mit einer Freundin, der man alles anvertrauen kann.

 

Gottes Name! Das heisst nicht, dass wir damit Gott auch nur im entferntesten in den Griff bekommen könnten. Denn sein Name Jahwe lautet, wenn man ihn entfaltet: „Wem ich gnädig bin, dem bin ich gnädig, und  wessen ich mich erbarme, dessen erbarme ich mich“.

 

Nicht wahr: Hier ist nichts weggenommen von der Verborgenheit, Unerkennbarkeit, Unfasslichkeit und souveränen Freiheit Gottes: Er erbarmt sich, wessen er will  - und das kann der in unseren Augen größte Taugenichts sein. Gott bleibt Gott. Und doch: In der Erklärung seines Namens ist eben auch dies enthalten und betont: Sein innerstes Wesen ist Erbarmen, sein Herz ist voller Liebe.

 

So stärkt Gott hier das Vertrauen des Mose. Und er geht noch einen Schritt weiter. Er sagt: Hier bei mir ist ein Raum, ein Fels.Und ich will dich in eine Felskluft hineinstellen, und will, wenn ich an dir vorübergehe, meine Hand darüber halten, und dann, wenn ich vorübergegangen bin, darfst du hinter  mir  hersehen. Und so geschieht es. Gott stellt Mose hinein in eine schützende Felskluft, in eine bergende Höhle und dann bedeckt er den Spalt oben mit seiner Hand, so dass es jetzt ganz dunkel ist – aber Mose weiss ja: Es ist die Hand Gottes, die über mir  liegt, gerade jetzt im Dunkel ist Gott mir also ganz nahe – und dann, als Gott seine Hand wegnimmt, sieht er hinter Gott her, sieht etwas von  ihm von hinten, im Nachhinein.

 

Können wir nicht im Blick auf manche Geschehnisse in unserm Leben sagen: Als alles ganz dunkel war, habe ich von Gott nichts erkennen können, aber im Nachhinein, da habe ich erkennen können, es war seine Hand, die über mir war.

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Gott, Lass mich deine Herrlichkeit sehen! Das Neue Testmanent sagt uns dass Gott schliesslich noch einen Schritt weitergegangen  ist als bei  Mose: Er hat uns seine Herrlichkeit schauen lassen im Antlitz des für uns gekreuzigten Jesus, in dem er uns sagt, dass er sich nun nicht nur über einige,  sondern  über jeden Menschen  erbarmen will, der zu ihm kommt.- Die Herrlichkeit Gottes, sein uns zugewandtes Antlitz: Wir schauen  sie im dornengekrönten Antlitz Jesu; die Güte Gottes, sein Erbarmen mit uns: Wir finden und empfangen sie auf einem Teller Brot,in einem Kelch mit Wein. Amen