Abendmahlsgottesdienst am 5. Sonntag nach Trinitatis, 30. Juni 2002

 

Lieder:

Aus meines Herzens Grunde...443, 1.2.4.6

O komm, du Geist der Wahrheit...136, 1-4+7

Wach auf, du Geist der ersten Zeugen...241, 1.5.8

Verleih uns Frieden gnädiglich...

 

Ps 73, 23ff.  (Nr. 734)

Lesung: 1. Mose 12, 1-4

 

Predigt über 2.Thess. 3, 1 – 5

 

 

 

Liebe Gemeinde!

 

Der heutige Predigttext führt uns ganz in die Anfänge der christlichen Kirche, mitten hinein ins Heidentum, in den Aberglauben, in den angsterfüllten Glauben an die Dämonen, die Geister, die Schicksalsmacht der Gestirne. Da mitten drin hat Gott etwas angefangen, etwas in dieser Umwelt ganz Fremdes und Umstrittenes, er hat durch den Apostel Paulus etwas gepflanzt, gegen großen Widerstand: Eine Gemeinde von Christen. Ein kleines Pflänzchen, diese Gemeinde in Thessalonich, dem heutigen Saloniki in Südgriechenland, die Paulus auf seiner 2. Missionsreise im Jahr 50 n. Chr. gründete. Dieses Pflänzchen muß gepflegt und gestärkt werden. Darum schreibt der Apostel bald, nachdem er von dieser Gemeinde weitergereist ist, von Korinth aus einen Brief an sie, und wenig später noch einen zweiten. Aus ihm stammt der heutige Predigttext – und der hat’s – wie fast alle Texte der Bibel – in sich. In Kapitel 3 des 2. Thessalonicherbriefs in den Versen 1-5 lesen wir:

 

Weiter, ihr Geliebten, betet für uns, daß das Wort des Herrn laufe und gepriesen werde wie bei euch

und daß wir erlöst werden von den falschen und bösen Menschen; denn der Glaube ist nicht jedermanns Ding.

Aber der Herr ist treu; der wird euch stärken und bewahren vor dem Bösen.

Wir haben aber das Vertrauen zu euch in dem Herrn, daß ihr tut und tun werdet, was wir gebieten.

Der Herr aber richte eure Herzen aus auf die Liebe Gottes und auf die Geduld Christi.

 

 

 

                                                                       I

 

Betet für uns“! Manchmal werde ich sehr dankbar, wenn ich mir bewußt mache: Es sind Menschen da, die regelmäßig für mich beten. Aber Andere sagen das vielleicht ja auch zu uns: Betet für uns! Also: Bete – vielleicht nur für einen Menschen, solange, bis du eine Gebetserhörung zu erkennen meinst. Ich habe auf meinem Schreibtisch manchmal einen Zettel mit einigen Namen von Gemeindegliedern darauf, für die ich längere Zeit beten will. Das kann ein Mensch in einer besonderern Not sein, für den und für dessen Familie ich beten will, meist aber schreibe ich den Namen eines Menschen auf, der mir das Leben besonders schwer gemacht hat, der

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andere Überzeugungen hat als ich sie für richtig halte, „gegen den ich etwas habe“. Wenn ich für ihn bete, ist das gut und reinigend auch für mich selbst .

 

Betet für uns!“ Paulus meint nun aber einen ganz konkreten Inhalt der Fürbitte: „Betet für uns, daß das Wort des Herrn laufe und gepriesen werde“. Betet für die, die zu verkündigen haben, die zu predigen haben, damit das Wort Gottes wirksam wird und seine Kraft, seine Wahrheit, seine Schönheit gelobt wird von den Menschen!

 

Laßt die Prediger nicht im Stich! Sie können Gottes Wort nicht predigen, wenn die Gemeinde nicht dafür betet! Sie können vielleicht eine Rede halten, eine gute,

mitreißende, oder eine schlechte, gähnend langweilige. Aber Gottes lebendiges Wort wird daraus nicht – wenn nicht die Gemeinde dafür betet! Wenn sie also nicht in ihre

Mitverantwortung nimmt, was auch jetzt gerade wieder hier geschieht: „daß“ – wie Paulus formuliert – „das Wort des Herrn laufe und gepriesen werde“   .

 

Prediger und Hörer tragen also gemeinsam Verantwortung, wenn sie im Gottesdienst zusammenkommen.

 

Ich glaube, liebe Gemeinde, man kann das garnicht genug betonen und einschärfen. Darum auch dieses starke Wort, das Paulus im Text benutzt: „Ich gebiete!“ Er sagt es als Gebot, also als Gottes Willen und Weisung!

 

Nicht wahr, meistens denkt ihr, die den Gottesdienst hier mitfeiern, doch eher: Mal sehen, was er oder sie heute predigen wird. Hoffentlich gibt’s mir was, hoffentlich ist es ein bißchen zeitnah, aktuell, interessant – und nicht zu lang. Der Pfarrer soll eine gute Predigt halten und wir zahlen die Kirchensteuer. Und am Schluß sagen wir vielleicht, daß die Predigt uns gefallen hat. Aber sie soll ja garnicht in erster Linie gefallen, sondern in ihr soll etwas im Grunde Ungeheures geschehen: Gott selbst will zu uns Menschen reden. Merken wir, wie entscheidend wichtig das ist, daß wir diese Erwartung haben: Jetzt will Gott selber mir etwas Entscheidendes für mein Leben sagen.

 

(Und darum haben wir ja vor Schriftlesung und Predigt ein Gebet, das sog. Kollektengebet, in dem wir um innere Sammlung beten, darum,daß wir erwartungsvoll und bereit werden für Gottes Reden zu uns. Und auch der Gruß vorher: Der Herr sei mit euch – und mit deinem Geiste – ist so etwas wie eine gegenseitige Fürbitte, ein Segenswunsch, Gottes Wort möge für die, die es sagen und für die, die es hören, zum Segen werden.)

 

„Betet für uns, daß das Wort des Herrn laufe und gepriesen werde!“ Was für ein Geheimnis, daß Gott die Wirksamkeit und Vollmacht seines Wortes gebunden hat an die Fürbitte von Gemeindegliedern!                                                          

 

II

 

Das Wort soll wirksam werden! So wichtig der Mensch ist, der es zu sagen hat – das Wort, das er zu sagen hat, ist weit wichtiger. Und der Apostel sagt in unserem Text ja zweitens auch deutlich, was denn zu predigen sei, was der Inhalt des Wortes Gottes

 

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in einem Satz zusammengefaßt ist:  Der Herr richte eure Herzen hin zur Liebe Gottes und zur Geduld Christi“.

 

Menschen sollen erfüllt und bewegt werden von der Liebe Gottes.

 

 

Aber nun fragen ja viele immer wieder: Wo ist sie denn überhaupt zu sehen, diese vielzitierte Liebe Gottes? Wer ins Weltgeschehen hineinguckt, sieht nichts von ihr – im Gegenteil. Wer die Natur betrachtet, der sieht vieles Herrliche und Geheimnisvoll-Wunderbare in ihr – aber von Gottes Liebe findet er darin ebenfalls nichts. Und auch, wenn wir auf das persönliche Leben von uns oder Anderen sehen: Da sehen wir, wenn’s gut geht, Segen und Bewahrung – aber Liebe Gottes? Werden

nicht oft die frommsten Menschen  am schlimmsten geplagt und könnten an Gott verzweifeln? Was gibt es nicht alles an Entsetzlichem, was auch mich und meinen Glauben immer wieder sehr bedrängt und bedrückt.

 

Und nun bindet der Apostel hier die Liebe Gottes mit der Geduld Christi zusammen und sagt: Da, nur da ist sie zu finden, die Liebe Gottes: In der Geduld Christi. Das Wort für Geduld, das hier im griechischen Urtext steht, bedeutet wortwörtlich: „Drunterbleiben“, also Lasten tragen können, Belastungen aushalten. Christi Geduld, das war und ist dies: Daß er das trägt und aushält, was man ihm auflädt an Bösem, an eigener Schuld, Zweifel und Verzweiflung, Hader mit Gott:

 

Ihm können wir anhängen und aufladen, was uns belastet – auch dazu hat Gott ihn uns gegeben. Mit ihm ist die Liebe Gottes nun in den beiden Hauptbelastungen des Lebens: der Schuld und dem Leid. Die Schuld kann vergeben werden, ihm gegeben werden – und das Leid teilt Gott mit uns: Wir bei Gott in Seinen Leiden, er bei uns in unsern Leiden.

 

Davon müssen Menschen so hören, daß sie froh und dankbar darüber werden – das müssen Menschen zugleich durch unser Verhalten spüren! Die Liebe Gottes, vermittelt durch Christus, vermittelt durch uns – soll Menschen wohltun!

 

                                                                       III

 

Und weil dem Apostel dieser Glaube, dieser christliche Glaube, so wichtig ist, darum schreibt er wie mit einem tiefen Seufzer: „Ach, daß wir doch erlöst würden von den bösen und falschen Menschen, denn der Glaube ist nicht jedermanns Ding“!

 

Die gibt es also: Menschen, die Gottes Wort nicht hören wollen, die nicht wollen, daß der Glaube blüht, Menschen, die der Böse als seine Helfershelfer gebraucht, weil er verhindern will, daß Gottes Wort läuft. Das ist das Wesen des Teufels: Er will nicht, daß Menschen an Gott, an Jesus glauben. Und wenn es einer mit dem Glauben ernst nimmt, wird er böse und macht ihm das Leben schwer.

 

Nächst Jesus ist Paulus das beste Beispiel dafür: Was hat er alles erlitten an Verfolgungen, Irrlehren,falschen Brüdern in den Gemeinden, Mitarbeitern, auf die er sich nicht verlassen konnte... (vgl. 2. Kor.11).

 

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Wer ist das heute – diese bösen und  falschen Leute? Sind es die, die von außen her die Kirche (den Papst allen voran) verächtlich machen, verspotten, im Grunde weghaben wollen? Oder sind es die, die von innen her – als Hauptamtliche oder Amtsträger in den  Kirchen – Gottes Wort verflachen, verfälschen, anpassen, ihm seine Schärfe und Würze nehmen?

 

Am wichtigsten ist immer die Frage: Bin ich es vielleicht selber – hemme ich vielleicht den Lauf und die Wirksamkeit des Wortes Gottes – zum Beispiel dadurch, daß ich es

überhaupt nicht in mein Leben hineinnehme und mein Leben von ihm infragestellen lasse, sonderm  bequemerweise so bleibe, wie ich bin?

 

Ach, daß Gottes Wort doch das wäre und würde, was es nach Jesu Worten ist: Salz in einer faden, geschmacklosen Gesellschaft - und Licht! Licht da, wo Menschen mit düsterer Miene herumlaufen. Beten wir zuversichtlich darum!

 

Denn in unsere Verzagtheit und unseren Kleinglauben hinein trifft der Satz, mit dem Paulus seine Worte hier krönt, der Satz, der sehr tröstlich ist:  Aber der Herr ist treu, der wird euch stärken und bewahren vor dem Bösen“.

 

Menschen können böse und falsch sein, aber Gott bleibt treu. Er bleibt der Schöpfung treu, darum haben Christen immer eine zuversichtliche Haltung im  Blick auf die Zukunft. Er bleibt auch der menschelnden  Kirche treu – und darum  können auch wir ihr die Treue halten. Und er bleibt jedem von uns treu. Du  kannst dich auf seine Treue verlassen.  Auch und gerade da, wo du meinst, er habe dich verlassen oder vergessen. Er bleibt dir treu. Im Leben und im Sterben. Und ich hoffe, nach dem Sterben werden wir erkennen,wie treu er war, wie sehr er uns bewahrt hat.

 

Der Herr ist treu, der wird dich stärken und bewahren vor dem Bösen. Amen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 




Weitere Predigten von Pfarrer Martin Quaas, Essen-Rellinghausen, finden Sie unter www.martin-quaas.de/predigten.