Einführungsgottesdienst  auf Rhodos, 16. Sonntag nach Trin., 19. September 2010

 

Lieder:

All Morgen ist ganz frisch und neu...

Lobe den Herren, den mächtigen...

Fürchte dich nicht, gefangen...

Nun danket alle Gott..

 

Psalm 34

 

Predigt  zu 2. Tim. 1, 7: Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.

 

Dies, liebe Gemeinde, kann geradezu d e r  Leitvers für unsere Arbeit hier sein. Einen schöneren jedenfalls kann ich mir kaum vorstellen. Er sagt uns, in welchem Geist wir hier miteinander umgehen können. Vorausgesetzt: Gott gibt uns diesen Geist!

 

Denn damit fängt dieser Vers ja an:  „Gott hat gegeben...“! Gott ist immer der Gebende, Schaffende, Schenkende – und wir: die Empfangenden, die Beschenkten.

 

Gottes Hände sind die segnenden Hände (zeigen) – und unsere  - hoffentlich – die empfangenden Hände.

 

Und je empfänglicher wir für Gott sind, desto reicher wird unser Leben.

 

Darum gehört es zu meinem  Auftrag hier auf Rhodos,  darauf hinzuweisen: Fangt nicht bei euch selbst, sondern immer bei Gott an - der Quelle des Lebens, der Liebe, der Hoffnung! Und auch im Blick auf andere Menschen gilt das ja: Wir sollen nicht einfach auf sie sehen, sondern sie  im Licht der Liebe Gottes sehen! Wir Sünder vergessen das ja ständig – darum muss der Geist Gottes, der Heilige Geist, uns dazu inspirieren.

 

Wenn wir sie so ansehen, haben wir gute Chancen, die Furcht vor ihnen zu verlieren.  Denn eins, hören wir in unserm Bibelvers, gibt Gott nicht: Nicht den  Geist der Furcht; besser noch übersetzt man das Wort deilia mit: Feigheit.

 

Von Natur aus gehört Furcht ja zum Alltäglichen, Allnächtlichen in unserm Leben. Jemand hat mal gezählt: Genau 365x soll in der Bibel der Aufruf: Fürchtet euch nicht! Fürchte dich nicht! vorkommen – also für jeden Tag im Jahr ist er offenbar nötig.

 

Als der frühere Bischof bzw. Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, der ich angehöre, Peter Beier, der damals Ratsvorsitzender der EKD war, in Anwesenheit von zahlreichen Zelebritäten die Predigt zur Wiedereröffnung des prachtvoll redstaurierten Berliner Doms hielt, da sagte er in der Predigt auch den Satz: „Von Bismarck stammt das Wort: Wir Deutschen fürchten Gott und sonst nichts auf der Welt. Heute aber muss es heissen: Wir Deutschen fürchten alles mögliche. Nur nicht mehr Gott, den Herrn“.

 

Das scheint immer noch wahr zu sein. Die Ehrfurcht vor Gott ist mit wachsendem Wohlstand verkümmert. Aber: So paradox es klingt: Gerade die Gottesfurcht, die Ehrfurcht vor Gott treibt die Menschenfurcht aus. Ehrfurcht vor Gott bedeutet nämlich: Wir werden  sehr dankbar für die Liebe, die Gott uns erweist dadurch, dass er uns zu seinen

 

 

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Kindern gemacht hat. Diese Liebe aber, die Liebe Gottes zu uns, die treibt die Furcht aus, und schon  gar die Feigheit. Gottes Geist vermittelt, um es jetzt positiv zu sagen: Mut, Tapferkeit, Zivilcourage. Wenn einer von diesem Geist ergriffen wird, wird er nicht mehr ängstlich oder feige zurückweichen, weder vor Menschen noch vor Herausforderungen.

 

Denn 2.:  Gott gibt uns  den Geist der Kraft. Das Wort „dynamis“ steht hier. Es ist ein  Geist, der Mauern und Fesseln sprengt – aber auf gewaltlose, zarte  Weise.  Dieser Geist der Kraft  ist selten in Muskelprotzen, sondern überwiegend und mit Vorliebe gerade in  schwachen Menschen mächtig.

 

Martin Luther hat in einer Auslegung des Magnificat, des Lobgesangs der Maria, starke Worte dazu gesagt:

 

Er schreibt: Wo Menschenkraft ausgeht, da geht Gottes Kraft ein, wenn der Glaube da ist und darauf wartet...Sieh, so ward Christus kraftlos am Kreuz, und  eben dort übte er die größte Macht, überwand Sünde, Tod, Hölle, Teufel und alles Übel. So sind alle Märtyrer stark gewesen und haben gewonnen. So gewinnen auch noch alle Leidenden und

Unterdrückten.

Dagegen den andern Teil lässt Gott groß und mächtig sich erheben. Er zieht seine Kraft heraus und lässt sie nur aus eigener Kraft sich aufblasen. Wo Menschenkraft eingeht, da geht Gottes Kraft aus. Wenn nun die Blase voll ist und alle meinen, sie liegen oben, haben gewonnen, und sie nun auch selbst sicher sind und haben's zum Ziel gebracht, so sticht Gott ein Loch in die Blase…So ist's ganz aus. Die Narren wissen nicht, dass sie, eben indem sie aufgehen und  stark werden, von Gott verlassen sind und Gottes Arm nicht bei ihnen ist. Darum währt ihr Ding seine Zeit. Danach verschwindet es wie eine Wasserblase, wird, als wäre es nie gewesen.

 

Empfänglich für Gottes Kraft sein: Dann brauchen wir nicht mehr aufgeblasen, nicht mehr geltungsbedürftig  zu sein. Und schon garnicht verbissen und rechthaberisch. Denn  dieser Geist der Kraft, der Dynamik, dieser bewegende Geist, der ist ja - jetzt kommt das mißverständliche, viel  missbrauchte Wort -  der ist ja 3.  ein  Geist der Liebe, der agape,.

 

Im Studium habe ich auch eifrig Karl Marx gelesen und stiess einmal auf einen bitteren Satz von ihm, der  mich erschütterte: Ich kann das Liebesgesabber der Christen nicht mehr hören. Wir wissen, was er meinte.

 

Ich hoffe sehr, ich jedenfalls werde von der Liebe nicht  nur predigen, sondern mich ihr entsprechend verhalten. Aber predigen muss ich von  ihr a u c h  – damit wir von ihr, ·vom befreienden und zurechtweisenden Geist der Liebe Jesu, bewegt und erfüllt werden. Damit wir mit  Menschen – und Mitgeschöpfen -  wenigstens einigermassen  so umgehen,wie Jesus, dieser revolutionäre Mensch,es tat und will.  

 

Und eine der Konsequenzen dieses Geistes der Liebe ist: die Besonnenheit, die Disziplin, die Selbstbeherrschungdie erste Stufe auf dem Weg zur Freiheit in einem der Gedichte  Dietrich Bonhoeffers.

 

Besonnenheit, Disziplin - die kann, wie wir in dieser Gemeinde wissen, durchaus auch mit Spass verbunden sein . Disziplin und Spass – Befreiung  und  Freude.

 

Befreiend und Freude weckend möchte ich mit Euch zusammen wirken in dieser

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Gemeinde - durch die Kraft des Evangeliums, durch die Kraft des Heiligen Geistes.

 

Darum lasst uns das in den kommenden Monaten miteinander beherzigen und  bewahrheiten:

Gott hat uns nicht gegeben

den Geist der Feigheit,

sondern den Geist der Kraft – seiner Kraft, die in den Schwachen mächtig ist

und der Liebe – seiner Liebe, die er uns durch Jesus unseren Heiland und Herrn mitteilt

und der Besonnenheit, der Selbstdisziplin, zu der er uns erzieht, wenn wir uns strikt und  kompromisslos an seine Gebote  halten.  Amen.

 

Wir singen: Fürchte dich nicht...