Frühgottesdienst am 3. Sonntag nach Epiphanias, 22. Januar 2006,

 

Lieder:

 

Du Glanz aus Gottes Herrlichkeiten...683

Die Kirche steht gegründet...264

Jesus ist kommen...66, 1.5.7

Nun  laßt uns Gott dem Herren...320, 1.4.8)

 

Psalm 67 (Nr. 731, S. 1161)

Lesung: Matthäus 8, 5 - 13

 

Predigt über 2. Könige 5 (bitte vorher lesen: Lutherbibel S. 389/390)

 

Liebe Gemeinde!

 

Was von den derzeitigen Geschehnissen  bei uns  wird später einmal in den Geschichtsbüchern stehen? Frau Angela Merkel als erste Kanzlerin? Die Regierung Bush - als Anfang vom Ende des Imperiums USA? Jedenfalls solche Ereignisse, die auch in der Gegenwart Schlagzeilen machen.

 

Auch die Bibel enthält Geschichtsbücher - aber darin werden merkwürdigerweise oft Dinge erzählt, die wir eher als nebensächlich, belanglos und unscheinbar abtun würden. Es ist ja schon  wirklich zum  Staunen, was auch in dieser gerade gehörten Erzählung als wichtig erscheint - und was nicht.

 

Im 9. Jahrhundert vor Christus, also vor fast 3.000 Jahren, wird ein kleines Mädchen verschleppt. Sie stammt aus Israel. Die übermächtigen Aramäer aus dem benachbarten Syrien waren in ihr Heimatland eingefallen - und sie gehört zu den Opfern. Als Sklavin geht sie in den Besitz dessen über, der für ihr Schicksal verantwortlich war. Die Kriegsbeute in der Höhle des Löwen.

 

Der Löwe: Das war Naaman, Oberbefehlshaber des aramäischen Heeres. Viele Schlachten hat er siegreich beendet. Ein mächtiger Mann, und er genießt hohes Ansehen beim König.

 

Ein kleines Mädchen ganz unten und ein mächtiger Mann ganz oben. In  der Weltgeschichte gab und gibt es viele ihrer Art. Sie sind vergessen, bleiben unbeachtet. Aber das Schicksal dieser Beiden hier ist miteinander verknüpft und beide werden auf eigenartige Weise berühmt.

 

Naaman konnte ja keinesfalls ahnen, daß heute, 9.000 Generationen später, eine Predigt gehalten wird, die von ihm erzählt. Und zwar nicht wegen seiner militärischen Erfolge  - sondern wegen seiner Hautkrankheit!  

 

Auf seiner Haut breitet sich eine Schuppenflechte aus (das ist gemeint, wo Luther "Aussatz" übersetzt) -  eine schlimme Krankheit, bei der die Haut flockig wie Schnee abschuppt. Von den Gesunden mußte sich Naaman fernhalten, denn die Krankheit war ansteckend.

 

Und nun wird ausgerechnet das kleine Mädchen für sein  Schicksal entscheidend. "Das geschieht ihm recht", könnte es gedacht haben. "Wer mir Familie und Heimat nimmt, soll auch spüren, wie er jetzt seinerseits durch die Krankheit isoliert ist". Tatsächlich aber spürt dieses Mädchen  keinen  Groll Naaman gegenüber. Sondern sie möchte, dass er wieder gesund wird. Und sie glaubt, daß der Prophet aus ihrer Heimat Naaman heilen kann.

 

 

2

 

Sie sagt das Frau Naaman, der hört auf seine  Frau, und dann wird der Fall zunächst mal auf  die Ebene hoher Politik gehievt. Der aramäische König selbst nimmt sich der Sache an, schreibt einen Brief an den  von ihm abhängigen  Kollegen, gibt eine Menge kostbarer  Geschenke mit, aber der israelitische König wittert irgendeine Finte, bleibt mißtrauisch.

 

Damit haben die hohen Herren ihre Rolle ausgepielt. Nicht mal ihre Namen übrigens sind dem  Erzähler so wichtig, daß er sie nennen würde. Ähnlich wie in der Geschichte von den Weisen  aus dem Morgenland spielt sich das Wichtige nicht bei den Mächtigen  ab, sondern  ganz unten in  den Hütten, in diesem Fall vor der Hütte Elisas.

 

Naaman, noch auf hohem Roß, läßt Elisa durch den Diener Gehasi zu sich rufen. Aber der läßt dem Naaman nur mitteilen: Wasch dich gründlich, tauche siebenmal im  Jordan unter. Der Jordanfluß allerdings war ein schlammiges  trübes Rinnsal im  Vergleich zu den Strömen Abana und Parpar, die die Gegend um Damaskus zu einer paradiesischen Oase werden ließen. Wütend und enttäuscht will Naaman zurückreiten, aber einer seiner Knechte bewirkt erneut eine Wende bei ihm: Wenn dir der Prophet etwas Großes aufgetragen hätte, hättest du es nicht getan? Jetzt aber hat er dir doch nur etwas Kleines und  Einfaches aufgetragen. Einen Versuch ist es doch wert. Naaman kehrt um, reitet hinab zum Jordan, steigt vom Roß  herunter, badet und  wird rein.

 

Auf dem Rückweg zu Elisa wird ihm klar: Diese Heilung habe ich nicht dem  Jordanwasser zu verdanken, sondern dem Gott Israels...

 

Und nun die Frage:  Die Geschichte von  Naaman und  dem kleinen Mädchen, von  Elisa und dem Knecht des Naaman - warum wohl ist sie in die Geschichtsbücher der Bibel aufgenommen worden?

 

Sehen wir uns noch einmal Naaman an: Erfolgreich, mächtig, vom König hochgeschätzt...Durch seine Hautkrankheit wird das alles unwichtig.

 

Und dann wird er einen heilsamen Weg geführt: Zuerst durch den Hinweis einer kleinen Sklavin, dann  durch den Hinweis des Propheten  Elisa, dann durch einen seiner Knechte, sein  Weg führt immer tiefer hinab...bis er - ganz unten - geheilt wird und erkennt: Er verdankt die Heilung Gott, der Barmherzigkeit Gottes, vielleicht auch der Fürbitte des Elisa, vor allem  spielte auch mit eine Rolle, daß er schließlich doch offenbar Vertrauen  gewann; den Glauben, es könne Sinn haben, im Jordan unterzutauchen. Vielleicht erkennt er auf dem Rückweg sogar: All seine Erfolge, seine Macht, seine Achtung bei den Menschen, auch sein Reichtum, seine Gesundheit, seine Zugehörigkeit zu einem starken  Land - all das sind letzten Endes unverdiente Geschenke und Gaben Gottes.

 

Wer von uns mit sich und  der Welt im Reinen sein  will, soll wissen: Meinen Erfolg, mein 

Ansehen in  Beruf, Familie,  Hobby verdanke ich Gott. Wenn ich mir das zu Herzen nehme, wird es mir leichter fallen, auf persönliche Erfolge gelegentlich verzichten zu können, und - um im Bild zu bleiben - mit Naaman auch mal  in den Jordan hinunterzusteigen, und die Erfahrung zu machen, wie Gott Heilung schenken kann., wenn wir ihm und dem Wort seiner Boten vertrauen  - der Gott, der schließlich selbst niedrig und gering wurde in Jesus, dessen Heilands- und Rettungswerk ja tief unten mit seiner Taufe im Jordan begann.

 

Und blicken wir nun  auch noch einmal auf das Dienstmädchen aus Israel. Verschleppt  aus ihrer Heimat, fern von den ihr vertrauten Menschen, Kriegsopfer des Heeres, dessen Oberster Naaman war - und sie gibt ihm den entscheidenden Hinweis, damit er wieder

3

 

gesund und in die Gemeinschaft aufgenommen werden kann. Vielleicht versteht sie, wie dem Naaman zumute sein muß? Aber noch mehr: Woher findet sie die Kraft und die

Freiheit, ganz entsprechend dem schönen Satz des Paulus zu handeln: Laß dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem (Römer 12, 21)?

 

Ich glaube: Nicht nur wegen des Propheten Elisa, und nicht nur, um zu sagen, wie Gott heilen kann, ist diese Erzählung in die Geschichtsbücher der Heiligen Schrift aufgenommen worden, sondern vor allem auch wegen dieses Mädchens. Der Glaube dieses Mädchens war und ist  offenbar so wichtig, daß er noch heute, 3000 Jahre  später, zum Vorbild dienen kann.

 

Was von unserer Gegenwart einmal in den Geschichtsbüchern stehen wird? In  Schulbüchern wird vielleicht von Globalisierung und  Terror, von  Präsidenten und Kriegen geschrieben werden.

 

In Gottes Geschichte sind Menschen wie Naaman wichtig, der gelernt hat, von seinem  hohen Roß  in den Jordan zu steigen. Und das kleine Mädchen aus Israel, das gezeigt hat, wie man Böses mit Gutem überwindet.  Amen.