Lesung: 1.
Korinther 13
Ich
bin euren Feiertagen gram und verachte sie und mag eure Versammlungen nicht
riechen.
Und wenn ihr mir auch Brandopfer und Speisopfer opfert, so habe ich doch kein Gefallen daran und mag auch eure fetten Dankopfer nicht ansehen.
Tu weg von mir das Geplärr deiner Lieder; denn ich mag dein
Harfenspiel nicht hören!
Es ströme aber das Recht wie Wasser und die Gerechtigkeit
wie ein nie versiegender Bach.
Liebe
Gemeinde,
„Nur der darf
gregorianisch singen, der für die Juden schreit“, hat Dietrich Bonhoeffer in
den dreißiger Jahren geschrieben. Auf uns heute übertragen: Nur der darf die
schönen Gesangbuchlieder singen, der sich für die Menschen und ihr Recht
einsetzt.
I
Warum? Weil
Gott das Recht liebt und das Unrecht haßt. Weil er sich freut, wenn es
Menschen gutgeht, und weil er mit leidet, wenn Menschen leiden.
Aber was sage
ich da? Scheint es uns nicht oft eher, als sei Gott uninteressiert am Zustand
unserer Welt und das Leid von Menschen lasse ihn unberührt? Läßt er nicht die
schlimmsten – und anscheinend sich immer mehr häufenden – Naturkatastrophen
zu?
Aber zum
einen: Sind nicht zumindest manche dieser Katastrophen von uns Menschen und
unserem großspurig – habgierigen Verhalten mitverursacht und also auch von uns
zu verantworten? Und zum anderen: Gottes Wirken in der Schöpfung –sagt die
Bibel (etwa im Buch Hiob) - das bleibt
für uns Menschen absolut undurchschaubar. Wir sollen und können es also auch
nicht beurteilen. Was uns die Bibel aber von Anfang an auf’s deutlichste sagt,
ist, daß das Ergehen jedes Menschen ihm am Herzen liegt.
Im Grunde ist
es atemberaubend, wie die Bibel von Anfang an von Gott redet. Wo offenbart er
sich dem Volk Israel zum ersten Mal? In der Wüste, als er dem Mose im Dornbusch
begegnet. Da sagt er zu ihm: „Ich habe
das Elend deines Volks gesehen, haben ihr Schreien gehört, bin
heruntergekommen, um sie herauszuführen in die Freiheit...“. Gott ist von Anfang an ein herunterkommender Gott,
einer, der einen Zug nach unten, eine
Schwäche für die Schwachen hat, einen
Widerwillen gegen jede Art von Versklavung und Abhängigkeit und eine
Leidenschaft für das Recht.
2
Und so haben
wir’s ja auch im Eingangspsalm 113 gebetet: Gott ist ein Gott, „der oben thront in der Höhe, der
herunterschaut in die Tiefe, der den Geringen aufrichtet aus dem Staube, daß er ihn setze neben die Fürsten...“ Ist das
nicht ein wunderbares Bild? Die Geringsten gleichrangig neben den Fürsten, die
Müllarbeiter an der gleichen Tafel wie die Wirtschafts- und Finanzbosse.
Und so steht’s
in der ganzen Bibel überall. Nur zwei Beispiele. 5. Mose 10,18: „Gott schafft Recht den Waisen und Witwen und
hat die Fremdlinge lieb, daß er ihnen Speise und Kleider gibt“. Oder Jesaja
61, 8: Trachtet nach Recht, helft den
Unterdrückten, denn ich bin der Herr, der das Recht liebt und Raub und Unrecht
haßt“.
Also: Wer sich
zu dem Gott der Bibel bekennt, ohne sich um das Recht des Nächsten zu kümmern,
der tut Gott selbst Unrecht. Denn er trägt dazu bei, daß Menschen ein falsches
Bild von ihm bekommen.
II
Und darum war
Amos so leidenschaftlich. Er mußte bei seinen Zeitgenossen erleben, daß ihre
Gier nach Geld keine Grenzen kannte. Manchen von ihnen - wie sich die Zeiten
gleichen! – manchen von ihnen waren sogar die Feiertage lästig, weil man an
ihnen keinen Profit machen konnte. Hört, sagt der Prophet in Kapitel 8, 4ff., hört dies, die ihr die Armen zertretet
und die Elenden im Lande zugrunderichtet und sprecht: Wann geht der Neumond
vorüber, daß wir wieder Getreide verkaufen können, und der Sabbat, daß wir
wieder Korn anbieten können und das Maß verringern, den Preis steigern, die
Waage fälschen? Der Herr hat geschworen: Niemals werde ich eure Taten vergessen! Kurz vor unserem Text (Kap.5,10) schreibt er
von der
Bestechlichkeit
von Richtern und Zeugen: Sie hassen den, der vor Gericht für das Recht eintritt
und verabscheuen den, der die Wahrheit redet. Aber genau diese Leute kamen
dann, um im Tempel zu opfern und dem Gott Loblieder zu singen, dessen Rechte
und Gebote sie im Alltag mit Füßen traten.
Darum gibt
Amos uns hier im Predigttext einen – ja man muß sagen – Zornesausbruch Gottes,
einen empörten Aufschrei Gottes wieder: Tu
weg von mir das Geplärr deiner
Lieder, ich mag dein Harfenspiel nicht hören! Auf uns übertragen: Euer
Singen ist unerträglich für mich, hört auf mit eurer gottesdienstlichen Musik!
Aber meint der
Prophet denn allen Ernstes auch uns?
Klar ist: Er
sprach seine Worte damals in eine ganz konkrete Situation, in eine ganz
bestimmte Zeit hinein. Und doch: Sie wurden aufgeschrieben und weitergegeben in dem Wissen, daß sie allen
Menschen, also auch uns Entscheidendes zu sagen haben!
Aber was?
Ich habe mir
gedacht, dies einmal den Amos selbst zu fragen und ihm einen Brief zu
schreiben. Ich habe mich also am Donnerstagabend an den Computer gesetzt und
dies geschrieben:
3
III
„Lieber Amos,
du bist für mich - neben Jesaja und Jeremia und Ezechiel - einer der
gewaltigsten Propheten. Schon als Theologiestudent war ich erschüttert von
deiner Radikalität und begeistert von deiner Gerechtigkeitsliebe. Ich bin froh,
daß deine Worte heute auch uns erreichen. Oft schon habe ich gedacht: Wenn wir
Christen in Europa und Amerika deine Worte ernst nehmen würden, dann müßten wir
Christen hier viel leidenschaftlicher für mehr Gerechtigkeit hier und in der
Weltwirtschaft eintreten. Aber ausgerechnet wir Christen gehören
inzwischen zu den reichsten Völkern der
Erde und können uns über unsere Korruptheit und Verdorbenheit eigentlich
garnicht genug schämen.
Meinst du,
Amos, daß Gott auch gegen unsere schönen
Gottesdienste ist? Ich meinesteils muß sagen: Ich liebe die Musik im
Gottesdienst, ich liebe viele unserer Gesangbuchlieder, und ich habe geradezu
eine Sehnsucht danach, daß auch unser Kirchenraum innen bald schön gestaltet
sein möge. Liege ich falsch, wenn ich mir vorstelle, du kämst heute in unsere Kirche
und Gemeinde und riefst: So spricht Gott: Tut weg von mir eure Aktivitäten,
eure Hektik, Unterschriftenlisten, Aktionen und Kampagnen. Richtet stattdessen
die auf, die sich überarbeiten und atemlos sind im ständigen Einsatz für Andere. Gebt ihnen Lieder auf die Lippen
und Farben ins Leben und Freude an Gott, laßt sie die Liebe Gottes spüren! Ihr
körperlich Verfetteten, aber seelisch Verhungerten und Verdursteten, sucht die
Quellen der Stille! Übt euch im Gebet!
Lieber Amos,
könntest du in unserer Situation vielleicht auch so reden?“
IV
Als ich soweit
war, fiel mir ein Wort des Amos ein, das für mich zu den dichtesten und
schönsten der ganzen Bibel gehört und das kurz vor unserem Predigttext steht: „So spricht der Herr: Sucht mich, so werdet ihr
leben“ (Amos 5,4).
Darum geht`s
Gott also, nur darum - : Um Leben, um Leben in Fülle für alle. Wo Luther „suchen“ übersetzt, steht im hebräischen Urtext
übrigens wörtlich: Sucht mich auf – nämlich da, wo ich zu finden bin:
im Wort der Bibel!
Wenn wir uns
diesen Worten öffnen, dann ist alles
gut, dann sagen sie jedem das, was gerade für ihn in seiner Situation heilsam
ist. Es gibt Menschen unter uns, die sich überaus beharrlich für mehr
Gerechtigkeit einsetzen. Damit ihnen nicht der Atem ausgeht, haben sie die Worte Gottes nötig, die ihnen neue
Kraft, neue Hoffnung geben, etwa das Jesuswort: Selig sind, die hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit, sie sollen
satt werden (Mt. 5,6). Es gibt andere, die Gottesdienst feiern aber geizig
sind und im Alltag unrecht handeln, denen gilt Gottes Wort: Ich mag eure Lieder
und Gebet nicht hören, es ströme stattdessen in eurem Verhalten das Recht wie
Wasser.
Worum also
geht es Amos? Aufs kürzeste gesagt: Lebe erfüllt von der Liebe Gottes,
dann wird recht sein, was du tust.
Amen.