Predigt am Buß- und  Bettag,  16.November 2005

in St. Theresia, Essen-Stadtwald

über Texte aus dem Prophetenbuch Amos

 

Verlesen wurden vor der Predigt:

Amos 6, 1-3;   8, 4 - 10;   5, 21 - 24;    8, 11 und 12

 

 

Liebe Gemeinde, nicht wahr, das sind harte, zum Teil schreckliche Worte, schonungslos und klar - so wie wir sie auf unseren Kanzeln und in unseren Gottesdiensten nicht hören.

 

Amos prangert aufs schärfste Habgier, Ungerechtigkeit und  Völlerei an und sagt: Gott wird das nicht ungestraft lassen. Er kündigt den Zorn und  das Gericht Gottes an. Er kündigt Erdbeben und  Verfinsterungen  als Strafgericht Gottes an und sagt, die Menschen, die jetzt noch  so genußsüchtig und in vielem skrupellos oder gedankenlos in  den Tag  hineinleben - die werden einmal von  Entsetzen und schrecklicher Trauer heimgesucht werden.

 

Aber gelten diese Worte denn auch uns?  Amos sprach sie ja in eine damalige ganz konkrete Situation hinein.

 

Aber seine Worte wurden aufgeschrieben, sie erfüllten sich und sie wurden aufgeschrieben in dem Wissen, daß sie allen Menschen, auch uns, Entscheidendes zu sagen haben.

 

Aber dürfen wir den Zorn und  das Gericht Gottes ankündigen? Mühen sich nicht viele von  uns redlich und unverdrossen um mehr Gerechtigkeit? Spenden nicht  viele Menschen  - mehr, als wir vielleicht ahnen? Arbeiten nicht viele ehrenamtlich und tun  Gutes in den Gemeinden für die Ärmsten der Armen?

 

Und doch: Es bleibt ja ein schrecklicher Skandal, wenn  zum Beispiel in Ceuta und  Mellila 

Menschen  vom Zugang nach  Europa durch  messerscharfe Zäune und auf  Menschen 

abgerichtete Hunde gehindert werden, wenn Europa wie eine Festung abgeschottet wird, wenn Tausende von  Afrikanern tausende von  Kilometern zu Fuß auf sich nehmen, um das vermeintliche Schlaraffenland Europa zu erreichen - und dann wieder zurück müssen zu  ihren enttäuschten oder zornigen Familien. Es  bleibt furchtbar, wenn wir immer wieder hören, wie Menschen, die hier Asyl suchten, abgeschoben werden in eine völlig ungewisse Zukunft...Es bleibt ein Skandal, daß die Schere zwischen arm und  reich hierzulande und  weltweit immer weiter auseinanderklafft.  Ob man nicht doch in  den zunehmenden  Katastrophen, den Erdbeben und  Flutwellen Zeichen  des Zornes und  des Gerichts Gottes sehen kann über unsere in vielem gerechtigkeits- und umweltfeindliche Lebensweise? 

 

Besonders erschrocken bin  ich über dieses Amoswort: "Siehe, es kommt die Zeit, spricht der Herr, daß ich einen Hunger ins Land schicken werde, nicht einen Hunger nach Brot oder Durst nach Wasser, sondern nach dem Wort des Herrn, es zu hören; daß sie hin und her von einem Meer zum andern, von  Norden nach Süden laufen und des Herrn Wort suchen und doch nicht finden werden..."

 

Das könnte also sein, daß  Menschen, die sich jahrelang angefüllt haben mit den Erzeugnissen  der Esoterik oder der sog. "Spaßkultur", die sich  über Jahre hin Hirne und  Seelen mit elektronischer Bilderflut angefüllt haben, daß die merken, wie ihr Lebenhunger und  -durst dadurch gerade nicht gestillt wird, sondern  daß sie innerlich immer leerer werden – daß diese Menschen nun wirkliche Nahrung für ihr Leben in Gottes Wort suchen...und es vergeblich  tun! Weil ihre Seelen betäubt und  verklebt sind von all dem süßlichen und klebrigen Zeug, den Bildern von Comedy, Sex und  Gewalt! Weil sie dadurch

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unfähig geworden sind Gott selbst zu finden, die  Wahrheit und  Wirklichkeit Gottes zu erfahren und zu erleben. Und  ich denke manchmal: Tragen wir in  der Kirche vielleicht manchmal auch mit dazu bei durch manche Limonaden und Süßspeisen, die wir anstelle von  Quellwasser und kernigem Brot anbieten?

 

 

Mitten in all den scharfen, schroffen Worten des Amosbuchs steht eines, das für mich zu den  dichtesten und  schönsten  der Bibel gehört und das – anders als die meisten Worte des Amos -eine herrliche Verheißung enthält: Suchet mich, spricht Gott der Herr, so werdet ihr leben.     

 

Man kann das hebräische Wort für „sucht“ auch übersetzen: Sucht mich auf - nämlich da wo ich zu finden bin.

 

Gott selbst will sich finden lassen in  viererlei  Weise: Im Wort der Bibel -

im Gebet - im Sakrament des Altars - und in den geringsten der Geschwister Jesu, gemäß

dem Jesuswort: Was ihr einem der geringsten meiner Geschwister getan habt, das habt ihr mir getan...(Matth. 25, 31ff).

 

Ich denke, es wäre gut, wenn wir Askese üben würden, wir Christen: Askese im  Blick auf das zu viel haben wollen, auch das zu häufige Reisen in  ferne Länder, Askese im  Blick auf zu viel Elektronik... und wenn wir stattdessen Gott mit Ernst suchen würden:  In  der täglichen von  Gebet begleiteten Bibellese etwa. Da finden wir Worte des Lebens. Da finden wir Lebensfülle, da finden wir befreites, frohes und dankbares Leben. Wir Christen brauchen  nicht zu jammern oder sauertöpfisch zu gucken. Gott will ja unsere Lebensfreude! Und Jesus hat den gesamten Sinn seines Lebens und Sterbens für uns in dem Wort zusammengefaßt: Ich bin gekommen, damit die Menschen das Leben haben und  es in Fülle haben (Joh. 10,10).  Gott  will, daß wir das Leben in seinen Schönheiten und  Herrlichkeiten genießen und uns an Gutem laben, aber all das geschieht  nur richtig, wenn es von Gottes Wort gelenkt ist. Und wir uns Gottes Wort wirklich sagen lassen und von ihm unser Leben gestalten lassen.

 

In der Bibel findet jeder die Worte, die hilfreich und  heilsam für ihn sind. Da finden wir Worte, die uns zur Umkehr rufen, zur Umkehr aus Geiz, Kleinlichkeit, Rechthaberei, aber auch  Worte, die uns trösten, neue Kraft geben, und vor allem finden wir in ihnen das Evangelium, das uns sagt: Das, was wir mit Recht von Gott verdient hätten,  das hat Jesus für uns  am Kreuz getragen und nun gilt uns vorrangig  vor allem Gottes Vergebung, Gottes Gnade, Gottes Liebe!

 

Nein, ich glaube, Gott  will wohl warnen und  mahnen, aber nicht mehr strafen. Stattdessen darf ich hören: Jesus hat uns die ewige Seligkeit erworben, für uns ist gesorgt in Zeit und Ewigkeit und  nun  habe ich die Kräfte frei zum Einsatz für andere; kann Zeit und Kraft einsetzen,  um mitten in  der noch  unerlösten Welt Gutes zu tun, so gut ich es vermag - so wie es viele von uns tun, in ihrem treuen Gebet und ihrem Einsatz für unsere Mitmenschen  und unsere Mitgeschöpfe in der geheimnisvollen und wundervollen Schöpfung Gottes.  Darum: Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus unserm Herrn. Amen