Gottesdienst in Erzberg (Franken) am Sonntag Jubilate, 13. April 2008


Lieder:

Gott ist gegenwärtig...165, 1.5.6

Freuet euch der schönen Erde...510

Mit Freuden zart...108

Christ ist erstanden...99


Schriftlesung: Matthäus 25, 31-40


Psalm 148 (Nr. 763)


Predigt über Apostelgeschichte 17, 22 - 34


Liebe Gemeinde!


Die Chassidim: Das waren osteuropäische Juden, fromm und heiter, gottesfürchtig und tanzesfreudig zugleich. Der jüdische Religionsphiloph Martin Buber hat um 1920 in seinem Buch "Erzählungen der Chassidim" Anekdoten von ihnen gesammelt. Eine geht so: "Der Rabbi von Berdeditsch war einst auf dem grossen Markt und sah das Menschengewimmel, wo jeder von der Sucht seines Erwerbs besessen war. Da bestieg er das Dach eines Hauses und schrie hinunter: 'Ihr Leute, ihr vergeßt, Gott zu fürchten!' "


Diese Geschichte gefällt mir gut, weil das heute ja auch so ist: Überall Werbung, Kaufrausch, Konsum, und manchmal denke ich: Auch ich müsste in all die Habgier, den Luxus, die Götzendienerei hineinschreien: Ihr Leute, Ihr vergesst, Gott zu fürchten! Jedenfalls: Zornig kann man schon werden angesichts der Anbetung des Götzen Geld mit seinen Konsumtempeln, seinen Hohepriestern und Priestern in der Finanz- und Wirtschaftswelt und vor allem - seinen unzähligen Menschenopfern: Nicht nur die Armen, auch die Reichen werden ja seine Opfer, deren Leben er zerstört.


Auch Paulus geriet einmal so in Zorn und Rage. Er ist im Zuge seiner Missionstätigkeit in der großen Stadt Athen angelangt. Er hat das ja immer so gemacht: Hier in einer Stadt, da an einem Ort eine christliche Gemeinde gegründet - und dann strahlte deren Liebe, deren Hoffnung, deren Glaube aus.


Auch im damaligen Athen war man überaus religiös, alle möglichen Götter und Götzen wurden angebetet und unmittelbar vor unserem heutigen Predigttext Apostelgeschichte 17 schreibt ihr Verfasser, Lukas der Arzt: "Als Paulus die Stadt voller Götzenbilder sah, ergrimmte sein Geist in ihm" - also , wie man bei uns im Ruhrgebiet sagt: er bekommt "so einen Hals"! Und dann berichtet Lukas von ein paar Gesprächen, die Paulus mit religiös Interessierten führt. Einige sagen von Paulus: "Was will dieser Schwätzer eigentlich sagen?" Andere: "Der will eine neue Lehre verkündigen!" "Au, gut!" sagen da manche - wie auch heute, wo die Leute gern ein bißchen Hinduismus, Buddhismus, Taoismus konsumuieren... "Was Neues, Religiöses? Da sind wir interessiert." Sie führen ihn zum Hügel des Areopag, dem Platz, wo Recht gesprochen wurde, wo - wie im Londoner Hyde Park - gern Redner auftraten, die immer interessierte Zuhörer fanden. Und dann heisst es im heutigen Predigtext:


Paulus aber stand mitten auf dem Areopag und sprach: Ihr Bürger von Athen, ich sehe, dass ihr die Götter in allen Stücken sehr verehrt.

Ich bin umhergegangen und habe eure Heiligtümer angesehen und fand einen Altar, auf dem stand geschrieben: Dem unbekannten Gott. Nun verkündige ich euch, was ihr unwissend verehrt.

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Gott, der die Welt gemacht hat und alles, was darin ist, er, der Herr des Himmels und

der Erde, wohnt nicht in Tempeln, die mit Händen gemacht sind.

Auch lässt er sich nicht von Menschenhänden dienen, wie einer, der etwas nötig hätte, da er doch selber jedermann Leben und Atem und alles gibt.

Und er hat... das... Menschengeschlecht gemacht, damit sie auf dem ganzen Erdboden wohnen, und...damit sie Gott suchen sollen, ob sie ihn wohl fühlen und finden könnten; und in der Tat, er ist nicht ferne von einem jeden unter uns.

Denn in ihm leben, weben und sind wir; wie auch einige Dichter bei euch gesagt haben: Wir sind seines Geschlechts.

Da wir nun göttlichen Geschlechts sind, sollen wir nicht meinen, die Gottheit sei gleich den goldenen, silbernen und steinernen Bildern, durch menschliche Kunst und Gedanken gemacht.

Zwar hat Gott über die Zeit der Unwissenheit hinweggesehen; nun aber gebietet er

den Menschen, dass alle an allen Enden Buße tun.

Denn er hat einen Tag festgesetzt, an dem er den Erdkreis richten will mit Gerechtigkeit durch einen Mann, den er dazu bestimmt hat, und hat jedermann den Glauben angeboten, indem er ihn von den Toten auferweckt hat.

Als sie von der Auferstehung der Toten hörten, begannen die einen zu spotten; die andern aber sprachen: Wir wollen dich darüber ein andermal weiter hören.

So ging Paulus von ihnen.

Einige aber schlossen sich ihm an und wurden gläubig; unter ihnen war auch Dionysius, einer aus dem Rat, und eine Frau mit Namen Damaris und andere mit ihnen.


Das ist also der Zielpunkt: Die Auferstehung! Nicht nur unsere, sondern in erster Linie die Auferstehung Jesu. Besser sagt man: Seine Auferweckung durch Gott. Denn das ist ja gemeint: Nicht eine Wiederbelebung, eine Rückkehr ins irdische Leben, sondern das Unfassliche, in seiner Bedeutung vergleichbar nur der Schöpfungstat Gottes, als er das All aus Nichts ins Dasein rief: Dass Gott diesen schlichten Wanderprediger und

Wunderheiler, diesen gemarterten Nobody, der tot im Grab lag, mit seinem eigenen göttlichen Leben erfüllt hat. Einige, die das von Paulus hören, sagen immerhin: Das ist dermassen neu...davon müssen wir mehr hören. Andere, darunter eine Frau namens Damaris und Dionysios, ein Angehöriger des Rates der Stadt, sagen: Wir wollen Christen werden! Und durch sie breitete sich dann der Glaube weiter aus. Und eine dritte Gruppe sagt: Ach was, dass einer von den Toten auferweckt wird, das gibt's nicht, das ist nichts als Einbildung, Illusion, Vertröstung ...


Und wir? Ist dies, dass Gott Jesus auferweckt und ihm das letzte Wort gegeben hat - ist das Kern und entscheidender Inhalt auch unseres Glaubens? Oder bleibt unser Glaube bei Gott dem Schöpfer stehen? Paulus beginnt hier, er macht das sehr geschickt, als erstes lobt er seine Zuhörer, und dann holt er sie gleichsam ab bei ihrem Glauben an Gott den Schöpfer der Welt - einem Glauben, dem im Grunde jeder zustimmen muss: Denn ohne dass man einen Schöpfer annnimmt, kann ja keiner erklären, warum überhaupt etwas ist und dann auch noch so, wie es ist - herrlich und wundervoll, unendlich vielfältig, rätselhaft und geheimnisvoll. Paulus beginnt also mit Gott dem Schöpfer und sagt: Der, den die Menschen seit jeher zu finden und zu erkennen suchten, der ist nicht fern von uns, sondern in ihm leben wir , in ihm bewegen wir uns und sind wir.


Um diesen Satz zu veranschaulichen, will ich euch die Geschichte von Emil erzählen - eine Kindergeschichte, und darum auch für Erwachsene gut.


Es war einmal ein kleiner Fisch, der hieß Emil. Er hatte von irgendwoher gehört, dass Fische zum Leben Wasser brauchen. Weil er aber noch nie Wasser gesehen hatte, wollte er #

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aufbrechen und es suchen. Er schwamm zu seinem Freund Dagobert, der Kaulquappe.

"Was suchst du?" fragte der ihn. "Wasser". "Wasser", sagt Dagobert, "gibt es hier nicht. Hier gibt es Steine und Muscheln, grüne und braune Algen, aber Wasser hab' ich hier mein Lebtag noch nicht gesehen. Und ich bin schon lange in dieser Gegend hier. Geh mal zu Kuno, dem Wels. Der ist viel im Meer herumgekommen, und der weiss sicher, wo es Wasser gibt".


Also macht sich Emil auf, schwimmt vorbei an Felsspalten, Höhlen und Schlingpflanzen, bis er zur Höhle von Kuno kommt, dem Wels mit dem dicken Kopf und dem breiten Schnurrbart. Ein dicker Kopf, ein breiter Schnurrbart und zwei gutmütige Fischaugen schieben sich hervor und Kuno fragt: "Was suchst du?" - "Guten Tag, Kuno, ich bin schon lange unterwegs und suche Wasser! Aber keiner kann es mir zeigen!" "Das Wasser ist vor dir", sagt Kuno, der Wels. "Aber vor mir bist du doch!" widerspricht Emil und schaut ein bißchen nach rechts und links. Aber außer dem Eingang der Höhle und ein paar Muscheln kann er nichts entdecken. "Das Wasser ist hinter dir", sagt Kuno. Und als Emil sich umdreht, sieht er nichts als blauschwarze Tiefe und einen Heringsschwarm, der entlangzieht. "Ich verstehe dich nicht", sagt der kleine Fisch Emil verzweifelt, "du willst mich wohl zum Narren halten". "Du bist noch sehr jung", meint gutmütig der alte Wels, "wenn du Wasser sehen willst, musst du zum großen Meeresschloß schwimmen. Dort wirst du den alten Wal Juno treffen. Aber paß auf, sei vorsichtig, er macht gern grobe Spässe!"


Emil schwimmt sieben Tage und sieben Nächte, bis er zu einem riesigen, grünbewachsenen Schloß kommt. Die Pforte steht offen und er schwimmt hindurch. Da sieht er im weiten Bogen des Schlosses ein großes schwarzes Ungeheuer mit Zähnen wie Gartenzäune und einem Bauch so breit wie ein Hoftor. Er erschrickt, will schnell zurück, aber er wird freundlich angesprochen: "Du bist Emil, der kleine Fisch, der das Wasser sucht? Ich habe schon auf dich gewartet. Leg dich auf meinen Rücken. Ich werde dir zeigen, wie notwendig der Fisch das Wasser braucht. Gesagt, getan - der Wal beginnt höher und höher zu steigen, bis er schließlich aufgetaucht ist und sein Rücken wie ein Berg aus dem Wasser ragt. Der kleine Emil bekommt Atemnot. "O, wenn ich doch unten geblieben wäre", denkt er noch und wird bewußtlos. Als er wieder aufwacht, ist er wieder auf dem Meeresgrund. "Nun, weisst du jetzt, wo das Wasser ist, das die Fische so notwendig zum Leben brauchen?" fragt ihn der Wal augenzwinkernd. "Das Wasser, das ich so lange suchte", hat mich immer umgeben", sagt Emil verschämt. "Nun, dann kannst du ja heimschwimmen, sagt der Wal, "weil es dir selbstverständlich war, hast du es suchen müssen".


Wie gesagt, nur auf den ersten Blick eine Kindergeschichte. Sie ist lehrreich auch für uns hier. "Ohne Gott bin ich wie ein Fisch am Strand", so hat es einmal der Dichter Jochen Klepper formuliert. Und Kurt Marti, der Schweizer Pfarrer und Dichter fragt: "Kenne ich Gott? Ebensogut könnte man fragen: Kennt der Seestern den Ozean, in dem er lebt und stirbt? Er kennt wohl nur Wellen und Strömungen, nicht aber den Ozean...".


Wir Menschen leben in Gott wie ein Fisch im Wasser. Gott ist immer schon um uns, so wie das Wasser den Fisch umgibt, ob wir es nun spüren oder nicht, ob wir danach fragen oder nicht, ob wir ihn suchen oder nicht. Gott ist nicht erst dann da, wenn man nach ihm fragt, aber er erschliesst sich uns erst, wenn wir bewusst nach ihm zu fragen und zu suchen

beginnen.


Auch dazu eine chassidische Geschichte von Martin Buber: "Als Levi Jizchak von seiner ersten Fahrt zu Rabbi Schmelke von Nikolsburg, die er gegen den Willen seines Schwiegervaters unternommen hatte, zurückkehrte, herrschte der ihn an: 'Nun, was hast du schon bei ihm gelernt?!' 'Ich habe erlernt, antwortete Levi Jizchak, 'dass es einen Schöpfer


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der Welt gibt'. Der Alte rief einen Diener herbei und fragte den: 'Ist es dir bekannt, dass es einen Schöpfer der Welt gibt?' 'Ja', sagte der Diener. 'Freilich', rief Levi Jizchak, 'alle sagen es, aber erlernen sie es auch?' "


Auch diese Geschichte mag ich sehr, denn sie sagt mir etwas für jeden Tag Wichtiges: Es kommt nicht darauf an, zu glauben, dass es einen Schöpfer gibt, sondern es zu "erlernen" d.h. dem entsprechend zu leben!


Ich bin sicher: Wir alle würden anders, viel ehrfurchtsvoller mit der uns umgebenden Schöpfung umgehen, wenn uns täglich bewusst wäre: Er, der Ewige, der lebendige Gott hat dies alles wunderbar geschaffen: Den Strohhalm und die Sterne, das Sandkorn und das Meer, den Wal und meinen Nachbarn auf der Kirchenbank und den Nachbarn zu Hause, und dich und mich. Wie der Kirchenvater Dionysius Areopagita schrieb, ein ganz tiefsinniges Wort: "Alles ist nur in Gott, was es ist...Nur weil Gott ist, ist der Stein ein Stein...Nur weil Gott ist, ist das Leben lebendig...In allem, was ist, leuchten seine Strahlen, sehen wir den Abglanz seiner Herrlichkeit". "In ihm leben, weben und sind wir". In Gott. Wenn uns das doch bewußt wäre und würde! Dann wäre die Trennung von Glauben und Wissen, geistlich und weltlich, Sonntag und Alltag überholt. Dann verhalten wir uns wieder ähnlich wie unsere Vorfahren, die kein Haus ohne den Segen Gottes bezogen, die ein Kreuz schnitten in das Brot, das sie buken, für die das Tischgebet selbstverständlich war und die z.B. auch vielen Pflanzen Namen gaben, die sie an Gott erinnerten: Christrose, Weihnachtsstern, Passionsblume - alles in dem Wissen: "In ihm, in Gott, leben, weben und sind wir".


Und nun zieht Paulus ja die logische Konsequenz daraus und sagt: Wir alle sind dann natürlich auch Gott dem Schöpfer und Eigentümer der Welt und unseres Lebens verantwortlich! Er sagt seinen Zuhörern: Dieser Gott "hat einen Tag festgesetzt, an dem er den Erdkreis richten will mit Gerechtigkeit durch einen Mann, den er dazu bestimmt hat, und hat jedermann den Glauben angeboten, indem er ihn von den Toten auferweckt hat".


Wir hören hier klipp und klar: Gott wird einmal mit Gerechtigkeit richten. Alles kommt dann ans Licht. Nichts wird vergessen. Jeder - auch der, der nach dem Motto lebt: Nach mir die Sintflut, jeder, der sich skrupellos bereichert hat, auch jeder von uns hier wird aufgrund seines Verhaltens gerichtet. Und ich weiss zwar nicht wie, aber ich weiss: Auch die Opfer: Die Gequälten, die Verhungerten, die Gefolterten werden dann zu ihrem Recht kommen, werden getröstet und mit Freude erfüllt werden.


Und der von Gott eingesetzte Richter wird der jüdische Wanderprediger Jesus sein. Welches der Massstab für sein Urteil ist, das hat er uns rechtzeitig gesagt, wir haben's eben in der Lesung gehört: Ich bin hungrig, durstig, nackt, gefangen, ein Ausländer gewesen und ihr habt zu mir essen gegeben, ein Glas Wasser gereicht, mich besucht und mich bei euch aufgenommen.


Die das getan haben, die wissen das überhaupt nicht mehr. Sie haben das ganz selbstverständlich, ganz selbst-los getan. Sie hatten das nicht mehr nötig, sich etwas vor sich oder anderen darauf einzubilden oder sich vor Gott etwas durch gute Werke verdienen zu wollen. Sie sind wahrhaft freie Menschen. Weil sie in der dankbaren Gewissheit leben und handeln: Der Richter aller Welt ist ja mein Heiland und Erlöser, der mir die Gnade, den Freispruch Gottes erworben hat. Und - wie es ein alter Spruch sagt -: Weil er alles für unser Heil getan hat, darum können wir nun garnicht genug für das Wohl der Welt tun - nicht um uns die Gnade noch erwerben zu wollen, wir haben sie ja längst geschenkt bekommen,

sondern aus dankbarer Ehrfurcht.


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"Ihre Leute, vergesst nicht, Gott zu fürchten", rief der Rabbi in die Menge hinein, die Gott in

ihrem Alltagsverhalten vergass. Lasst uns zu denen gehören, die in Ehrfurcht vor Gott leben, in dem Bewusstsein: Wir leben in Gott wie der Fisch im Wasser. Und er ist nicht unbekannt geblieben, sondern hat uns klipp und klar gezeigt, wie wir nach seinem Willen leben können, indem er Jesus auferweckte. Er, unser Erlöser befreit uns dazu, in Vertrauen, Zuversicht und Liebe zu leben, in Liebe zur Schöpfung, zu mir selbst und zum Nächsten.


Darum: Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus unserm Herrn. Amen.