Predigt zum Erntedankfest 2000 im Frühgottesdienst in Essen-Rellinghausen

(Pfarrer Martin Quaas)

 

Wir singen: Wir pflügen und wir streuen...508, 1 und 2

Psalm 104 i.A.  - Gebet

Lesung: Jesaja 58, 7 - 11

Als Glaubensbekenntnis: Luthers Erklärung zur Vaterunser - Bitte: Unser täglich Brot gib uns heute...(EG S.1320)

Wir singen: Nun preiset alle...502,1-3

Predigt: Gal.6,7-10

Wir singen: Herr, die Erde ist gesegnet...512, 1.2.6

Fürbitten - Vaterunser

Wir singen den Kanon: Die Herrlichkeit des Herrn bleibe ewiglich... 640

 

 

Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserm Vater und dem Herrn Jesus Christus. Wir hören auf den Predigttext für den 15. Sonntag nach Trinitatis aus dem Brief des Paulus an die Gemeinde in Galatien und bei uns. Der Apostel schreibt:

 

Irret euch nicht! Gott läßt sich nicht spotten. Denn was der Mensch sät, das wird er ernten.

Wer auf das Fleisch sät, der wird vom Fleisch das Verderben ernten; wer aber auf den Geist sät, der wird von dem Geist das ewige Leben ernten.

Laßt uns aber Gutes tun und nicht müde werden; denn zu seiner Zeit werden wir auch ernten, wenn wir nicht nachlassen.

Darum, solange wir noch Zeit haben, laßt uns Gutes tun an jedermann, allermeist aber an des Glaubens Genossen.

 

 

Liebe Gemeinde,

 

                                                                       I

 

„was der Mensch sät, das wird er ernten“. Dieser Satz gehört ja sicher zu den bekanntesten Bibelworten. Er ist – wie so viele Redewendungen der Bibel – in den allgemeinen Sprachgebrauch eingegangen.

 

„Was der Mensch sät, das wird er ernten“.

 

Das klingt zunächst so wie eine schlichte Lebensweisheit.

 

Und es ist ja tatsächlich so: All unser Reden und Tun ist auch ein Säen. Was ich im Konfirmandenunterricht tue, ist ein Säen. Was Sie in Beruf und Familie tun, ist in vielfältiger Weise ein Säen – auf Hoffnung hin. All unser Tun hat Folgen, hat Auswirkungen. Und wir ernten – wenigstens im allgemeinen – unserem Säen entsprechend.

 

Beispiel: Wer freigebig und großzügig ist, wird im allgemeinen Anerkennung und Dankbarkeit ernten. Wer dagegen immer griesgrämig dreinschaut, kiebig, kniepig,

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kleinkariert ist – der wird eher Ablehnung ernten. Wer sein Leben auschließlich auf Geld, Fitness,Erfolg und Leistung gründet – der wird im Alter innere Leere,vielleicht Bitterkeit empfinden. Und für unsere ganze Gesellschaft gilt: Wenn wir weiter soviel  Unnützes haben wollen  und so verschwenderisch dahinleben, wird’s uns gehen wie im Märchen vom süßen Brei: Wir werden am Überfluß ersticken.

 

Wir ernten unserm Säen entsprechend.

 

 

                                                                       II

 

Aber nun steht dieser Satz ja unter einem großen Vorzeichen: Paulus sagt: Irret euch nicht, Gott läßt sich nicht spotten!

 

Der Apostel sieht – wie die ganze Bibel – unser Leben im Lichte Gottes, er sieht unser Leben in seiner Verantwortung vor Gott. Er erinnert uns daran: Unser Leben ist Geschenk von Gott, und alles, was wir haben, sind Gaben Gottes, auch unsere menschlichen Fähigkeiten sind Gaben, die wir entfalten sollen – um mit ihnen der Ehre Gottes zu dienen.

 

Und damit bekommt die allgemeine Wahrheit: Was der Mensch sät, das wird er ernten, mit einemmal eine atemberaubende Tiefendimension und einen ungeheuren Ernst, der Apostel drückt es so aus:

 

„Wer aufs Fleisch sät, der wird vom Fleisch das Verderben ernten, wer aber auf den Geist sät, der wird vom Geist das ewige Leben ernten.“

 

Fleisch: Wir wissen, damit meint die Bibel nicht einfach sinnlisch-fleischliche Gelüste, sondern mit „Fleisch“ bezeichnet die  Bibel immer den ganzen Menschen mit Leib,Seele und Geist – sofern er gott-los lebt. Fleisch – das ist der „in sich selbst verkrümmte“ Mensch, wie Luther gern sagt, der auf sich selbst fixierte Mensch, der egoistische Mensch, der Ellenbogen – Mensch.

 

Ein aufs Fleisch säender Mensch – ich las kürzlich in den Erinnerungen des Theologen Helmut Gollwitzer eine Passage, die überaus deutlich illustriert, was das ist und welche Folgen das hat, aufs Fleisch zu säen.

 

Er schreibt:

 

„In den  Kapitulationstagen 1945 zogen wir in der Tschechoslowakei an Quartieren der SS und der Gestapo vorbei. Sie hatten die feinsten Villen der Städte, durch die wir kamen, beschlagnahmt. Hier hatten sie als unumschränkte Herren eine verängstigte Bevölkerung tyrannisiert. und jetzt standen sie vor diesen Villen teils betrunken, teils nüchtern und schauten uns vorbeiziehende Landser mit Augen an, in denen die Leere wohnte, in denen das Nichts war, und die ich nie vergessen werde in meinem Leben. Hinter ihnen ihre Saat und vor ihnen die Ernte dessen, was sie gesät hatten: Vergeltung, Haft und Tod. Sie beneideten uns vorbeiziehende Landser, und keiner von uns wollte in ihrer Haut stecken.“

 

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„Wer aufs Fleisch sät, der wird vom Fleisch das Verderben ernten“ – hier schon – und einmal,wenn wir mit dem Ertrag unseres Lebens vor Gott stehen. Wie furchtbar, wenn es einmal von unserem Leben heißen müßte: Vertan. Verdorben. Vergeblich gelebt. Und wir brauchen nicht Beispiele aus der Vergangenheit zu suchen: So viel oberflächliche Vergnügungssucht, Hemmungslosigkeit, Schamlosigkeit – das führt bei so vielen zu einem verdorbenen Leben.

 

 

                                                                       III

 

Aber nun – nun spricht Paulus ja geradezu jubelnd von einer neuen Wirklichkeit, die in die alte Realität hineindringt und sie überwindet:

 

„Wer auf den Geist sät, der wird vom Geist das ewige Leben ernten“.

 

Auf den Geist säen, das ist das, was wir gerade jetzt im Gottesdienst tun. Auf den Geist säen - das heißt: Auf Gott hören, die Worte der Bibel ins Leben hineinnehmen, beten, sich vom Geist Gottes das Leben reinigen, erneuern, mit neuer Kraft erfüllen lassen...

 

Was solch ein auf den Geist säendes Leben ist und bewirkt, dafür gibt Paulus noch drei Konkretisierungen.

 

Einmal: „Laßt uns Gutes tun, solange wir noch Zeit haben“. Also jetzt. Heute. Nichts unnötig aufschieben. Es könnte einmal zu spät sein.

 

Ein-, zweimal ist es mir in meinem beruflichen Dasein passiert, daß ich noch einen Besuch bei einem alten oder kranken Menschen machen sollte/wollte – und ich habe es hinausgeschoben oder vergessen. Und dann war der Mensch gestorben. Es war zu spät.

 

Zweitens: „Laßt uns Gutes tun, allermeist aber an des Glaubens Genossen“. Damit meint Paulus ja nicht, wir sollen unsere Spenden und Hilfeleistungen allein den  Christen zuwenden. So eng ist gerade Paulus nicht. Gerade er weiß und sagt: Die Liebe Gottes gilt dank Christus jedem Menschen ohne Ansehen der Person oder seines Glaubens. Sondern er meint: Fangt bei euch an, in eurem engsten Umkreis. Wenn’s da nicht klappt, wird’s nirgendwo klappen.

 

Und drittens: Laßt uns im Tun des Guten „nicht müde werden, nicht nachlassen“. Bleibt beharrlich dran. Ich finde immer wieder: Beharrlichkeit, Zähigkeit, Ausdauer, Geduld – das sind ganz wichtige christliche Tugenden.

 

Nicht nachlassen, nicht müde werden. Man könnte es ja wirklich. Fortschritte sehen wir wenig, auch bei uns selber manchmal kaum.

 

Dazu diese schöne Geschichte, die Martin Buber überliefert:

 

 

 

 

 

 

 

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„Der Zanser Rabbi pflegte zu erzählen: ‚In meiner Jugend, als mich die Gottesliebe entzündete, meinte ich, ich würde die ganze Welt zu Gott bekehren. Aber bald verstand ich, es würde genug sein, wenn ich die Leute meiner Stadt bekehrte, und ich mühte mich lang, doch wollte es mir nicht gelingen. Da merkte ich, daß ich mir noch immer zu viel vorgenommen hatte, und ich wandte mich meinen Hausgenossen zu. Es ist mir aber nicht geglückt, sie zu bekehren. Endlich ging mir auf: Mich selbst will ich zurechtschaffen, daß ich Gott in Wahrheit und Liebe diene. Aber auch diese Bekehrung habe ich nicht zustandegebracht “.

 

Wir bleiben – mit Luther zu reden – wie Kranke in einem Spital, die allerdings auf dem Wege der Genesung sind – und die die Fürsorge und die Heilmittel Jesu, des Arztes, ständig in Anspruch nehmen dürfen. Das heißt „auf den Geist säen“: Sich von  der Liebe,die wir bei Jesus finden und von ihm empfangen, immer aufs neue trösten, erfreuen, bestärken, erneuern lassen.

 

Heute, zum Erntedankfest – da will er uns vor allem mit Dankbarkeit erfüllen, mit großer tiefer Dankbarkeit dafür, daß es uns so gut geht, daß wir zu essen und zu trinken haben, Kleidung und Wohnung, und liebe Menschen, und eine Gemeinde, und schöne Gottesdienste -   und in dem  allem die Liebe Gottes, von der uns gottlob nichts trennen kann. Darum: Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft,  bewahre unsere Herzen und  Sinne in Christus Jesus unserm Herrn. Amen

 

 




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