Predigt anläßlich der Goldkonfirmation am 25. Oktober 1998

in Essen – Rellinghausen  (Pfarrer Martin Quaas)

 

Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserm Vater und dem Herrn Jesus Christus.

Der Wochenspruch, Ihr Denkspruch, steht im Zusammenhang eines gewaltigen und merkwürdigen Gespräches zwischen Gott und seinem Volk. Ich lese aus Micha 6 die Verse 2 – 8, und zwar nach einer neueren Übersetzung.

 

Hört, ihr Berge, die Klage des Herrn, lauscht, ihr Fundamente der Erde.

Denn im Streit ist der Herr mit seinem Volk, mit Israel führt er einen Prozeß.

 

„Habe ich dir irgend etwas angetan, mein Volk? Habe ich etwa zu viel von dir verlangt? Bring deine Klage vor!“

 

„Ich habe dich doch aus der Sklaverei in Ägypten befreit. Mose, Aaron und Mirjam habe ich dir als Führer gegeben. Denk daran, mein Volk, was der Moabiterkönig Balak gegen dich im Schilde führte und was ihm der Seher Bileam antworten mußte! Denk an den Jordanübergang zwischen Schittim und Gilgal! dann wirst du erkennen, wieviel Gutes ich für dich getan habe!“

 

„Womit soll ich vor den Herrn treten, diesen großen und erhabenen Gott? Was soll ich ihm bringen, wenn ich mich vor ihm niederwerfe? Soll ich einjährige Rinder als Opfer auf seinem Altar verbrennen? Kann ich ihn damit erfreuen, daß ich ihm Tausende von Schafböcken und Ströme von Olivenöl bringe? Soll ich meinen erstgeborenen Sohn opfern, damit er mir meine

Schuld vergibt?“

 

„Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was Gott bei dir sucht, nämlich

Gottes Wort halten

und Liebe üben

und aufmerksam mitgehen mit deinem Gott.“

 

Liebe Goldkonfirmanden, liebe Gemeinde!

 

Ein gewaltiger Rechtsstreit! Himmel und Erde, Höhen und Tiefen der Schöpfung werden zu Zeugen aufgerufen! Gott führt Klage gegen sein Volk. Und zu Gottes Volk gehören durch die Taufe ja auch wir hier.

 

Zur Frage steht : Was ist gut für den Menschen – und tut er es auch?

 

Und nun eröffnet Gott den Rechtsstreit mit den Worten:

„Habe ich dir irgend etwas angetan, mein Volk? Habe ich etwa zu viel von dir verlangt? Bring deine Klage vor!“

 

Aber: da ist keine Antwort. Stattdessen Schweigen. Gottes Klage, Gottes Anklage bleibt ohne Echo. Damals wie auch heute oft. Vielleicht auch bei uns?

 

Der ach so überlastete, gehetzte, atemlose Mensch hört Gottes Anfragen an ihn nicht.

Er ist „reizüberflutet“. Er setzt sich ständig so vielen Einflüssen aus: Bildern, Worten, Informationen durch Fernsehen, Radio, Internet neuerdings, daß sein Ohr ganz verstopft ist. Er kann Gott nicht mehr hören.

 

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Aber Gott gibt nicht auf. Er bedrängt ,  ja er bestürmt ihn geradezu mit Fragen (wie es geschehen kann zwischen zwei Menschen, die einander einmal geliebt haben, aber bei einem ist die Liebe erkaltet, erloschen, gestorben), so bestürmt Gott sein Volk geradezu: „Ich habe dich doch aus der Sklaverei in Ägypten befreit. Ich habe dir Mose, Aaron und Mirjam als Führer gegeben. Und erinnere dich doch daran, wie ich den Fluch, der durch Bileam über dich kommen sollte, in Segen wandelte...Und, wie ich dich über den Jordan geführt habe, hinein ins gelobte Land, wo Milch und Honig fließt.“ Er nennt  die großen Namen  aus den Anfängen der großen Liebes- und Befreiuungsgeschichte Gottes mit seinem Volk. Wir könnten weitere Namen nennen, große bekannte Namen wie die von Bonhoeffer, Niemöller, Martin Luther King oder Mutter Teresa, auch die Namen unserer großen Reformatoren Luther, Calvin...aber auch unbekanntere Namen, Namen von Christen,  die für Ihren Glauben, Ihr Leben wichtig wurden, mag sogar sein, es gehören die Namen der Pastoren,die Sie konfirmierten, dazu!   Und Gott nennt Ereignisse der Befreiung, der Bewahrung, der Führung Gottes! Er möchte, daß wir erkennen, was er für uns getan hat, daß wir uns dankbar daran erinnern, wie er  bei unserem ganzen Volk Fluch in Segen verwandelt hat, wieviel Gutes er uns getan hat wie er uns gut geführt hat! Überlegen Sie nur einmal: Was wäre Ihr Leben ohne Jesus?

 

Mit  einer leidenschaftlichen, im Grunde mehr klagenden als anklagenden Rede eröffnet Gott den Rechtsstreit mit seinem verstummten Volk.  Und er will unsere Antwort.

 

Ich glaube, Gott will gar nicht unbedingt, daß wir immer fest an ihn glauben. Er kann sicher verstehen, wenn uns das Vertrauen in seine Liebe, in seine treue Führung oft schwer fällt. Aber was er will, das ist, daß auf jeden Fall immerhin etwas zwischen ihm und uns passiert. Daß da eine Beziehung ist, ein Geschehen zwischen ihm und uns. Er möchte, daß wir ihm unsere Freude, unsere Dankbarkeit sagen.  Wir sollen aber auch ruhig ihn anklagen, mit ihm schimpfen, unseren Zorn , unser Leiden an ihm, unsere Enttäuschung über ihn herauslassen, auch, wenn uns danach ist, ihn anschreien –  Hauptsache es passiert etwas zwischen ihm und uns! Das, was für Gott unerträglich ist, das ist diese Antwortlosigkeit, Gleichgültigkeit, Vergeßlichkeit ihm gegenüber.. Das hält Gott offenbar nicht aus.

 

Und nun bleibt das Reden Gottes doch nicht ganz ohne Antwort. Eine Stimme meldet sich zu Gehör, tastend, fragend, eine beschämte Einzelstimme: „Womit soll ich vor den Herrn treten, diesen großen und erhabenen Gott? Was soll ich ihm bringen, wenn ich mich vor ihm niederwerfe? Soll ich einjährige Rinder als Opfer auf seinem Altar verbrennen? Kann ich ihn damit erfreuen, daß ich ihm  Tausende von Schafböcken und Ströme von Olivenöl bringe? Soll ich meinen erstgeborenen Sohn opfern, damit er mir meine Schuld vergibt?“

 

Immer mehr, bis ins Krankhafte steigert sich hier die Verzichtsbereitschaft, die Opferbereitschaft. Es gibt menschliche Versuche, sich Gottes Freundlichkeit erdienern oder erkaufen zu wollen, die ins Krankhafte gehen.

 

Stattdessen gibt Gott nun die Antwort, die alles enthält, was er von uns möchte: Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist...

 

 Aber hier muß ich gleich einhalten. Wie voller Bedeutung ist jedes einzelne Wort! Es ist dir gesagt, Mensch. Also dem Menschen überhaupt, der Menschheit, den Menschen in allen Religionen. Und zugleich: Dir ganz persönlich. Dir. Mir.  Jedem von uns persönlich. Wir sollen uns nicht hinter Anderen verschanzen. Wir sollen nicht sagen: „Die Kirche...“ und dann

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ihre Fehler oder ihre Lauheit beklagen...Ich und Du, wir sind die Kirche. Erinnern Sie sich daran, was Sie damals bei der Konfirmation durch Pfarrer Pack, Pfarrer Renckhoff gelobten?

 

 Und: Es ist dir gesagt, Mensch,  was Gott von  dir, von mir möchte – in den Zehn Geboten, in den  Worten und Taten Jesu, in der ganzen Bibel.

 

Darin liegt zunächst einmal eine große Entlastung! Wir brauchen nicht ständig zu suchen, wir brauchen uns nichts Neues auszudenken. Wir heutigen Menschen wollen ständig Neues. Auch in der Kirche: Ständig „neue Ideen“, „neue Wege“, „neue Leute“...aktuell, modern sein, mit der Zeit gehen...

 

Ach was. Das Bewährte ist da. Es ist längst gesagt. Es steht da. Natürlich muß es verständlich, überzeugend und glaubwürdig mitgeteilt werden, aber es ist da. Wir brauchen keine neuen Angebote. Wenn wir heute das Leben bestehen und sinnvoll gestalten wollen, dann geht das mit den gleichen Rezepten, die sich Jahrhunderten bei Christen bewährt haben: Bibel lesen, beten, in der Gemeinde mitmachen.

 

 

 

Und nun wird uns konkret gesagt, was das Gute ist, das Gott von uns erwartet, das er bei uns sucht, ein Dreifaches (ich übersetze möglichst wörtlich aus dem Hebräischen):

-    Gottes Rechtsordnung tun

-         Freundlichkeit lieben und

-         aufmerksam mitgehen mit  Gott.

 

Gottes Rechtsordnung tun: Die zehn Gebote, das ist Gottes Rechtsordnung. Hier wird

deutlich, welches Recht Gott  hat und  mein Nächster hat: Er ist der, den ich nicht belügen soll, den ich nicht töten, dessen Hab und Gut ich nicht an mich reißen soll, in dessen Ehe ich nicht einbrechen soll, nach dessen Besitz ich nicht schielen soll. Diese Rechtsordnung Gottes tun – das ist das Gute.

 

Gott liebt das Recht, so heißt es immer wieder in der Bibel. Er liebt  das Recht des Fremden, des Armen, des Verachteten...

 

Das Zweite: Freundlichkeit lieben. Wie wohltuend ist Freundlichkeit im Alltag: Ein freundlicher Gruß auf der Straße, eine freundliche Begrüßung im Vorraum der Kirche. Von Jeremias Gotthelf las ich kürzlich den Satz: „Freundlichkeit ist eine viel wichtigere Tugend, als man gewöhnlich glaubt.“ Die unscheinbaren Dinge –welch große Wirkungen können sie haben!

 

Und das Dritte: Wach, aufmerksam mitgehen mit deinem Gott. Aufmerksam sein für Gott –für seine leise Stimme im Alltagsgetriebe, für seine Warnungen, seine Hilfen, seine Engel vielleicht...Wie oft mag er uns schon Engel gesandt haben, die uns beschützt haben, die uns eine Botschaft von ihm überbrachten...Aufmerksam mitgehen mit deinem Gott. Gleich werden wir vielleicht davon hören, einander erzählen, wie der Weg Gottes mit uns war, wo und wie wir mit Gott, er mit uns mitgegangen ist..

 

Und wenn Sie an Ihre Zukunft denken?

 

 

 

Dann gilt auch für die kommende Zeit:

 

Es ist dir gesagt, was gut ist und was Gott bei dir sucht:

Seine Rechte halten,

Freundlichkeit lieben

und aufmerksam mitgehen mit ihm. Mit Jesus gemeinsam durchs Leben gehen.

Das ist gut. Das ist das Beste für’s Leben.

 

Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus unserm Herrn. Amen




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