Lieder: All
Morgen ist ganz frisch und neu...440
Ich weiß, mein Gott, daß all mein Tun...497
Psalm 13 -
Lesung: Matth. 25, 14 - 30
Fürchte dich nicht vor ihnen; denn ich bin bei dir und
will dich erretten, spricht der Herr.
Siehe, ich setze dich heute über Völker und Königreiche, daß
du ausreißen und einreißen, zerstören und verderben sollst und bauen und
pflanzen...
So gürte nun deine Lenden und mache dich auf und predige ihnen alles, was ich dir gebiete. Erschrick nicht vor ihnen, auf daß ich dich nicht erschrecke vor ihnen!
Denn ich will dich heute zur festen Stadt, zur eisernen
Säule, zur ehernen Mauer machen im ganzen Lande gegen die Könige Judas, gegen
seine Großen, gegen seine Priester, gegen das Volk des Landes,
daß, wenn sie auch gegen dich streiten, sie dir dennoch
nichts anhaben können; denn ich bin bei dir, spricht der Herr, daß ich dich
errette.
Und hier
meldet sich ja gleich eine Frage an alle,die von Gott den Auftrag der
Verkündigung haben: Hören und sagen
wir, was Gott uns zu sagen gibt?
Wissen wir, daß wir eine Berufung von Gott und einen Auftrag von ihm haben?
Wie es bei
Jeremia dazu kam,davon berichtet er im heutigen Predigttext.
Wir hören
-
von Gottes
Anruf an ihn
-
von dem
Auftrag, den Gott ihm gibt
2
- und von der Wirkung dieses Auftrags.
I
1. Gottes Ruf an ihn
Es ist im Jahr
627 vor Christus. Jeremia ist 23 Jahre alt. Da begegnet ihm der lebendige Gott
ganz unmittelbar. Er sagt zu ihm: „Ich
kannte dich, ehe ich dich im Mutterleib bereitete, ich sonderte dich aus, ehe
du von der Mutter geboren wurdest, ich bestellte dich zum Propheten über die Völker“.
Ehe Jeremia
empfangen und geboren wurde, hatte Gott
also schon bedacht, welchen Sinn, welche Bedeutung dieses Leben haben sollte.
Wie absolut anders wird hier Tiefe und Bedeutung eines Menschenlebens gesehen
als etwa in der derzeitigen gentechnologischen Diskussion, wo das Klonen
menschlicher Embryos von manchen gewollt wird. Stattdessen: „Jeder Mensch ist
ein Gedanke Gottes“, so hat es einmal jemand formuliert. Gilt das auch von uns?
Hat unser Leben solch eine unersetzliche einmalige Bedeutung in Gottes Plänen?
Auf jeden Fall
soll jeder, ob jung, ob alt, ob schwach oder stark, so von sich denken: Mein
Leben ist für Gott wichtig, er kann und will mich berufen, gebrauchen, ich
soll jedenfalls – und das ist ja der
Sinn des eben gehörten Gleichnisses Jesu –
ich soll meine Begabungen, meine Talente nicht brach liegen lassen.
Aber
vielleicht haben Sie solch eine Berufung durch Gott noch nie gehört? Auch
Jeremia wußte jahrelang nichts davon, was Gott mit ihm vorhatte.Wir hören in
den ersten Versen des Jeremiabuchs von ihm: Er wächst auf in Anatoth, einem
kleinen Dorf 7 km südöstlich von Jerusalem. Eine Reihe von Priesterfamilien
wohnte dort, auch Jeremias Vater tat Dienst im Jerusalemer Tempel,
wanderte,wenn er mit seinem Dienst an der Reihe war, die anderthalb Stunden
Fußweg durch die karge steinige Landschaft hin zum Tempel – und übliche Sitte
war, daß auch der Sohn einmal in die beruflichen Fußstapfen des Vaters treten
würde.
Pfarrerssohn und
Theologiestudent ist er also, könnte man heute sagen – und alles war ihm
selbstverständlich: daß Gott da ist, und daß man ihm im Tempel dient und daß er
das auch einmal tun würde... und dann,
eines Tages, begegnet ihm der lebendige Gott direkt und ganz überwältigend,
legt seine Hand auf ihn, rührt seinen Mund an und sagt: Ich lege meine Worte in deinen Mund.
Jeremia wehrt
ab: Ich kann nicht predigen, ich bin ja
viel zu jung. Und Gott läßt das nicht gelten , sondern entgegnet ihm mit dem
Satz, den – zu meiner Überraschung –
sich einer unserer Söhne seinerzeit als Konfirmationsspruch auswählte: Sage nicht, ich bin zu jung, sondern du
sollst gehen, wohin ich dich sende, und reden, was ich dir gebiete.
Und von jetzt
an wird Gott dem Jeremia alles andere als selbstverständlich, sondern im
Gegenteil oft tief verborgen, rätselhaft und dunkel. Manchmal wird ihm, was
Gott
von ihm
verlangt, übermenschlich schwer. Wie tief hat er an Gott gelitten – aber auch:
wie sehr hat er an Gott gehangen, wie hat er ihn geliebt.
3
II
Und in der
Tat: welch einen gewaltigen Auftrag erhält
Jeremia bei seiner Berufung von Gott! „Ich
setze dich heute über Völker und Königreiche, daß du ausreißen und einreißen,
zerstören und verderben sollst – und bauen und pflanzen“.
Wir hören
hier: Gott ist der Herr der Geschichte, der Lenker der Geschicke der
Völkerwelt. Wir, die Kirche, sind ihm nur insofern wichtig,als wir von ihm
einen Auftrag für die Völkerwelt haben, nämlich sein Wort in der Völkerwelt zu
verkündigen und zu tun. Nicht um ihrer selbst willen ist die Kirche da, sondern
sie hat einzig und allein darin und dann Bedeutung, wenn sie Salz und Licht für
die Völker ist, wenn sie das Reich Gottes – also Gerechtigkeit, Frieden, Liebe
und Wahrheit unter den Völkern ausbreitet und wenn sie ihr Wächteramt in Staat
und Gesellschaft wahrnimmt.
Jeremia konnte
nicht anders: Er hat in der Tat diesen schweren Auftrag Gottes wahrgenommen,
hat den politischen und
wirtschaftlichen Machthabern den Einsturz ihrer hochfliegenden Pläne
angekündigt, hat ihr arrogantes Gehabe gestört, ihr politisches Fehlverhalten
angeprangert. Er gerät darüber in tiefen Konflikt mit seinen Priesterkollegen,
muß denen, mit denen zusammen er aufgewachsen war, Verdorbenheit, Lauheit,
Feigheit vorwerfen, und sie ihrerseits planen, ihn wegen seiner kompromißlosen
Verkündigung zu beseitigen und
umzubringen. Er wird einer, so würden
wir sagen, der nur noch so für die Kirche dasein kann, daß er ständig gegen sie
ist – das Gegenteil eines beliebten Pastors oder gar „netten Pfarrers“.
Und ist das
nicht alles sehr aktuell? Auch mir scheint unsere Kirche in vielem viel zu
angepaßt. Ein Beispiel von vielen, die ich nennen könnte: da steht jetzt in der
Zeitung, es sei beschlossen, der Essener Weihnachtsmarkt solle zeitlich noch
weiter vorverlegt werden, nun schon auf Montag vor Buß- und Bettag, der ohnehin
ohne nennenswerten kirchlichen Widerstand abgeschafft wurde – und niemand regt
sich über diese Mitteilung auf, kein Leserbrief, kein Protest, wir nehmen als
Christen offenbar alles mittlerweile hin, schwimmen mit im Strom, anstatt das
gewaltige Machtmittel einzusetzen, das Gott uns anvertraut.
Und das war
bei Jeremia einzig das Wort, das Gott
ihm zu sagen gab. Das ist auch unser einziges Machtmittel. So wie es in der 4.
Barmer These heißt: „Die Kirche vertraut
und gehorcht allein der Kraft des Wortes, durch das Gott alle Dinge trägt“.
Oder, um den Dichter Jeremias Gotthelf zu zitieren: “Das Wort ist unendlich
mächtiger als das Schwert, und wer es zu führen weiß in weiser starker Hand,
ist viel mächtiger als der mächtigste der Könige“. In der Tat: Durch die Worte
der Bibel, die in die Gegenwart hineintreffen, können und sollen wir zum
Einsturz von Weltanschauungen beitragen, den Zusammenbruch wirtschaftlicher
Imperien und überheblicher Gedankensysteme bewirken - aber auch aufbauen und
pflanzen: können also durch das Erzählen von biblischen Geschichten, durch
Singen und Beten Kindern ein solides Fundament für ihr Leben, können durch
hilfreiche Worte Jugendlichen einen festen Halt und klare Orientierung geben,
können im Leben von
Menschen Segen
und Gedeihen bewirken....All dies durch das Wort, das Gott uns zu sagen gibt.
Dem allein sollen wir in der Kirche alles zutrauen. Obwohl man immer wieder
sagen muß: Die Wirkung bleibt oft so unsichtbar, man sieht so wenig von
4
seiner Macht,
wie schwach scheint das Wort...Und darum kann man verstehen, wenn manche
Pastoren lieber sichtbare Erfolge vorweisen wollen: Gebäude errichten oder
Bücher schreiben...
Aber wir sollen
und dürfen von dem Wort der Bibel, dem Wort der Verkündigung das gleiche
erwarten, was Jeremia einmal von ihm sagt: „Dein
Wort ward meine Speise, sooft ich’s empfing, und dein Wort ist meines Herzens
Freude und Trost“ (Jer,15,16). Und ich finde, das merken wir immer wieder etwa im Bibelgesprächskreis.
III
Drittens
also: Es gibt Beweise für die ungeheure
Wirkung des Wortes Gottes, das
Jeremia weitergab. Einmal: Diese 25oo Jahre alten Worte sind bis heute
lebendig und wirksam.Jeremia ist „Prophet
für die Völker“ geblieben – bis heute und auch noch in Zukunft. Seine Worte
werden ja bis zu diesem Augenblick in der Völkerwelt verkündigt und wirken
fort. Alle andere Worte von damals sind vergangen, waren mehr oder weniger
Schall und Rauch, dieses Wort bleibt, weil es Gottes eigenes Wort ist. Darum
lest es! Von Montag nächster Woche an sind übrigens ausgerechnet Jeremiatexte im Losungsbüchlein als
fortlaufende Bibellese angegeben.
Und welche
Wirkung hatte Gottes Wort für Jeremia selbst?
Einerseits
wurde es ihm unerhört schwer, dieses Wort weitersagen zu müssen, er geriet dadurch in tiefe Einsamkeit und
erlebte anscheinend nur Erfolglosigkeit: Er konnte das Unheil für sein Volk
trotz seiner beschwörenden Warnungen nicht abwenden, sondern mußte die
Zerstörung des Tempels und der Stadt Jerusalem miterleben, als
Vaterlandsverräter wurde er unmittelbar, bevor die Babylonier in die Stadt
eindrangen, in eine Jauchegrube geworfen,von einem Häufchen Überlebender dann
nach Ägypten verschleppt - er war inzwischen
wohl über siebzig Jahre alt.
Und die
Legende berichtet - die Bibel in ihrer Abneigung gegen alle Helden- und
Märtyrerverehrung hält es nicht für nötig,das überhaupt zu erwähnen - die
Legende berichtet, er sei dort in Ägypten von seinen verzweifelten
Volksgenossen zu Tode gesteinigt worden.
Es bleibt eins
der Geheimnisse Gottes, warum er seine
größten Boten – allen voran Jesus selbst – oft so tief in scheinbaren
Mißerfolg, Scheitern, Leiden und Verzweiflung führt.
Und doch, bei
ihnen allen machte und macht er auch alle seine Verheißungen wahr, läßt sie
seine Nähe spüren, gibt ihnen Glück und Erfüllung im Gehorsam gegen ihn.
Auch seine
Zusage an Jeremia hat er wahrgemacht: “Ich bin bei dir, daß ich dich errette“.
Ich denke,
auch Jeremia hätte das, was wir eingangs im 13. Psalm beteten, von Herzen
nachgesprochen. Die klagende, bange Frage: „Wie lange, wie lange....“ zum
einen, aber vor allem das, wohinein die Worte dieses Psalms münden: „Ich aber
traue darauf,daß du so gnädig bist, mein Herz freut sich, daß du so gerne
hilfst. Ich will dem Herrn singen, daß er so wohl an mir tut!“
So segne Gott
sein Wort auch an uns, Amen.