Lieder:
Die güldene Sonne bringt Leben und Wonne...444
Ein reines Herz, Herr, schaff in mir...389
Komm in unsre stolze Welt...428
Anbetung, Ehre, Dank und Ruhm...281, 3
Psalm 130
Lesung: Lukas 19, 41 - 48
Der heutige Predigttext ist aus dem Buch des Propheten Jeremia. Sein Leben und seine Botschaft ist übrigens in unvergleichlicher Weise dargestellt in dem Buch, das der Dichter Franz Werfel 1938 in prophetischer Klarheit schrieb: Jeremias. Höret die Stimme. (Jer. 7 = 19. Kapitel: Jojakim und Konjah)
Ich lese aus Jeremia 7 die Verse 1 – 11:
Dies
ist das Wort, das vom Herrn geschah zu Jeremia:
Tritt ins Tor am Hause des Herrn und rufe dort dies Wort und sprich: Höret des Herrn Wort, ihr alle von Juda, die zu diesen Toren eingehen, den Herrn anzubeten!
So
spricht der Herr Zebaoth, der Gott Israels:
Bessert euer Leben und euer Tun, so will ich bei euch wohnen an diesem
Ort.
Verlaßt
euch nicht auf Lügenworte, wenn sie sagen: Hier ist des HerrnTempel, hier ist
des Herrn Tempel, hier ist des Herrn tempel!
Sondern
bessert euer Leben und euer Tun, daß ihr recht handelt
einer
gegen den andern
und
keine Gewalt übt gegen Fremdlinge, Witwen und
Waisen und nicht unschuldiges Blut vergießt an diesem Ort und nicht
andern Göttern nachlauft zu eurem eigenen Schaden,
so will
ich immer und ewig bei euch wohnen an diesem Ort, in dem Lande, das ich euren
Vätern gegeben habe.
Aber
nun verlaßt ihr euch auf Lügenworte,
die zu nichts nütze sind.
Ihr
seid Diebe, Mörder, Ehebrecher und Meineidige und opfert dem Baal und lauft fremden Göttern nach, die ihr nicht
kennt.
Und
dann kommt ihr und tretet vor mich in diesem Hause, das nach meinem Namen
genannt ist, und sprecht: Wir sind geborgen, - und tut weiter solche Greuel.
Haltet
ihr denn dies Haus, das nach meinem Namen genannt ist, für eine Räuberhöhle?
Siehe, ich sehe es wohl, spricht der Herr.
Liebe Gemeinde,
stellen wir uns die Situation vor Augen. Es ist das Jahr 601 vor Christus. Im Jahr 609 war der gottesfürchtige König Josia, der den Über-Mut gehabt hatte, sich dem ägyptischen Pharao Necho in einer Schlacht bei Megiddo entgegenzustellen,
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in dieser Schlacht getötet worden. Pharao Necho setzt den schwachen Jojakim zum Nachfolger ein. Aber der begeht dann die Verrücktheit, sich gegen die neu aufkommende Vormacht, die Babylonier unter ihrem König Nebukaderezar, aufzulehnen. Es war Brauch, daß König und Tempelpriester - also Thron und Altar - im Bündnis miteinander versuchten, das Volk in diesen politischen Krisenzeiten vor
Mutlosigkeit oder Aufbegehren zu bewahren, es sozusagen in Sicherheit zu wiegen und einzulullen. Also feierte man etwa glanzvolle Gottesdienste im Tempel und sagte: Gott ist mit euch, er wird euch schon beschützen. Vertraut nur eurem König und eurem Gott. Und nun gehen Menschen aus Jerusalem und Umgebung zu einem dieser Tempelgottesdienste. Sie gehen hinauf auf den Berg Zion, auf dem der Tempel Jahwes stand, den König Salomo hatte bauen lassen. In Scharen strömen sie herbei. Vielleicht schwatzen sie fröhlich. Vielleicht sind sie in Gedanken schon beim Festessen nach dem Gottesdienst.
Da steht Jeremia am Tor zum inneren Tempelvorhof. Er steht da, wie wenn heute einer oder eine vor den Treppenstufen dort am Eingang unserer Kirche stehen würde.
Und er ruft, dem Sinn nach: He – habt ihr völlig vergessen: Zum Gottesdienst geht man nicht wie zu einem Theaterbesuch! Wenn ihr zum Gottesdienst geht, dann tretet ihr mit euren Mitmenschen vor den heiligen Gott, den unfaßlichen Schöpfer des All...!
Aber – fährt er dann fort - wer seid ihr denn, daß ihr es überhaupt wagt, euch Gott zu nähern! Ihr habt Menschen durch Worte und Taten verletzt, ihr habt die Ehe gebrochen, lauft Götzen nach, das Elend Anderer kümmert euch kaum...und jetzt geht ihr zum Gottesdienst...und gleich anschließend fangt ihr wieder an, die Gebote Gottes zu übertreten und ihn genauso wenig ernst zu nehmen wie vor dem Gottesdienst!
Ja, so ruft er aus - und Jesus, der auch wie ein Gerichtsprophet und mit geißelnden Worten auftreten konnte, wird es ihm nachtun (Lukas 19; Schriftlesung) -: Ist das Haus Gottes denn eine Räuberhöhle? Ein Ort, wo Diebe und Verbrecher zusammenkommen? Ihr denkt, hier sei Gott euch ganz selbstverständlich nahe und lasse euch – wieder einmal – ausrichten, daß ihr seine Kinder wärt, die er liebhat...Nein! Wer Gottes Willen nicht tut, von dem wendet Gott sich ab. Wenn ihr so weitermacht wie jetzt und euch nicht entscheidend bessert, werdet ihr zugrundegehen und dies Haus Gottes hier wird zerstört werden.
Und so ist es dann auch gekommen. Denn die Menschen änderten sich nicht. Es war knapp 20 Jahre nach diesen Worten des Jeremia, daß die Babvlonier die Stadt Jerusalem mitsamt dem Tempel in Schutt und Asche legten und die Besiegten in die Sklaverei schleppten.
Könnte denn uns Ähnliches bevorstehen? Könnten denn diese Worte des Jeremia auch uns gelten? Ist es nicht so, daß auch wir Gewalt gegen Fremde üben - sowohl hier im Lande wie auch dadurch, daß wir Europa zu einer Festung gegen sie machen, möglichst mit Auffanglagern schon in Afrika, so daß die Fremden, die ja nur an unseren Wohlstand wollen, garnicht erst bis zu uns kommen können. Und ist es
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nicht so, daß auch wir andern Göttern nachlaufen, vor allem dem Obergötzen Mammon. Vor die Frage gestellt: Was ist uns wichtiger: Der Gott der Bibel oder das Geld – Hand aufs Herz, was würden Sie antworten?
Stellen wir uns nun dreierlei vor Augen:
1. die Vollmacht, in der der Prophet spricht, also daß er so redet, wie er redet
2. Seine Botschaft, also was er zu sagen hat und
3. die Absicht, mit der Gott durch ihn redet, also wozu seine Worte dienen sollen.
I
1. Die Vollmacht Jeremias – daß er so redet, wie er redet
Jeremia kann diese Worte nur sagen, weil Gott vorher zu ihm gesprochen hat. Er muß das sagen, was Gott ihm aufgetragen hat. Er muß. Er kann nicht anders. Er muß Gott auf Gedeih und Verderb gehorchen.
Eine Frage: Hat einer von Euch das schon einmal erlebt, daß es für ihn ganz eindeutig war: Hier spricht Gott zu mir?! Oder daß er ganz sicher war: Gott will, daß ich das jetzt sage! Ich muß das tun, koste es, was es wolle.
Es ist dies sicher vor allem auch eine Frage an alle, die zu predigen, also Gottes Wort und Willen zu verkündigen haben: Lesen und hören wir einen Bibeltext in der Bitte und Erwartung, in diesen Worten Gott selbst heute zu uns sprechen zu hören?
Aber darüberhinaus ist das ja eine Frage an jeden, dem Gott für sein Leben wichtig ist: Wollen wir überhaupt, daß Er zu uns spricht? Leben wir in der Hinwendung zu Ihm? Möchten wir die Stimme Gottes hören, der in der Stille zu uns spricht?
Deckt nicht der Lärm alles zu? Bewirkt nicht die Vielfalt der Aktivitäten und Reize, denen wir unser Leben ständig aussetzen, daß Gott daraus entschwindet?
Ich las vor einiger Zeit diese Sätze des Radiojournalisten Joachim Ernst Behrendt: „Der Verfall unseres Hörsinns läuft auffällig parallel mit dem, was man die ‚Abkoppelung des westlichen Menschen von Gott‘ genannt hat. Der heutige Mensch hört nicht mehr auf Gott. Der heutige Mensch hört nicht mehr“. Auf Gott hören können und überhaupt hören können – das hängt offenbar sehr eng zusammen.
Vielleicht wollen wir ja auch gar nicht, daß Gott zu uns redet. Wir müßten dann unser Leben ja gewaltig ändern.
Es ist offenbar heute wie zu allen Zeiten ein Wunder, wenn ein Mensch von Gott so sehr ergriffen wird, daß er dann nicht mehr ohne ihn leben – kann! Auch in der Bibel kommt Gott so gewaltig, so das ganze Leben beschlagnahmend nur zu Wenigen: Einem Mose, einem Paulus und eben hier zu Jeremia.
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Mehrfach klagt Jeremia verzweifelt darüber, wie schwer Gottes Hand auf ihm liegt. Er will Gott los sein und kann es doch nicht. Er will nicht mehr predigen müssen und muß es doch. Auch und gerade solche Worte mußte Jeremia sagen, von denen ihm schon vorher klar war, wie die Hörer darauf reagieren würden.
Nämlich so, wie sie auch auf seine Worte vor dem Tempeleingang damals reagierten. In Kapitel 26 des Jeremiabuchs wird davon berichtet. Jeremia verursacht einen Aufruhr. Lautstark machen sich Empörung und Agressivität breit, die beamteten Tempelpriester und -wächter stürzen sich mitsamt einigen Gottesdienstbesuchern auf ihn und schreien ihn an: Du wagst es, die Zerstörung
dieses heiligen Gotteshauses anzukündigen? Für deine Gotteslästerung sollst du mit dem Leben bezahlen!
Und weil das, was Jeremia gesagt hat, in Windeseile auch bis zum Königspalast gedrungen ist, eilen von dort die Staatsbeamten herbei und schleppen Jeremia zum Stadttor, wo die Gerichtsverhandlungen stattfanden.
Und was macht Jeremia dann dort? Er wiederholt seine Worte. Und fügt jetzt hinzu: Ich bin in eurer Hand, ihr könnt mit mir machen, was ihr wollt. Aber bedenkt: Ich spreche im Namen und Auftrag Gottes.
Und dann wagen sie bei ihm dann doch nicht das zu tun, was bei vielen Zeugen und Boten der Wahrheit Gottes geschehen ist – als Beispiel unter vielen nenne ich nur Jan Hus – und was sie allen voran bei Jesus, dem Sohn Gottes getan haben: Das Todesurteil wegen Gotteslästerung zu verhängen.
II
Aber nun das Zweite: Die Botschaft Jeremias – also was er zu sagen hat.
Es ist eine äußerst leidenschaftliche Botschaft, eine Botschaft, erwachsen aus tiefem Leiden an der praktischen Gottlosigkeit und Gleichgültigkeit seiner Mitbürger. Erwachsen aus Entsetzen darüber, wie wenig seine Landsleute den Willen Gottes ernst nahmen. Ja, sagt Jeremia, es stimmt: Gott hat euch zugesagt: Ich bin euer Gott – und ihr seid mein Volk, das ich erwählt habe. Aber denkt doch nicht, jetzt könne euch nichts mehr geschehen !
Jeremia wendet sich gegen eine Haltung, die meint , wir könnten der Liebe Gottes sicher sein. Aber einen Gott, der zu allem Ja und Amen sagt, einen Gott, von dem
man in allzuvielen Predigten hört: „Gott liebt uns und nimmt uns an, wie wir sind“ –einen solchen Gott nimmt man doch nicht mehr ernst. Ja – Gott ist Liebe! Aber aus Liebe zum Leben kann er auch zornig werden und schreckliche Gerichte kommen lassen.
Gottes Wort ist – wie Luther einmal sagte –ein „fahrender Platzregen“. Das heißt: Gott schüttet sein Wort zu manchen Zeiten so aus, daß es reiche Frucht bringt, aber sein Wort kann auch weiterziehen, zu anderen Weltgegenden, zu anderen Kirchen.
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Wir halten dann vielleicht noch Gottesdienste, aber Gott ist nicht mehr gegenwärtig. Der ganze kirchliche Betrieb ist wie ein Motor im Leerlauf. Ob dieser Gedanke uns wenigstens beunruhigt?
III
Denn dies – drittens – ist die Absicht Gottes, also wozu er durch Jeremia redet.
Nicht dazu muß Jeremia ja so predigen, weil er die Hörer ärgern, empören, provozieren will, sondern weil er – rechtzeitig - zur Umkehr, zur Buße rufen will (vgl. Jeremia 26, 3). Denn dies und nur dies ist ja der Wille Gottes, daß seine Menschenkinder ein erfülltes, getröstetes, befreites Leben führen. Und das ist eben
nur in Lebensgemeinschaft mit Gott zu finden. Nur, indem wir den Willen Gottes hören und ihm gehorchen. Der Wille Gottes ist auf Leben gerichtet, darauf, daß wir leben – und unsere nahen und fernen Nächsten ebenso wie wir. Die Afrikaner haben kein bißchen weniger Recht auf Wohlstand als wir, die Palästinenser kein bißchen weniger Recht auf Sicherheit als die Israelis. Darum dürfen wir nicht müde werden, für das Lebensrecht der Schwachen in Wort und Tat einzustehen. Jesus sagt einmal: Ich bin gekommen, damit die Menschen das Leben haben, und es in Fülle haben (Johannes 10, 10).
Durch Jesus schenkt Gott uns seine Gnade, seine Vergebung , sein Erbarmen für unser zeitliches und ewiges Leben – aber es ist keine billige Gnade, wir sind teuer erkauft. Darum laßt uns ihn durch die Tat unseres Lebens preisen.
Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus unserm Herrn. Amen.