Predigt über
Jesaja 40,1-11
Lieder: Mit Ernst...10
Tröstet....15
Nun jauchzet alle..9
Seht, die gute Zeit...18
oder Kanon: Er ist...2
Psalm: Magnificat oder Ps. 85
Lesung: Lukas 3, 1-14
(„Er weidet seine Herde...“ (singen): Unvergänglich und wunderschön hat GF Händel ja diesen Vers vertont, als adventliche Musik, als lieblich-bergende Hirtenmelodie in seinem „Messias“. Aber wie kalt, brutal, gottlos und scheinbar gottverlassen war die Situation, in der diese wunderbaren Worte der Verheißung ursprünglich gesprochen wurden!
Babylon!
Dieses Wort ist ja geradezu ein Synonym, ein sinnbildlicher Name geworden für
gottloses, hoffärtiges, zuchtloses Leben und Treiben. Von der „Hure Babylon“
ist im Buch der Offenbarung die Rede, und „Schwabylon“ heißt nicht von ungefähr
das Vergnügungsviertel Münchens...)
3 Predigtteile
hören wir heute über diesen Text, der erste über das Wort: Tröstet!
Tröstet!
Dieser Ruf Gottes erscholl ursprünglich in Babylon.
Prachtvolle
Bauwerke gabs in Babylon um das Jahr 550 vor Christus, eine Prachtstraße etwa –
Überreste sind im Berliner Pergamonmuseum zu besichtigen – auf der man
Prozessionen zu Ehren des babylonischen Hauptgottes Marduk feierte, und Türme,
fast so hoch wie das RWE-Gebäude bei uns, auch Tempel, weitläufig und vielstöckig wie die Kaufhäuser und
Konsumtempel in unseren Innenstädten. Und mitten in Babylon bzw. wohl eher am
Rande dieser großen Stadt: Da lebte das Häuflein der jüdischen Gemeinde, deren
Glieder man verschleppt hatte aus ihrer Heimat, nachdem dort von babylonischen
Truppen alles, einschließlich des Tempels,
zerstört worden war. Sie werden wenig beachtet im Getriebe der
Großstadt, man kann sie gebrauchen für manche nützlichen Dienste, man läßt sie
ihre Gottesdienste feiern – trübselige Klagegottesdienste wohl meist. „An den
Wassern Babylons saßen wir und weinten...“,so beginnt der Ps. 137Mit dem
Glauben geht’s spürbar bergab, und die das Sagen haben, für die hat das
glaubensschwache Häuflein, das da am Rande der Metropole vegetiert, kaum
Bedeutung. Der Glaube an Marduk, den Kultgott, beherscht alles, der Glaube an
Jahwe ist anscheinend einflußlos. Und was damals Götze Marduk war,ist heute der
Glaube: Alles muß dem Nutzen des Menschen dienen, und Spaß ist der oberste
Lebenswert, und was wir machen können,
machen wir auch, und Gott hat uns
nichts da hereinzureden
Nun aber!
Einer von diesen versklavten trübsinnigen Menschen – seinen Namen kennen wir
nicht – der hört und sieht eines Tages etwas von Gott, hört und sieht
unmittelbar etwas von Gott selbst.
I
2
Er hört, wie
Gott der Herr ruft: Tröstet! Tröstet mein Volk!
Das scheint
für Gott also offenbar das Wichtigste zu sein, das sein Volk braucht: Trost!
Ermutigung!
Diese Juden
damals, die brauchten gewiß nichts so sehr wie Trost von Gott her. Warum? Weil
sie ihre Situation als Folge des Zornes Gottes über sie deuteten. Weil sie
erkannt hatten: Wir sind schuldig geworden vor Gott dem Herrn, wir haben den
Glauben an ihn nicht gelebt. Sie litten darunter, daß sie Gott nicht treuer
gedient, daß sie nicht mutiger geglaubt, daß sie Gott und Menschen nicht
inniger geliebt hatten.
daß sie nicht
entschiedener der Wegweisung Gottes gefolgt waren.
Solchen
Menschen, die an der Verborgenheit Gottes und an ihrer
Schuld leiden,
gilt der Trost der Bibel. Trost bedeutet in der Bibel: Zusage der Vergebung,
Zusage der Zuwendung Gottes trotz unserer Abwendung von ihm.
Denn wir alle
leben ja kaum unter der Frage: Wie werde ich Gott gerecht? Wie bin ich Gott
recht? Sondern fragen stattdessen : Wie wird Gott mir gerecht?! Gott soll sich uns anpassen – uns jedenfalls nicht
kritisch reinreden in unser Tun und
Lassen
Wenn wir aber
darunter leiden, daß wir Gott und Menschen Liebe und Gerechtigkeit schuldig
bleiben, wenn wir leiden unter der ganzen praktischen Gottlosigkeit unseres
derzeitigen hemmungslos verschwenderischen Lebensstils, der auf Kosten der
Armen geht, wenn wir uns ekeln vor der massiv-suggestiven täglichen Berieselung
und Beeinflussung zum Konsumieren, wenn wir empört sind über diese
Machbarkeitswahn, der sich anschickt, Menschen vervielfältigen zu wollen und
Embroynnen als medizinische Ersatzteillager zu züchten – dann, dann könnte auch
uns der Trost Gottes gelten. Denn der
Prophet hört ja, wie Gott ruft: Redet
freundlich mit meinem Volk, sagt ihnen, ihre Schuld ist vergeben, ich habe
verziehen, ich halte es jetzt nicht mehr aus, mich weiter von euch abzuwenden,
ich wende mich euch stattdessen wieder zu, ich
bahne euch Wege in die Freiheit, ich führe euch an die Quellen der
Freude, ich berge euch in meinen Armen,ich gebe euch Kraft, meinen Willen zu
tun, beharrlich euch für das Recht der Ausgeplünderten einzusetzen..Das, liebe
Gemeinde, ist der Trost, wie ihn die Bibel meint: Hören dürfen, Gott wendet
sich mir zu trotz allem, was mich verklagt, Gott läßt mich nicht in meiner
Verlorenheit, Gott kommt herunter zu mir und bahnt mir Wege,die ich gehen kann.
II
Denn nun –
zweitens – sieht der Prophet etwas.
Es wird ihm in seiner Vision der verhangene, der bleiern schwer lastende und
von dunklen trüben Wolken verschlossene Himmel aufgerissen und er sieht und
hört zugleich, wie im Himmel, im offenen Himmel eine ungeheure Bewegung
entsteht: Die Menge der himmlischen Heerscharen kommt heraus aus den
Verborgenheiten des Lebens um den Thron Gottes – und die Stimme eines dieser
Gottesboten ruft mit starker Stimme: In der Wüste...in der Wüste bereitet dem
Herrn einen Weg.
Ein Weg also,
eine Straße, eine Prachtstraße soll gebaut und gebahnt werden – eine Straße,
allerdings von ganz anderer Art als die prunkvolle Prozessionsstraße für den
Götzen Marduk: eine Straße – ca. 1800 km lang – quer durch die riesige
arabische Wüste hindurch, das heutige Saudi-Arabien, eine Straße von Babylon
bis hin nach Jerusalem. Riesige Erdmassen müssen bewegt werden, Hügel und Berge
abgetragen,
Senken und Täler aufgefüllt werden zum Bau einer Prozessionsstraße
ohnegleichen, denn – nicht auszudenken, kaum auszusprechen – nun verläßt Gott
seinen Thron, setzt sich vom Himmel her in Bewegung, nun kommt Gott, der
Schöpfer des All, herunter aus seinem Himmel, herab auf seine Erde, um sich
„allem Fleisch“ und das heißt, aller Welt, allem Lebendigen zu offenbaren in
einem Triumphzug ohnegleichen.
Das sieht der
Prophet: Eine Straße, ein Weg, ein
Wunderweg wird gebaut und gebahnt, wird bereitet für Gott selbst, und hinter ihm, ihm nach wird das erlöste
Israel gehen, wird ihm nachfolgen, wird jauchzend, frohlockend heimkehren nach
Jerusalem.
Die Realität
sah dann gar nicht so triumphal und nach Menschenmaßstäben herrlich und
glanzvoll aus: Eher tröpfchenweise kamen die Israeliten,die Kinder und Enkel
derer,die man deportiert hatte, zurück. Mühselig, in kleinen Gruppen, zog man
durch die arabische Wüste. Mühevoll begann man den Tempel und die Stadt
Jerusalem wieder aufzubauen. Nein, die Erfüllung dieser herrlichen Verheißungen
war das noch nicht.
Aber dann, 500
Jahre später, ruft Johannes der Täufer eben dies aus: Bereitet dem Herrn den
Weg. Und dann geschah, was wir zu Weihnachten andächtig feiern: Gott verließ
seinen Himmelsthron, verließ seine Heimat, ging in die Fremde, kam herunter in
die Tiefe. Die Engel kamen mit ihm herab und stimmten das Ehre sei Gott in der
Höhe – in der Tiefe an, im Dunkel des Hirtenfeldes zu Bethlehem. Sie haben gleichsam die Prachtstraße
gebahnt, auf der dann der Herr der Herrlichkeit seinen Weg ging: Vom Stall zu
Bethlehem – über die Asylsuche in Ägypten – hin zu den Menschen am Rande in
Galiläa und dann hin zum Kreuz auf Golgatha. Dies ist nun die Prachtstraße
Gottes, die Prachtstraße seiner Liebe zu den Armen, Verlorenen, Gottlosen, zu
denen, die ihn nicht wollen, sondern
alles selber machen wollen. Diese unsichtbare Prachtstraße der Liebe Gottes zu
uns führt durch die ganze Menschheitsgeschichte und wird erst im himmlischen
Jerusalem an ihr Ziel,ihr Ende gelangt sein. Wir sind eingeladen, mit Jesus auf
diesem Weg zu gehen, in seiner Nachfolge. Und dabei werden wir erkennen, welch
einen Trost, welch eine Fülle von
Ermutigung der erfährt, der in seiner Nähe bleibt. Voller Freude und Ehrfrucht
sollen wir dann zu Weihnachten singen, was GTersteegen gedichtet hat: Gott ist
im Fleische, wer kann dies Geheimnis verstehen, hier ist die Pforte des Lebens
nun offen zu sehen, gehet hinein, eins mit dem Kinde zu sein,die ihr zum Vater
wollt gehen. Und der Friede Gottes...
(III
Und während er
dies alles noch hört und zugleich schaut,
hört der Prophet zum drittenmal ein Rufen. Und jetzt wird ihm klar, wem
dieser erste Aufruf: Tröstet! Tröstet! galt: Nicht nur den Engeln, die vom Himmel her in Bewegung gesetzt wurden,
sondern, gemeinsam mit den Engeln, auch – ihm, diesem Menschen,der gewiß ebenso
verzagt und glaubensschwach war wie seine Volksgenossen.
Predige! wird
ihm befohlen. Und er - im hebräischen Urtext stehen hier nur zwei kurze, knappe
Worte - er fragt zurück: Was – predigen?
Alles Fleisch,
so erläutert er dann seine fast resignierte Rückfrage – alles Fleisch ist doch
Gras, alle seine Schönheit ist doch wie die Blume des Feldes...Das Gras
verdorrt, die Blume verwelkt...“ Er sagt damit: Alles, was wir Menschen uns
ausdenken und herstellen,ohne daß Gott in uns wirkt: Alle Kulturen, alle
technischen oder elektronischen Geräte, alle Religionen und Weltanschauungen,
alle Gipfelkonferenzen, alle globalen Finanzströme, auch alles, was wir an
kirchlichen Aktionen, an gemeindlichen Veranstaltungen organisieren –all das
ist Gras, das ist Heu, das ist Stroh, das kommt und vergeht, geht auf und schon
verwelkt und verdorrt es wieder, ohne
Frucht zu bringen...
Und einer, der
später diese Worte des Propheten
abschrieb, ein von diesen Worten
ganz Ergriffener, der schrieb bei diesem Vers an den Rand seiner Schriftrolle
noch: Ja, Gras ist das Volk! Wir sind – ohne Gott - nichts als Gras. Mag es noch so eindrucksvoll und prächtig
erscheinen - es ist fruchtlos und
trostlos – eben Gras.
Und am
trostlosesten sind vielleicht diese Weihnachtsfeiern und Heiligabende mit
Champagner, Trüffeln, Hummer...aber ohne eine Spur des wirklichen Sinnes von
Weihnachten dabei.
Und die
geheimnisvolle Stimme aus dem Himmel bestätigt: Das Gras verdorrt, die Blume
verwelkt“ – und nun dieses biblische
„Aber!“ –„aber das Wort
unseres Gottes bleibt ewiglich“.
Das wird hier
also aufs Schroffste gegenübergestellt: Fleisch – unser dem Tod verfallenes,
vergängliches, in sich fruchtloses und trostloses Menschentun, das
- vergeblich -
immer so hoch hinaus will – und das bleibende, allein und in Ewigkeit bleibende
Wort Gottes, das zu uns herunterkommt. Und dieses Wort Gottes, dieses Trostwort
von Gott, das gilt allerdings allem Fleisch, das gilt der Welt, den
Menschen,hoch und niedrig, den Politikern und Werbeleuten...Ihnen allen gilt
der Ruf und die Bitte Gottes: tröstet!
Wie
der Prophet dann im Namen und in der Vollmacht Gottes getröstet hat – das kann
man in den von ihm in Jesaja 41-55
überlieferten Worten lesen (obwohl man annehmen muß,daß seine
Zeitgenossen sie, zumindest zum Teil nicht hören wollten, sondern ihn
vielleicht sogar schwer mißhandelt haben). Aber welch tröstende Kraft ist in
diesen Worten verborgen! „Die auf den
Herrn harren, kriegen neue Kraft,daß sie auffahren mit Flügeln wie
Adler...Fürchte dich nicht, ich habe dich erlöst,ich habe dich bei deinem Namen
gerufen.. Fürchte dich nicht, Ich bin bei dir, weiche nicht, ich bin dein
Gott,ich stärke dich ,ich helfe dir auch..Kann
auch ein Weib ihres Kindleins vergessen...und auch wenn das
geschähe,ich, ich will und werde dich nicht vergessen,in die Hände habe ich
dich gezeichnet...Es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen, aber meine
Gnade soll nicht von dir weichen...“ Und er schließt seine Prophetie mit Worten, in denen er die ganze Schöpfung in
einen Freuentanz einbezieht: „Mein Wort,
spricht Gott der Herr, kommt nicht leer
zu mir zurück,sondern ihm wird gelingen, wozu ich es sende. In Freuden sollt
ihr ausziehen,in Frieden geleitet
werden, Berge und Hügel um euch her sollen
jauchzen und frohlocken, die Bäume auf dem Felde in die Hände klatschen,statt Dornen werden
Zypressen aufwachsen, statt Nesseln Myrten...“ (Jes.55).
So kündigt der
Prophet das Herabkommen Gottes von seinem Thron, das Kommen Gottes des Erlösers
und Trösters in unsere Welt, in unser Grasdasein hinein, an - ein Kommen zum
Jubel und zur Freude für die ganze Schöpfung. Und Johannes der Täufer hat diese
Ankündigung aufgenommen.Und dann ist
er gekommern und die Engel haben die Prachtstraße gebahnt. Sie begann im Stall
von Bethlehem und sie führte zum Kreuz auf Golgatha, sie führt durch die Welt-
und Menschheitsgeschichte und wird erst im himmlischen Jesusalem enden, wird
dort hinein münden. Es ist ein Weg, auf dem zu gehen wir eingeladen werden, ein
Weg hinter Jesus her, in dem Gottes Licht und Herrlichkeit uns bestrahlt. Zu
Weihnachten werden die Engel den Thron Gottes verlassen und unten singen: Ehre
sei Gott in der Höhe..Zu Weihnachten werden und sollen wir mit Gerhard
Tersteegen in seinem Lied „Jauchzet ihr Himmel...“ anbetend singen: Gott ist im
Fleische, wer kann dies Geheimnis verstehen...Sehet dies Wunder, wie tief sich
der Höchste hier beuget...Gott wird ein Kind – ein Juden- und Palästinenserkind
- hebet und träget die Sünd...Und wir werden singen: Aller Trost und alle
Freude ruht in dir, Herr Jesu Christ, dein Erkennen ist die Weide, da man satt
und fröhlich ist...
Wir sollen und
werden die große Freude erfahren, die der Engel uns, den Hirten im Dunklen, verheißt. Amen.