Liebe
Gemeinde,
Wölfe bei den
Lämmern: Starke bei den Schwachen, Wilde bei den Sanften – und alle vertragen
sich gut – wie schön wäre das! Zu schön, um wahr zu sein?
Nicht wahr, in
der Realität ist das doch anders. In
der Natur herrscht der Kampf ums Dasein, da regiert das Gesetz von
Fressen und Gefressenwerden: Immer frißt ein größeres oder stärkeres Lebewesen
ein kleineres oder schwächeres. Die Amöbe die Bakterie, das Pantoffeltierchen
die Amöbe, der Wasserfloh das Pantoffeltierchen, der kleine Fisch den
Wasserfloh, der große Fisch den kleinen Fisch – und der Mensch, der ist im
Grunde am schlimmsten, frißt alles, beutet alles aus, zerstört, was er nur kann
– und am Ende sogar noch sich selbst.
Aber nun – nun
hat eine gewaltige Gegenbewegung begonnen: Jesus ist gekommen, hat herrliche Worte gesagt und erstaunliche
Tasten getan, hat sein Leben hingegeben für uns, hilft uns zur Sanftmut – und
Sanftmut bedeutet in der Bibel: in Einklang mit sich selbst leben, im Frieden
mit sich selbst, es nicht mehr nötig haben, aggressiv zu sein gegen andere oder
gegen sich selbst oder gegen die Natur.
In seiner
Nähe, unter seinem Einfluß auf uns geschieht das, was Jesaja weissagt,
bruchstückhaft zwar und zeichenhaft oft, aber es geschieht: Aggressive werden
friedfertig, Menschen empfinden Mitleid mit anderen und werden ihnen zur Hilfe,
Starke und Schwache vertragen sich, wohnen in Frieden beieinander.
Ein Beispiel
dafür ist die Geschichte von dem Wolf von Gubbio, einem Ort in Italien, den der
heilige Franz von Assisi zähmte. Dieser Franz ist ja ohnehin ein großes Vorbild
für uns Christen, ein Vorbild für einfaches Leben. Er sagt und zeigt uns: Das
meiste, was uns in den Kaufhäusern und Supermärkten und inzwischen auch im
Internet angeboten wird, das brauchen wir überhaupt nicht, wir leben viel
glücklicher, wenn wir relativ einfach leben. Er ist ein Vorbild auch für
unseren Umgang mit unseren Mitgeschöpfen, den Tieren, es wird erzählt, daß er
einmal sogar den Vögeln eine liebevolle und eindringliche Predigt gehalten habe
- und sie verstanden ihn. Ja, und mit dem Wolf von Gubbio verhielt es sich so:
Der war ungeheuer wild und schrecklich, er riß sogar Menschen. Keiner traute
sich nachts aus dem Haus, aus lauter Angst vor ihm. Franziskus hatte Mitleid
mit den Einwohnern. Er beschloß den Wolf aufzusuchen. Der rannte ihm mit
offenem Rachen entgegen. Franz machte das Zeichen des Kreuzes und sprach zu
ihm: Bruder Wolf, im Namen Jesu gebiete
ich dir, nicht mehr Böses zu tun! Und der Wolf kam sanftmütig wie ein Lamm
heran und legte sich zu Füßen des Heiligen nieder.
Der hielt ihm
nun eine Predigt, hielt ihm das Böse, das er getan hatte, vor, versprach aber
auch, sich dafür einsetzen zu wollen, daß die Menschen ihm vergeben würden. Und
zur Vergebung solle gehören, daß die Einwohner von Gubbio ihm in Zukunft genügend Nahrung bereitstellen sollten,
denn, so sagte Franz, ich weiß wohl, du hast das Böse getan, weil du Hunger
littest.
Der Wolf neigte deutlich den Kopf zum Zeichen seiner
Zustimmung, beide gingen hinein ins Dorf, der Wolf neben dem Heiligen, gehorsam
und still wie ein Lamm.
2
Dort war
großes Aufsehen, die Leute liefen zusammen, Franz predigte auch ihnen, sagte
ihnen, sie sollten zurückkehren zur Ehrfurcht vor Gott und zur Liebe Christi.
Dann
unterbreitete ihnen seinen Vorschlag zum Frieden, die Bewohner stimmten
feierlich zu, den Wolf dauernd zu
beköstigen und der seinerseits stimmte durch freundliche Gebärden zu, keinem Menschen
mehr schaden zu wollen. Es wurde sozusagen ein richtiger Vertrag
geschlossen. „Der Wolf“ –so endet die Geschichte – „lebte noch einige Jahre in
Gubbio. Er ging zutraulich von Haus zu Haus, von Tür zu Tür, ohne irgendwem ein
Leid zuzufügen und ohne daß ihm ein
Leid widerfuhr; und er wurde liebevoll von allen gefüttert. Und wenn er
durch den Ort von Haus zu Haus ging, bellte niemals ein Hund hinter ihm her.
Schließlich nach Jahren starb Bruder Wolf an Altersschwäche. Darüber waren die
Bürger sehr traurig.“
Wieviel Gutes
kann man aus dieser Geschichte lernen. Zum Beispiel: Respektvoll auch mit
unseren Mitgeschöpfen, den Tieren, umzugehen – und wenn das in unserer
perversen Gesellschaft mit Massentierhaltung und Tierproduktion nicht
geschieht, eben ganz oder weitgehend auf Fleisch zu verzichten.
Lernen können
wir auch, daß Agressivität oft in irgendeinem Mangel, einer Not ihre Ursache
hat – und vielleicht können wir diese Not – wie das die Bürger tun – beheben
oder zumindest lindern. Fast immer geht es in unserer Gesllschaft um einen Mangel
an Zuwendung, an Geliebtwerden.
Heute wirst Du
getauft, Marvin. Dein Leben und das Leben Jesu werden miteinander verbunden.
Und ebenso ist es bei Ihrem Kind, der Laura.
Jesus ist für
uns – und nun eben auch besonders für Sie, die Eltern und Paten, die Quelle der
Liebe und des Friedens. Er hilft uns zur Zufriedenheit, zu dankbarem,
vertrauendem Leben.
Vollkommenen
Frieden werden wir nicht schaffen. Aber Friedensstifter können wir sein,
Menschen, die die Worte Jesu beherzigen und ihm nachfolgen. Darum: der Friede
Gottes...