Gottesdienst am  14. August,  8. Sonntag nach Trinitatis, im  Weigle-Haus

 

(Lieder:

Die helle Sonn...EG 437

Unfriede herrscht auf der Erde...671

Du hast vereint in allen Zonen...609)

 

Lesung: Matthäus 5, 13 - 16

 

 

Lieber Vater im Himmel, nun sprich du selbst zu uns durch die Worte der Bibel, gib uns Dankbarkeit für den Frieden, in dem wir leben dürfen, und  gib uns Freude, Mut und Phantasie, ihn Anderen mitzuteilen. Amen

 

Predigt zu Jesaja 2, 1 – 5:

 

Das Wort, das Jesaja, Sohn des Amoz, über Juda und Jerusalem geschaut hat:

 

Geschehen wird es nach diesen Tagen,

da wird der Berg des Hauses des Herrn fest gegründet sein

als Haupt  der Berge und über alle Hügel erhaben,

und alle Heidenvölker strömen zu ihm hin.

Viele Völker ziehen dorthin und sagen:

Kommt, lasst uns hinaufsteigen auf den Berg des Herrn,

zum Hause des Gottes Jakobs,

dass er uns lehre seine Wege

und wir auf seinen Wegen gehen.

Denn von Zion geht Weisung aus

und des Herrn Wort von Jerusalem.

Und er wird Recht sprechen zwischen den Heidenvölkern

und vielen Völkern Vermittler sein.

Und sie werden ihre  Schwerter zu Pflugscharen umschmieden

und ihre Speere zu Winzermessern.

Ein Volk wird nicht mehr gegen das andere das Schwert erheben

und sie werden den Krieg nicht mehr lernen.

Haus Jakobs, kommt! Lasst uns leben im Licht des Herrn!

 

Liebe Schwestern und Brüder,

 

wie wunderbar Gott führt  und lenkt! Manche von Euch erinnern sich: Es ist genau zwei  Jahre her,  da stand ich hier, und Deffi Gallasch, Ingfried Polutta und Rolf Zwick teilten mir Gottes Segen mit: Ich hatte vor, für zehn Monate einen Seelsorgedienst an der Costa Blanca zu übernehmen.  Aber Gott hatte andere Pläne. Der Segen allerdings blieb. Ich blieb erstmal hier und dann schickte Gott mich  im letzten Jahr ja nach Rhodos, auf eine wunderbare Insel, in eine wunderbare Gemeinde – eine überaus gesegnete Zeit für meine Frau und mich und Menschen dort und viele, die zu Besuch kamen. Gott sei Lob und Dank!

 

Ich habe auch in diesen zwei Jahren wieder gesehen: Es kommt offenbar immer auf das richtige Mischungsverhältnis zwischen Aktivität und Passivität an, das richtige Verhältnis von Vertrauen in Gottes Führung - und  dem eigenem Tun. Anders gesagt: Wir sollen als Christenmenschen denken und planen - aber Gott die Lenkung unseres Lebens überlassen.

 

Und auch die der Welt.

 

I

 

Das wäre gut, wenn das auch in der Politik,  im Leben der Völker so wäre!

 

Als ich aus Rhodos zurück war, da habe ich als erstes Kinder und  Enkel besucht. Die machten Urlaub in Dänemark, auf der Insel Fanö. Dort gibt’s einen Gedenkstein, der erinnert an Dietrich Bonhoeffer und dessen berühmt gewordene Rede dort auf der Insel Fanö im Jahr 1934, auf der Konferenz des  Weltbundes für Freundschaftsarbeit der Kirchen, in der zu einem großen ökumenischen Friedenskonzil der Christenheit aufgerufen wurde. Bonhoeffer sagt hier in ganz eindringlichen Worten, dass Friede nie durch Absicherungen geschehen könne, sondern – ich zitiere -: „Friede heisst sich gänzlich ausliefern dem Gebot Gottes, keine Sicherung wollen, sondern in Glaube und Gehorsam dem allmächtigen  Gott die Geschicke der Völker in die Hand legen und nicht selbstsüchtig über sie verfügen wollen...“.

 

Wie wäre das, wenn die Politiker in USA und Europa, denen  ihr christlicher bzw. jüdischer Glaube wichtig ist, das beherzigen würden: Wenn die Ehrfurcht vor Gott, der die Welten und die Völker lenkt, Hauptgesichtspunkt ihrer Politik wäre. Wenn sie eine Politik des Friedens gestalten würden im Hören auf die Weisungen Gottes und die Gebote Jesu Christi... Aber ist das nicht eine Illusion?  Fünf Jahre nach Bonhoeffers Aufruf zu einem Friedenskonzil begann der 2. Weltkrieg.  Und danach...Ich habe zu Hause eine Liste, in  

der sind über 100 Kriege und  militärische Einsätze allein der USA und der NATO seit dem Koreakrieg 1950 aufgeführt, über 100 seither! Von vergleichsweise überaus reichen Völkern, von denen die allermeisten Menschen sich Christen nennen! Also den als Gott und Herrn  bekennen, der gesagt hat: Liebt eure Feinde. Tut Gutes denen, die euch hassen. Bittet für die, die euch beleidigen und verfolgen.

 

Stattdessen: Haß gegen Haß, Gewalt gegen Gewalt, Rachegedanken statt Fürbitte. Wir scheinen von der Erfüllung der Verheissungen des Jesajatextes weiter entfernt denn je.

 

II

Oder doch nicht?

 

Stellen wir uns vor Augen, was Jesaja in der Vision, die ihn Gott schauen lässt, sieht und  hört. Er sieht den Tempelberg in Jerusalem, den Berg Zion, er sieht ihn gleichsam wachsen, höher und höher werden, alle andere Berge und  Hügel überragen, und  er sieht die Völker dorthin streben,  voller Sehnsucht und Verlangen.  Sie suchen und finden dort auf dem Berg Gottes Wegweisung, Orientierung, Rat... Und dann  sieht Jesaja in klaren und konkreten Bildern die Folgen, die Konsequenzen, die die Völker aus Gottes Weisungen ziehen:  Er sieht einen Soldaten, der hat sein  Schwert genommen und schmiedet es zu  einem Pflug um, er sieht  einen zweiten, der hat seinen  Spieß genommen und schmiedet ihn um zu einer Winzerhippe.  Aus Mordwerkzeugen werden nützliche Saat- und Erntegeräte. Die Militärs haben  verlernt, Krieg zu führen,  stattdessen lernen sie die Landwirtschaft, finden Freude daran, die  Erde zu „bebauen und  zu bewahren“.

 

Auf heute übertragen:  Riesige Verschrottungsanlagen schlucken Panzer, Maschinengewehre, entschärfte Bomben. In Hüttenwerken verflüssigt, wird aus dem Schrott Stahl für landwirtschaftliche Geräte oder Wasserleitungsrohre für die  Bewässerung von Wüsten. Kasernenhöfe und  Manöverplätze sind geschlossen, Militärbasen und  Flugzeugträger abgewrackt. Polizeieinheiten schützen und sichern Recht und Frieden.  Weltweit anerkannte Gerichtshöfe schlichten Konflikte.  Die Völker brauchen sich nicht mehr voreinander zu fürchten, denn eine gerechte Weltwirtschaftsordnung sorgt für allseitige Zufriedenheit. Grundlage all dieser Rechtsordnungen sind die biblischen Weisungen Gottes. Sie sind die allgemein geachtete und anerkannte Quelle des Lebens und Miteinanderlebens. Grundhaltung der Menschen  ist eine liebevolle Ehrfurcht vor Gott dem Schöpfer und Befreier, dessen Liebe und Befreiiung sie in  Fülle in Jesus finden. Freude an Jesus und damit Lebensfreude regiert. Die Menschheit hat die Phase der Pubertät hinter sich und  ist erwachsen geworden.

 

Entscheidend ist die lebendige Gottesbeziehung. Jesaja legt in  seinem Prophetenwort allen Nachdruck auf Gottes Tun. Gott gibt Wegweisung. Er lehrt die Völker seine Ordnungen. Und sie hören auf ihn. Gott selber verspricht  auch die Erfüllung all seiner Verheissungen.  Und dadurch, dass die Menschen, die Gott erkennen, freiwillig die Kriegsinstrumente aus der Hand geben und das Kriegführen beenden, sagen sie: Ja, wir sehen ein: Das war schwere Sünde und Gotteslästerung, daß wir Kriege gegenander geführt haben. Wir haben Gottes Willen mißachtet. Wie dumm sind wir gewesen!  

 

Und der Vortrupp, die Avantgarde all dessen – das sind die Angehörigen des erwählten Volkes Gottes, zu dem auch wir gehören. Und darum schliesst der Prophet mit einem ermunternden Aufruf an Juden und Christen: Kommt, lasst uns  im Licht des Herrn leben.  Wir, die wir die Weisungen Gottes schon kennen, wollen Vorbilder sein für den Frieden, den Gott will und schenkt. Lasst uns leben  im  Licht der Liebe Gottes! In unserm Leben soll es nichts mehr geben, was das Tageslicht zu scheuen hätte.

 

III

 

Wie froh können wir sein, liebe Gemeinde, weil wir wissen können: Die Erfüllung von alldem hat längst begonnen, und  täglich erfüllt sich mehr davon!

 

Was für Jesaja der Tempelberg Zion in Jerusalem war, das ist für uns Christen ein Berg unmittelbar in seiner Nähe: Der Berg Golgatha, höher als alle Berge und über alles Hohe weit erhaben. Auf seinem Gipfel ein Kreuz: Der Thron dessen, von dem ein Zeitgenosse Jesajas, nämlich der Prophet Micha, geweissagt hatte: „Er aber wird auftreten und die Völker weiden in  der Kraft Gottes des Herrn...Und sie werden in Frieden wohnen. Ein jeder wird unter seinem Feigenbaum und seinem Weinstock sitzen... Und er wird herrlich werden, soweit die Welt ist. Und er wird der Friede sein“ (Micha 5 und 4). Da in Jesus ist er zu sehen, zu finden und zu haben: Der Friede.

 

Wie wunderbar handelt Gott immer! Wie völlig anders als wir Menschen.  Der Dichter Kurt Marti hat es mal in einem zweizeiligen Gedicht zusammengefasst:

 

Mensch gernegroß

Gott gerneklein

 

Gott gerne klein. Durch einen Säugling, den Luther den „Krippenherrn und Windelfürsten“ nennt, und  einen Gekreuzigten, der zwischen zwei Terroristen hängt, geschieht Gottes  Friedensbewegung. Aus dem Kreuzestod Jesu entspringt  eine unerschöpfliche Quelle des Friedens, die zu den Menschen aller Völker hinströmt und unendlich viel Frieden bewirkt hat und bewirkt: Frieden mit Gott. Frieden mit mir selbst. Frieden mit Menschen und Völkern, die uns  zu Geschwistern werden.

 

Dazu muss man sich kennenlernen. Und das ist vielleicht doch etwas Gutes an der sog. „Globalisierung“.  Um es im Blick auf meine Zeit auf Rhodos zu sagen: Für mich war es gut, die mir vorher kaum bekannte griechisch-orthodoxe Kirche kennenzulernen  – und die orthodoxen Würdenträger haben hoffentlich auch gemerkt, dass der evangelische Kollege kein abgefallener Ketzer und Häretiker ist. Und: gemerkt habe ich auch, wie haltlos gängige Klischees über Griechenland sind, wie manche Politiker und Medien sie verbreiten.

 

Seit Jesus gekommen ist, gilt, was Bodelschwingh gesagt hat: Es geht kein Mensch über Gottes Erdboden, den Gott nicht liebt. Und darum müssen alle Völker und Religionen der Erde geprägt werden vom  Frieden des Gekreuzigten.

 

Klar ist: Das ist geht nicht auf Knopfdruck und in einem Hui. Gott will freie Überzeugung und Einsicht bei seinen Menschenkindern. Er will uns durch die Erfahrung der Liebe zur Vernunft bringen. 2000 Jahre sind da erst eine  ganz kurze Zeit.

 

IV

 

Aber wir, das Volk Gottes aus Juden und  Heidenchristen, wir -  konkret: unsere WH - Gemeinde und  jeder Einzelne von  uns hier -  wir sind die, die schon in diesem Frieden leben. Wir sind die, bei denen das immer wieder geschieht, was Luther in einem atemberaubenden Bild sagt: Die Heilige Schrift ist der Mutterleib Gottes, in dem Gott uns empfängt und gebiert. Als Sünder empfängt, als Kinder gebiert.  

 

Jedem von  uns hier ist ja völlig klar: Von  uns aus sind wir ganz untaugliche Friedenboten und  -stifter. Wenn wir auf uns sehen, sehen  wir, dass wir schonmal aggressiv sind, launisch, kleinmütig und kniepig, nachtragend, engstirnig und  was nicht alles. Und  darum  müssen wir hinein in den Mutterleib Gottes, damit wir dort von Gottes Wort ernährt werden, neues Leben und neue Kraft empfangen und  als erneuerte Menschen leben:  Unter der Gnadensonne Gottes, von der Jesus sagt, dass sie alle bescheint. Entsprechend versuchen wir dann mit Menschen umzugehen, u.a. auch dadurch, dass wir nicht müde zu werden uns etwa am Fairen Handel zu beteiligen und mit unsern Spenden das Reich Gottes zu fördern,

 

und vor allem: Mit Freude und Dank das Heilige Mahl feiern, in dem  der Friede der Völkergemeinschaft schon vorabgebildet ist.

 

Dann handeln  wir so,  dass wir dem vollkommenen Frieden Gottes, der uns im  himmlischen Leben erwartet, entgegenleben, als Kinder Gottes, die täglich dankbar sind für den relativen Frieden, in dem wir in  Deutschland schon seit über 60 Jahren leben dürfen; als Kinder Gottes, die täglich zu dem Frieden beitragen, den Jörg Zink einmal so beschrieben hat:

 

Zu essen haben, statt  hungern zu müssen, ist Frieden,

trinken können, statt zu dürsten, ist Frieden,

es warm haben, statt zu frieren, ist Frieden.

Schutz finden in einer Wohnung,

arbeiten können und seine Kraft einsetzen dürfen,

das alles ist Friede, ist tägliches Brot.

 

Einen Menschen haben, mit dem man vertraut ist,

sich nicht ängstigen müssen vor Einsamkeit,

vor Streit und Haß und vor der Hölle des Krieges.

Sich nicht ängstigen müssen um Kinder, Eltern oder Freunde,

dass alles ist das Brot des Friedens, das wir täglich brauchen

und für das wir täglich danken sollen.

Unser täglich Brot, von dem wir leben,

ist auch das Wort eines Menschen.

Wir können nicht leben,

wenn nicht das Wort zu uns kommt,

das ein anderer Mensch zu uns pricht.

Vertrauen muß darin liegen,

Wegweisung muß es geben, Klarheit und Freundlichkeit.

Es ist kein Friede, wo Menschen nicht miteinander sprechen.

 

Und vor allem: Es ist kein Friede, wo Gott nicht zu uns spricht.

 

Um es mit einem Wort zu sagen,  in dem alles enthalten ist, einem Wort von Eva von  Tiele - Winkler: Friede ist nicht Abwesenheit von Kampf, sondern Anwesenheit von Gott.

Amen