Gottesdienst am 5. Sonntag nach Epiphanias, 6. Februar 2011, Rhodos

 

Lieder:

 

Wenn ich, o Schöpfer...506, 1-3

Gott wohnt in einem Lichte... 379

Komm in unsre stolze Welt...428, 1 - 3

Freuet euch der schönen Erde...510

 

Psalm 92 (Nr. 737)

 

Lesung: 1. Kor. 1, 4-9

 

Predigt zu Jesaja 40, 12- 26

 

Liebe Gemeinde!

 

Es gibt Dinge - so beginnt der frühere Essener Jugendpfarrer  Wilhelm Busch einmal eine  Osterpredigt - es gibt Dinge, die kann man sich garnicht vorstellen, ohne dass einen Schaudern und Entsetzen packt. Was wäre zum Beispiel, wenn die Anziehungskraft der Erde einmal nur eine halbe Minute lang aussetzen würde? Die Meere würden sofort alles Land überfluten, wir würden durch die Drehung der Erde ins All geschleudert.

Was wäre, wenn der Golfstrom einmal seine Richtung änderte, der Golfstrom, der die Wärme südlicher Breiten nach dem Norden trägt – was würde geschehen, wenn er nicht mehr strömte? Ganz Europa würde erfrieren, vereisen, zugrundegehen.

 

Was wäre, fragt er dann, wenn Jesus nicht auferstanden wäre? Es gäbe keine Kirche und keine Vergebung der Sünde, die Welt wäre ohne Heiland, wir hätten keinen Grund zur Hoffnung, wären in Zeit und  Ewigkeit verloren...aber nun – so sagt er dann voller Jubel -  nun ist Christus auferstanden und von Gott zum Herrn eingesetzt über alle sichtbaren und unsichtbaren Mächte...

 

Unter diesem Vorzeichen: Jesus ist Herr! hören wir die heutige Predigt aus dem Prophetenbuch Jesaja Kapitel 40, die Verse 12 – 26; den Predigttext hören wir diesmal am Ende der Predigt.

 

I

 

„An den Wassern zu Babel sassen wir und weinten, wenn wir an Zion  dachten.

Unsere Harfen hängten wir an die Weiden dort im Lande.

Denn die uns gefangen hielten, befahlen uns zu singen

und in unserm Trauern fröhlich zu sein.

Singt uns ein Lied von Zion!

 

Wie könnten wir des Herrn Lied singen im fremden Lande?

Vergesse ich deiner, Jerusalem, so verdorre meine Rechte.

Meine Zunge soll an meinem Gaumen kleben, wenn ich deiner nicht gedenke,

wenn ich nicht lasse Jerusalem meine höchste Freude sein!“.

 

Das sind Verse des 137. Psalms – Verse voller Sehnsucht nach der Heimat - nach Jerusalem und besonders nach dem Tempelberg Zion. Wer mag diese Verse gedichtet haben? Irgendein unbekannter jüdischer Mensch. Tagsüber musste er vielleicht niedrige

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Dienste in einem der vornehmen Häuser Babylons verrichten – und  dann abends am Flussufer traf er sich mit den andern, die man als Kriegsgefangene, als Sklaven  mitgeschleppt hatte aus dem eroberten Land Israel, aus der zerstörten und mitsamt dem Tempel in Schutt und Asche gelegten Stadt Jerusalem. Viele waren umgekommen, das Land war zerstört, Gott hatte sie ihrem Schicksal preisgegeben. Man traf sich unter dem nächtlichen Sternenhimmel und sang leise und zaghaft Klagelieder. Und mitten unter ihnen tritt dann ein Prophet auf. Und der tröstet sie auf unvergleichliche Weise: In Jesaja Kap.40-55 sind seine Trostworte überliefert.

 

Die damals sind so trostbedürftig, weil sie ihr Schicksal als Schuld erkennen, als verdiente Strafe Gottes für ihren Hochmut. Wie oft hatten Propheten wie Hesekiel, Jeremia und andere sie gewarnt angesichts ihres götzendienerischen Lebensstils – aber sie hatten die Warnungen in den Wind geschlagen: „...wird schon nicht so schlimm kommen...“.  Sie hatten Gottes Wort und Willen nicht ernst genommen und hatten die furchtbare Quittung dafür erhalten.

 

II

 

Die damals sind also in einer anderen Situation als wir.  Was sie erleben und erleiden, kommt vielleicht erst als unsere Situation, bzw. wir stehen vielleicht an deren Anfängen: Furchtbare Naturkatastrophen, Überschwemmungen, Dürrekatastrophen, Elend und Verzweiflung ganzer Völker  – und dann die Einsicht: Es ist unsere Schuld, das haben wir uns selbst eingebrockt, denn wir – die reichen Völker in Europa und USA – wir haben jahrzehntelang weit über unsere Verhältnisse gelebt. Wir haben gesagt: Wir glauben an Gott den Schöpfer – aber wir haben nicht dementsprechend gelebt.

 

In sog. Katastrophenfilmen werden sie schon dargestellt: Unfassbare Naturkatastrophen, nie dagewesene Zerstörungen.Aber diese Filme – The day after tomorrow und andere -  die, fürchte ich, sollen vielleicht garnicht zu heilsamem Erschrecken führen, nicht zur Buße, zur Umkehr, zu einer behutsameren Lebensweise, einem schonenderen Umgang mit der Schöpfung, sondern sie dienen vor allem als Nervenkitzel, mit dem man gute Geschäfte machen kann.  Entsetzliche Naturkatastrophen werden computersimuliert, als DVD verkauft,die Käufer gruseln sich...und einige Produzenten und Darsteller verdienen horrend daran, frönen  ihrer unstillbaren Gier nach Geld... Im Grunde ist das alles pervers, pervers, und wird sich rächen.      

 

Nein, es ist nicht – noch nicht - unsere Situation – jene verzweifelte „Nullpunktsituation“ Israels in der babylonischen Gefangenschaft. Wir leben noch in relativem Wohlstand und Sicherheit, unsere Tempel, unsere Kirchen sind noch  in Betrieb. Aber – wer weiss – es könnte unsere Situation werden. Was damals einem Volk, dem Volk Israel geschah, Zerstörung, Heimatlosigkeit, Verelendung – dass könnte vielen Völkern widerfahren – wobei es, wie immer, die Ärmsten am schlimmsten trifft.

 

Die  damals erkennen ihre verzweifelte Lage als ihre Schuld: Sie hatten Gott den Schöpfer vergessen, hatten seine Gebote in den Wind geschlagen, hatten seine Mahnungen und Warnungen nicht hören wollen.

 

Das sagt aber heute noch kein oder kaum ein Politiker: Es ist unsere Schuld, unsere Überheblichkeit, unsere auf  hemmungsloses Wachstum ausgerichtete Wirtschaft, die uns das, was wir in den letzten Jahren schon erleben,  eingebrockt hat: Dürrekatastrophen und

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immense Waldbrände in Russland, eiskalte Winter in USA und  Deutschland, Zyklone und Hurrikane, riesige Überschwemmungen in China, Pakistan, Australien, Brasilien...Die Wissenschaftler erkennen eindeutige Zusammenhänge zwischen  unserer Wirtschafterei und diesen Katastrophen – aber kein oder kaum ein Politiker erkennt und bekennt es als Schuld vor Gott dem Schöpfer, und jeder Politiker, der seinen Wählern sagen würde, wir

müssen weg vom Wachstum, müssen aufhören mit Verschwendung und der Produktion von lauter überflüssigem Zeug, wir müssen ärmer werden,die Reichen allen voran – wer das offen sagen würde, der wäre schnell weg vom Fenster.

 

Es ist wohl leider so, wie es immer war: Wir Menschen ändern uns erst in der Katastrophe. Erst wenn uns Angst und Entsetzen packen, sehen wir unsere Fehler ein. Lernen dann vielleicht wieder besser, in Ehrfurcht vor Gott, dem Schöpfer zu leben. In Dankbarkeit für seine Gaben und in friedfertigem Umgang mit der Natur.

 

 

III

 

Die babylonischen Sieger damals sagten triumphierend, spöttisch und herablassend zu den israelitischen Gefangenen: Da seht ihr, was euer Gott kann! Hat er euch beschützen können? Was ist euer Gott doch für ein ohnmächtiger, schwacher, hilfloser Gott,  ein im wörtlichen Sinne „unansehnlicher“ Gott, denn es gab ja kein Abbild von ihm! Seht dagegen unsere Götter: Marduk  und andere, deren goldstrotzende Bilder Priester in Prozessionen auf Prachtstrassen  an dem staunenden Volk  vorbeitrugen...

 

Ja, so schien es. Gott schien ohnmächtig, machtlos zu sein gegenüber den Göttern der babylonischen Sieger. So wie auch heute so manch einer bei sich denkt: Was kann denn Gott schon, oder gar Jesus ... nicht ernst zu nehmen. Unsere Götter mit Namen wie Power und ,Prunk, Pracht und Protz sind stärker. Schön und  reich wollen wir sein, die erlesendsten Gaumenfreuden, die entlegendsten  sog. Urlaubsparadiese sind uns gerade gut genug. Aber: was wir jetzt noch anbeten, das sind wacklige Götzen, Götzen auf tönernen Füssen.

 

Die verzweifelten Israeliten damals aber schieben nicht Gott das Unheil in die Schuhe und klagen auch nicht ihn und seine vermeintliche Ohnmacht  an – sondern sie schlagen sich an die eigene Brust, sie  erkennen und bekennen ihre Schuld. Und so finden sie dann Trost und neue Hoffnung. Finden zurück zu dem gnädigen und sie liebenden Gott.

 

Von diesem sich ihrer erbarmenden  Gott hat der Prophet unter ihnen in wunderbar tröstender Weise gesprochen. Und er hat auch in unvergleichlicher Weise von der Größe, Allmacht und Souveränität  des Gottes Israels  gesprochen – hat gesagt, dass der Gott Israels, den die babylonischen Sieger für unfähig und ohnmächtig hielten, dass Er in Wahrheit der erhabene  Schöpfer des All ist, unvergleichlich in seiner Größe, so groß, dass die babylonischen Götter vor ihm lächerliche „Nichtse“ sind (Jes. 44, 6ff.).

 

Und so ist es ja auch in unserm christlichen Glauben: Wir glauben, dass Gott dem, der der Ohnmächtigste zu sein  schien, als er am Kreuz hing, dass Gott ihm „alle Gewalt im Himmel und auf Erden“ gegeben hat, dass er, der auferstandene Christus, mächtiger als alle, und dass uns, komme, was kommen mag,  niemand mehr aus seiner Hand reissen und von  der Liebe Gottes scheiden kann – trotz allem, was wir anrichten.

 

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Hören wir nun, wie der Prophet von diesem scheinbar ohnmächtigem, diesem wortwörtlich

un-ansehnlichen Gott spricht – es ist der heutige Predigttext:    

 

 

Wer kann mit der hohlen Hand das Wasser des Meeres abmessen, mit der Spanne seiner Hand den Umfang des Erdballs bestimmen?

Wer kann den Boden, der die Erde bedeckt, in Eimer abfüllen, oder die Berge und Hügel auf der Waage abwiegen?

Wer beeinflusst den Geist des Herrn, und welcher Ratgeber belehrt ihn?

Wen fragt er um Rat, der ihm Einsicht gebe und zeige ihm den Weg des Rechts und lehre ihn  Erkenntnis und weise ihm den Weg des Verstandes?

Für Gott den Herrn sind die Völker wie ein Tropfen am Eimer oder ein Sandkorn auf

der Waage; die Inseln  - sie sind vor ihm nichts als ein Staubkorn.

Der Wald des Libanon wäre zu wenig zu einem Feuer und seine Tiere zu wenig zum Brandopfer.

Alle Völker sind vor ihm wie nichts, und gelten ihm als nichtig und töricht.

 

Mit wem wollt ihr denn Gott vergleichen? Oder was für ein Abbild wollt ihr von ihm

machen?

Der Handwerker giesst das Götzenbild,  der Goldschmied überzieht es mit Gold und schmiedet Silberkettchen  daran.

Wer aber zu arm ist für solch ein Abbild, der wählt ein Holz, das nicht fault, und  sucht einen klugen Meister dazu, ein Bild zu fertigen, das nicht wackelt.

 

Wisst ihr denn nicht? Hört ihr denn nicht? Ist es euch nicht von Anfang an verkündigt worden? Habt ihr es denn nicht  begriffen  von der Gründung der Erde an?

Er thront hoch über dem Erdkreis, und die darauf wohnen, sind wie Heuschrecken.

Er spannt den Himmel aus wie einen Schleier und breitet ihn aus wie ein Zelt, darin man wohnt.

Er gibt die Mächtigen preis, dass sie nichts sind, und die Richter auf Erden macht er zunichte.

Kaum sind sie gepflanzt, kaum sind sie gesät, kaum hat ihr Stamm eine Wurzel in der Erde, da lässt er einen Wind über sie kommen, so dass sie verdorren, und ein  Wirbelsturm treibt sie weg wie Spreu.

 

Mit wem wollt ihr mich also vergleichen? Wer kann es mit mir aufnehmen? spricht der Heilige.

Hebt eure Augen in die Höhe und seht! Wer hat die Sterne dort oben geschaffen?  Das ganze unermessliche Heer – er lenkt all ihre Bahnen. Jeden Stern ruft er einzeln mit Namen und jeder gehorcht, wenn er, der Mächtige und Gewaltige ruft.

 

Ich glaube, so herrlich hat vor ihm noch kein  Mensch von dem Ewigen gesprochen. Ach, wenn wir doch die Ehrfurcht vor ihm lernen würden. Nicht  nur glauben würden, dass es einen Schöpfer gibt, sondern diesem Glauben entsprechend zu leben lernen würden. Amen.