Liebe
Gemeinde!
„An den Wassern zu Babel saßen wir und weinten, wenn wir an
Zion dachten.
Unsere Harfen hängten wir an die Weiden dort im Lande.
und in unserem Trauern fröhlich zu sein:
Singt uns ein Lied von Zion!
Wie könnten wir des Herrn Lied singen im fremden Lande?
Vergesse ich dich, Jerusalem, so verdorre meine Rechte.
Meine Zunge soll an meinem Gaumen kleben, wenn ich deiner
nicht gedenke,
wenn ich nicht lasse Jerusalem meine höchste Freude sein“.
Das sind Verse
des 137. Psalms – Verse voller Sehnsucht nach Jerusalem und besonders dem
Tempelberg Zion. Wer mag sie gedichtet haben? Irgendein unbekannter Mensch.
Tagsüber mußte er vielleicht irgendwelche Sklavendienste in einem der vornehmen
Häuser Babylons verrichten – und dann abends am Flußufer traf er sich mit all
den anderen, die man brutal mitgeschleppt hatte von Jerusalem in die
Gefangenschaft.
Im Jahr 587
vor Christus war die Stadt Jerusalem samt Tempel von den babylonischen Truppen
in Schutt und Asche gelegt worden. Und jetzt hocken sie da mit einer unstillbaren Sehnsucht nach der
Heimat im Herzen. Und sie deuten ihr Schicksal als Gericht und Strafe Gottes
über ihren Unglauben, denn sie wissen nur zu gut: Wie sehr hatte der Prophet
Hesekiel sie gewarnt, und auch der Prophet Jeremia – aber sie hatten nicht auf
Gottes Warnungen gehört. Statt Frieden zu suchen, hatten sie sich der
Gewaltpolitik verschrieben, hatten gemeint, Babvlon militärisch standhalten
oder es gar besiegen zu können, sie hatten Gott verlassen und hatten die Quittung dafür bekommen.
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Menschen in
einer „Nullpunktsituation“ , so hat es einer meiner alttestamentlichen Lehrer
formuliert. Sie sind auf dem Nullpunkt, sind am Ende: Nicht nur, daß sie die
Heimat verloren haben, auch Gott hat sich offenbar von ihnen abgekehrt,
interessiert
sich nicht
mehr für sie. Sie erkennen ihre Schuld, sie weinen und finden nirgendwo Trost.
In dieser
Situation beruft Gott dort in Babylon einen Propheten, dessen Namen wir nicht
kennen und dessen Worte im Jesajabuch in den Kapiteln 40 - 55 aufbewahrt worden
sind. Von Luther sind diese Kapitel treffend überschrieben worden: Das Trostbuch von der Erlösung Israels. In
der Tat: Nirgendwo im Alten Testament – mit
Ausnahme
vielleicht des 5. Buches Mose – finden wir Worte von solch tröstender Kraft,
Worte reinen Evangeliums. Der heutige Predigttext gibt solch eine Trostpredigt
des Propheten wieder.
Er tritt in
den Kreis der Sklavinnen und Sklaven,
die da im tiefen Dunkel der Nacht verzagt am Flußufer am Rande der Großstadt
Babylon hocken und sagt ihnen:
Hebet eure Augen in die Höhe und seht! Wer hat dies
geschaffen? Er führt ihr Heer vollzählig heraus und ruft sie alle mit Namen;
seine Macht und starke Kraft ist so groß, daß nicht eins von ihnen fehlt.
Warum sprichst du denn, Jakob, und du, Israel, sagst: „Mein Weg ist dem Herrn verborgen, und mein Recht geht vor meinem Gott vorüber“?
Weißt du nicht? Hast du nicht gehört? Der Herr, der ewige
Gott, der die Enden der Erde geschaffen hat, wird nicht müde noch matt, sein
Verstand ist unausforschlich.
Er gibt dem Müden
Kraft und Stärke genug dem Unvermögenden.
Männer werden müde und matt, und Jünglinge straucheln und
fallen;
aber die auf den Herrn
harren, kriegen neue Kraft, daß sie auffahren mit Flügeln wie Adler, daß sie
laufen und nicht matt werden, daß sie wandeln und nicht müde werden.
„Hebet eure
Augen in die Höhe und seht! Richtet den Blick nicht länger trostlos und
bekümmert zu Boden“, sagt der Prophet. „Kreist auch nicht in Gedanken nur um
euer Schicksal, denkt nicht immerzu an eure Fronherren, blickt auf, blickt auf
zum Himmel! Seht das Leuchten der Sterne! Gott kennt jeden einzelnen von ihnen
mit Namen“!
Und nun gab es
ja damals noch keine
Lichtverschmutzung, wie man das nennt – so wie bei uns in Essen, wo es nachts
niemals stockfinster wird. Sondern es war da schon rabenschwarze Nacht – aber
umso majestätischer war das Sterngefunkel am Firmament. „Seht! - Wer hat dies
alles denn geschaffen“? sagt der Prophet. „Es ist unser Gott – der Gott,
von dem ihr meint, er kenne euch nicht
mehr, er kümmere sich nicht um euch, er habe euch verlassen. Er hat diese
Unzahl der Gestirne ins Dasein gerufen, jeden einzelnen dieser Milliarden
Sterne kennt er, lenkt ihn auf der ihm bestimmten Bahn, läßt ihn werden und
vergehen – und jeder einzelne dieser Sterne hat seinen nur für ihn bestimmten
Platz, hat seine unersetzliche Bedeutung in Gottes Gedanken, Plänen und
Vorhaben...Keiner darf fehlen! So ist unser Gott!
Wir müssen
dazu wissen, daß die Babylonier ja große Astronomen waren, die Bestimmung der Sternbilder geht auf sie zurück, auch
der Glaube, daß die
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Sternzeichen
schicksalhafte Bedeutung für unser menschliches Leben hätten und daß man das
Schicksal aus ihrer Beobachtung vorhersagen könne. Die Sterne selbst hatten für
die Babylonier göttliche Macht und Einfluß. Der Prophet aber sagt:
Es ist nur ein
Gott, der Gott Israels, der hat sie alle geschaffen und lenkt ihre Bahnen...Wenn
das aber so ist – dann – der Prophet braucht das garnicht auszusprechen – dann
ist das gerade so auch mit deinem menschlichen Leben: Er hat es geschaffen, er
lenkt es nach seinen Plänen, dein Leben hat seinen von Gott bestimmten Platz in Gottes Regierung, es hat einmalige und ganz
unersetzliche
Bedeutung für
Gott - es darf auf keinen Fall fehlen, es ist, so wie es ist,
unersetzlich wichtig, wertvoll und
bedeutungsvoll.
Du bist also
ein Stern in Gottes Schöpfung. Du leuchtest wie kein anderer Stern, du bist
einmalig, du bist – so wie du bist - unersetzlich für Gott!
Wir greifen
dies auf und singen miteinander das Lied, das diesen Prophetenworten
nachgedichtet ist: Weißt du, wieviel
Sternlein stehen...511 Str. 1 und 3.
„Kennt auch dich und hat dich lieb...“ Manchmal können Menschen das nicht
glauben. Vor allem alte Menschen denken manchmal und sprechen es auch schonmal
aus: Was soll mein Leben denn? Welchen Nutzen hat es denn überhaupt noch? Oder
andere seufzen und klagen: Ein Fehlschlag nach dem anderern, nur Mißerfolg ,
Versagen, Krankheiten, Schmerzen, Leiden – Gott scheint das alles nicht zu
kümmern.
Vor wenigen
Tagen noch sagte mir eine Frau: Ich glaube, mein Leben hat überhaupt keinen
Sinn mehr. Ich sagte ihr: Das ist der Sinn: Ihr Leben, wie Sie es
gerade jetzt führen!
Ich weiß:
Damit hatte ich die Frau nicht nicht getröstet. Es muß noch etwas hinzukommen, etwas von Gott selbst, nämlich
dies, was der Prophet dann weiter sagt: „
Er gibt dem Müden Kraft und Stärke genug dem Unvermögenden. Männer werden müde
und matt, und Jünglinge straucheln und fallen; aber die auf den Herrn harren,
kriegen neue Kraft, daß sie auffahren mit Flügeln wie Adler, daß sie laufen und
nicht matt werden, daß sie wandeln und nicht müde werden“.
Männer werden müde und matt, Jünglinge straucheln und fallen“ ... Das weiß jeder, davon hören und
sehen wir täglich: Mit unserer
Vitalität ist es nicht weit her. Männer, überaus erfolgreich – in Politik,
Wirtschaft, showbusiness –: Was wir klägliche
Gestalten
werden aus ihnen, und welch einen verbitterten und innerlich völlig leeren
Eindruck machen sie oft schließlich...
Junge Männer, kraftstrotzend: Sie straucheln, fallen, stürzen...Sportler,
bewundert – wie schnell sind sie vergessen, oft genug haben sie an bleibenden
gesundheitlichen Schäden zu laborieren,
weil sie so überzüchtet worden sind mit Aufputsch- und Dopingmitteln...Alle, die auf Körperkult
setzen: Wie bitter ist das Erwachen für
sie, wenn sie älter werden, sie merken: Wir sind betrogen worden, sind Geschäftemachern
und Verführern auf den Leim gegangen...Und jetzt rächt sich die
jahrelange seelische Unterernährung ...Denn das ist ein Hauptkennzeichen unserer Zeit: Der
körperlichen Überernährung entspricht
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eine seelische
Unterernährung , der Überbetonung des Körperlichen entsprechen rapide seelische
Defizite und Mängelkrankheiten....
Aber!
Wer klug ist
und glücklich leben will, der horcht auf: Aber
die auf den Herrn harren, kriegen neue Kraft, daß sie auffahren mit Flügeln wie
Adler...
Welch ein
atemberaubendes Bild: Wie sich ein Adler, solch ein großer Vogel, in die Lüfte erhebt und majestätisch-elegant,
scheinbar federleicht durch die Lüfte schwebt – so kann es bei dir sein, wenn
Jesu Auferstehungskräfte dich erfüllen, wenn Gottes Kraft, Gottes Heiliger
Geist dich erhebt: Leicht wird mit einemmal alles, wir nehmen uns leicht, wir vertrauen der Führung
Gottes , wir suchen und finden Kraft und Wegweisung bei ihm, in seinem Wort. Und immer auf‘s neue werden wir munter,
mutig, kraftvoll...Wir laufen und werden nicht matt, wir wandern durchs Leben
und werden nicht müde. „Und ob auch unser
äußerlicher Mensch verfällt, so wird doch der innere von Tag zu Tag erneuert“,
schreibt der Apostel Paulus (2. Kor. 4, 16). Das schafft der Geist Jesu Christi
in uns - ihn brauchen wir, ihn schenkt Gott uns, wann immer wir um ihn bitten.
Denn Gott ist
treu. Er kennt auch dich und hat dich lieb. Du bist ihm wichtig, er weiß
um deine Not, er wird nicht deine
Probleme lösen, aber er gibt dir genug Kraft, mit ihnen zu leben und er
gibt dir das Vertrauen, daß alles Geschehen in
deinem Leben Sinn und Bedeutung
hat für dich und für Gott.
Der Friede
Gottes, der höher ist als alle Vernunft, der bewahre dein Herz und all deine
Sinne in Christus Jesus unserm Herrn. Amen.