Lieder: 389/
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Psalm 10 i.A.
Lesung: Markus
12, 1 – 12
Liebe
Gemeinde!
W o wird Gottes Wort verkündigt? Die Antwort
scheint klar: Hier in der Kirche! Aber in der Bibel geschieht die Verkündigung
des Wortes Gottes auch an ganz andern Stellen, zum Beispiel auf Marktplätzen,
an Flüssen, v o r dem Tempel, an
Brunnen, auf Straßen – also an allen möglichen Orten im Alltag, in der
Öffentlichkeit.
Und w e r
verkündigt Gottes Wort ? Die Antwort scheint wieder klar: Natürlich der
Pastor! Aber in der Bibel sind’s Menschen mit allen möglichen Berufen, die Gott
beruft: Amos, von dem wir die Predigt vor 14 Tagen hörten ,war Bauer,
Maulbeerfeigenzüchter, die Erzväter waren Hirten, die Jünger waren größtenteils
Fischer, Paulus war Zeltmacher, hat Leder bearbeitet... Daß beamtete Priester auch Verkündiger des
Wortes Gottes waren, kommt kaum je vor, allenfalls war einer ein Priestersohn – wie Jesaja, von dem wir heute
Gottes Wort hören werden.
Aber bevor wir
den Text hören, noch eine dritte Frage:
W i e geschieht die Verkündigung des Wortes Gottes? Wir würden
antworten: durch die Predigt natürlich. Aber auch das ist in der Bibel viel
verschiedenartiger: Gottes Wort ergeht in Form von Erzählungen, Briefen, durch
Zeichenhandlungen, die für sich sprechen, oder es geschieht vermittelt durch
Träume, Visionen, es geschieht in Form von Gleichnissen, Sprichwörtern,
Liedern, in Form von Gerichtsverhandlungen zwischen Gott und seinem Volk, also
in allen nur möglichen Ausdrucksweisen. Unser heutiger Predigttext ist eine Predigt, die höchstwahrscheinlich
mitten in einem ausgelassenen weinseligen Fest erging, und sie geschieht,
zumindest am Anfang, in Form eines deftigen Liebesliedes - heute würden wir sagen: in Form eines songs von Herbert Grönemeyer
oder anderen.
Malen wir uns
zunächst die Situation vor Augen, in der diese Liedpredigt des Jesaja geschah.
Hart und
mühsam unter der sengenden Sonne ist die Arbeit in den Weinbergen Israels, zur
Zeit Jesajas, rund 740 Jahre vor Christus. Aber endlich sind die reifen Trauben
geerntet, frischer Most ist gepreßt und in Schläuche gefüllt, man kommt
zusammen, um das Weinlesefest zu feiern. Schüsseln beladen mit herrlichsten
Leckereien stehen auf den Tischen, man bringt Kannen herbei, gefüllt mit
köstlichem Wein. Musikanten sind da, um
zur fröhlichen Stimmung beizutragen. Auch Jesaja, der Priesterssohn aus
Jerusalem, vermutlich noch ein junger Mann, kommt dazu, eine Laute oder Leier
vielleicht in der Hand. Man kennt ihn, den gebildeten Mann aus angesehener
Familie. Wird er singen, zur Fröhlichkeit des Festes beitragen?
Tatsächlich,
er beginnt:
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Singen will ich für
euch, meine Lieben,
ein Lied meines
Freundes von seinem Weinberg.
Die Hörer
spitzen die Ohren, das verspricht lustig zu werden. Der Weinberg, das wissen
sie aus ihren Volksliedern, ihren Liebesliedern – der Weinberg ist ja ein
Bildwort für das Liebchen, das Bild vom Weinberg eignet sich für die hübschesten
Anspielungen auf die Frauen, diese fruchtbaren widerspenstigen Weibsbilder, mit
denen man so seine Mühe hat. Und Jesaja enttäuscht seine Zuhörer nicht.
Mein Freund –
so singt er weiter –
mein Freund hatte
einen Weinberg auf einer fetten Höhe.
Er grub ihn um,
entsteinte ihn,
und pflanzte in ihn
edle Reben.
Er bebaute ihn auch
mit einem festen Turm,
grub eine Kelter
und wartete, daß er
edle Trauben brächte -
aber er brachte –
Stinklinge.
Zunächst
werden die Hörer zustimmend gelächelt haben. Dieser Winzer hat’s wirklich nicht
an Liebesmüh fehlen lassen –
aber dann
diese Enttäuschung, dieses magere Ergebnis: der Weinberg bringt nur –so
wörtlich im Hebräischen: „Stinklinge“, kümmerliche Stinkbeerchen, fauliges
Zeug.
Und Jesaja
fährt fort in seinem Lied, und ruft die Hörer zu eigenem Urteil auf:
Nun richtet, ihr
Bürger Jerusalems, ihr Männer Judas,
zwischen meinem
Weinberg und mir.
Was hätte man noch
tun sollen an meinem Weinberg,
das ich nicht tat?
Warum hat er denn
saure Trauben gebracht,
wo ich doch hoffte,
er brächte gute?
Die Gäste des
Festes müssen zugeben: Mehr kann man garnicht tun. Alles Menschenmögliche hat
der gefoppte Liebhaber getan – das Ergebnis ist enttäuschend, ja abstoßend. Im
Grunde kann man nur urteilen: Jag‘ das Weibstück fort, dieses Miststück, das
dir nur mißratene Früchte bringt, schick‘ sie in die Wüste...
Und darum
findet der Freund in Jesajas Lied vollstes Verständnis bei seinen Zuhörern,
wenn er nun singt:
Gebt acht! Ich will
euch zeigen,
was ich tun will mit
meinem Weinberg!
Abreißen will ich
seinen Zaun,
so daß er verwüstet
wird,
einreißen will ich
seine Mauer,
so daß er zertreten
wird.
Verwildert soll er
liegen,
nicht beschnitten und
nicht gehackt.
Dornen und Disteln
sollen wuchern auf ihm,
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und den Wolken will
ich gebieten,
vorüberzuziehen an
ihm,
ihn nicht mit Regen
zu feuchten
vertrocknen zu lassen
das Land.
Der Weinberg
wird verkommen, er war die Liebesmühe nicht wert. Er wird verwüstet werden,
wird zertrampelt werden, wird veröden. Ob die Zuhörer schon zu ahnen beginnen, von wem Jesaja spricht? Und wem sie das Urteil gesprochen haben?
Hart und
plötzlich läßt Jesaja den Schleier fallen und redet Klartext:
Gottes, des Herrn,
Weinberg ist das Haus Israel,
die Männer Judas: sie
sind seine Pflanzung,
an der sein Herz
hing.
Er wartete auf
Rechtsspruch – und sieh: da war Rechtsbruch,
er wartete auf
Gerechtigkeit – und sieh: da war Schlechtigkeit.
So endet die Predigt des Jesaja, sein Lied, das so lieblich begann. Ein schreckliches Urteil Gottes kündigt er seinen Hörern an, eine furchtbare Zukunft: Ödes, verwildertes, verkommenes, vertrocknetes Leben.
Ich frage
mich: Ob nach dieser Predigt damals auch das Fest beendet war? Ob die Menschen
nach Hause gingen, in sich gingen und fragten: Was kann ich tun, um Gott nicht zu
enttäuschen? Oder ob man nach der ärgerlichen Unterbrechung einfach
weitermachte - weitermachte wie vorher?
Jesaja hatte
ja Grund genug für seine harte Predigt. Er nennt in den Versen um unseren
Predigttext zahlreiche Beispiele für Rechtsbruch und gottloses Verhalten seiner
Landsleute.
Der Herr geht
ins Gericht mit euch Reichen und Vornehmen – so sagt er in Kapitel 3 – denn ihr habt das Land ausgeplündert, und
was ihr den Armen geraubt habt, ist in eurem Hause (3, 14).
Und er kündigt
an: Euren Frauen, stolz dahertrippelnd, mit lüsternen Augen, schmuckbehängt und
parfumduftend: Gott wird ihnen das alles bald wegnehmen, wenn ihr abgeführt
werdet in die Sklaverei. Wörtlich: „Dann
wird Gestank statt Wohlgeruch sein und ein Strick statt eines Gürtels, eine
Glatze statt lockiger Haare, und statt eines Prachtgewandes ein Sack, Brandmal
statt Schönheit.“ (3, 24)
Unmittelbar
nach unserem Predigttext ruft er aus: Weh
denen, die ein Haus zum andern bringen und einen Acker an den andern rücken,
bis sie allein das Land besitzen.
Und: Weh denen, die den Schuldigen
gerecht sprechen für Geschenke und das Recht wegnehmen denen, die im Recht
sind! (4, 8 und 23)
Und da sind wir ja mitten in unserer Gegenwart, mitten in all dem, was wir von Grundstücksspekulanten und Bestechungen und Rechtsbruch und maßloser Bereicherung durch Aktienspekulationen hören und von der sich immer weiter
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vergrößernden Kluft zwischen reich und arm, sowohl hierzulande wie auch im Weltmaßstab, und wohinein wir selber verstrickt sind.
Aber sind denn diese Worte Jesajas nicht in eine konkrete Situation damals hinein ergangen? Gelten sie denn uns überhaupt?
Sehen wir zu.
„Was sollte man noch mehr für euch tun können, als ich getan
habe?“ fragt Gott.
Darauf können
ja doch gerade wir Christen nur antworten: Mehr als du, Gott, für uns getan
hast, kann man nicht tun. Er hat ja – wie wir in der Lesung (Markus 12, 1 – 12)
hörten – schließlich sogar seinen Sohn gesandt – und der, der ist ausgestoßen
und ans Kreuz geschlagen worden. Und wenn wir – und dazu ist jetzt in der Passionszeit wieder Gelegenheit - wenn wir die Bibeltexte betrachten, in denen
vom Leiden und Sterben Jesu berichtet wird: Dann können wir in ihnen zweierlei in unübertrefflicher
Klarheit sehen. Zum einen: Wie wir
Menschen sind – gleichgültig ob fromm oder nicht. Denn in allen Beteiligten spiegelt sich ja etwas von unserem Wesen wider.
Und das
andere: Wir können in diesem Geschehen hören und sehen, wie Gott zu uns ist. „Vater vergib ihnen...“, so hat Jesus auch für
jeden von uns gebeten. Und Gott hat
sein Gebet erhört und will es immer aufs neue erhören: Er schenkt uns mit
Jesus, den er auferweckt und zum Herrn über alle und alles eingesetzt hat,
immer aufs neue Vergebung und neue Lebensfülle, und er will uns, wenn wir
einmal vor ihm stehen werden mit dem gesamten Ergebnis unseres Lebens, dann
nicht verurteilen oder verdammen, sondern im Gegenteil höchste Freude und
Seligkeit schenken (vgl. z.B. 1.Petrus 1, 8 und 9)!
Jesus, die
bedingungslose, felsenfeste Liebe Gottes zu uns und jedem Menschen: Das ist nun
der Grund, auf den wir bauen können. Auf diesem Grund sollen wir nun aber auch
wirklich bauen! Auf Jesus, dem Grund unseres Lebens stehend, werden wir uns
auch den harten, warnenden, drohenden, unsere Lebensweise radikal verurteilenden
Worten der Heiligen Schrift aussetzen und sie nicht abschwächen. Wir werden uns
gesagt sein lassen, was Gott hier zu Israel sagt: Daß er die Landschaft unseres
Lebens hier verwüsten, verwildern, verdorren lassen wird. Daß er seinen Geist
von unserer Kirche nehmen kann, so daß
wir in unseren Predigten nur noch
trockenes Stroh anbieten. Wir werden es uns gesagt sein lassen: Daß all
dieser unfaßlich verschwenderische Lebensstil, dieses Feiern und Spaß haben
wollen bis zum geht-nicht-mehr in Sklaverei enden wird: In Gefangen- und
Gefesseltsein an Süchte welcher Art auch immer, in einem durch bloßes
Konsumieren völlig verödetem und verblödetem Dahinvegetieren, eines von vielen
Symptomen dafür sind die immer idiotischeren Schlagertexte, z.B.: “Wadde hadde
dudde da...“!
Oder - könnten
wir vielleicht doch in uns gehen und fragen:
Was kann ich tun, um Gott nicht zu enttäuschen?
Im Grunde wissen wir ja doch, wie wir unser Leben ändern müßten – jeder weiß es eigentlich. Ich zitiere einfach aus einem Kommentar in der NRZ von Samstag, 11. März:
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Der unangenehme Fakt ist und bleibt: Der Lebenstandard, den
sich die Industriestaaten derzeit leisten und die Art, diesen zu
erwirtschaften, ist der wesentliche Grund für die gigantische Lebenszerstörung
nach außen (Umwelt) wie nach innen (Seelenwelt).
Umweltpolitik ist inzwischen auf Rituale ohne Konsequenzen
beschränkt (etwa das alljährliche Betrauern der darbenden Wälder).
Und solange die Mehrheit der Bevölkerung nicht bereit ist,
daran etwas zu ändern, bleibt es dabei, daß die Auswirkungen der
Ressourcenverschwendung zwar allgemein beklagt werden. Wenn es allerdings
konkret darum geht, Mißstände
abzustellen, folgt meist unweigerlich die Frage: warum soll ausgerechnet ich damit beginnen?
Jeder von uns wird diesen Sätzen zustimmen, nur hoffentlich nicht dem letzten. Sondern wir werden sagen: Ich will heute wieder bei mir beginnen, kleine Dinge tun: etwas mehr Radfahren oder zu Fuß gehen, im Dritte Welt Laden kaufen, möglichst nichts verschwenden, Müll vermeiden, das Beten üben, mich von der Liebe Gottes verwöhnen lassen, die er mir durch Jesus mitteilt, im Wissen leben: Ich bin auf Gottes Gnade und Erbarmen angewiesen –aber Gott wendet es mir auch zu, heute, morgen und in Ewigkeit.
Der Schlüssel zur Lösung der Weltprobleme liegt im Grunde bei jedem von uns persönlich. Jesus sagt: Du bist mir wichtig. Aus deinem kleinen und sehr unvollkommenen, fehler- und bruchstückhaften Tun kann ich viel machen.
Darum: Der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus unserm Herrn. Amen.