Gottesdienst Kirche Am Heierbusch, Essen-Bredeney, Sonntag Laetare, 2. März 2008



Lieder:

Gottlob, der Sonntag kommt herbei...162

In dir ist Freude...398

Lob Gott getrost mit Singen...243, 1-3

Sei Lob und Preis mit Ehren...289, 5


Psalm 30 i.A. (Nr. 714, S. 1148)


Schriftlesung:

Ohne Auferstehung wäre die Passionszeit trostlos. Wir haben die Passionszeit, weil Christus auferstanden ist. Darum hören wir mitten in der Passionszeit, am Sonntag Laetare - Freuet euch - , eine österliche Erzählung - die Erzählung von einer Begegnung mit Jesus, wie sie auch in unserm Leben geschehen kann. Ich lese aus Johannes 20 die Verse 11 - 18.


Predigt über Jesaja 54, 5-10


Liebe Gemeinde, Kurt Marti, inzwischen 88jähriger Schweizer Pfarrer und Dichter schreibt:. "Inmitten einer Gesellschaft, die auf ständigen Wechsel, auf schnellen Konsum und ebenso schnelles Wegwerfen...aus ist, erlebe ich die Ehe als das Gegenteil, nämlich als eine Lebensform schöner Langsamkeit und Verlässlichkeit. Wo alles grenzenlos ausufert, auswuchert, setzt sie sich Grenzen. In diesen Grenzen bildet sich etwas wie mitmenschliche Heimat, Geborgenheit."


Sind das nicht schöne Sätze über die Ehe? Fast zu schön, um wahr zu sein?! Andererseits: Kurt Marti hat seine Ehe, wie er schreibt, so erfahren, und ich denke, manch einer unter uns würde sagen: Doch - Gott sei Dank - ich im Grunde auch! Wobei er sicher nicht verschweigen würde, dass zur Gestaltung einer jahrzehntelangen Ehe auch Durststrecken, Groll und Enttäuschungen und was nicht alles gehört, vor allem aber, wie ich finde, ein Vertrauen in die Verlässlichkeit des Partners.


Warum beginne ich meine Predigt mit solchen Gedanken zur Ehe?


Weil es genau so ist zwischen Gott und uns! Das Verhältnis zwischen Gott und Dir - ein Verhältnis wie zwischen Eheleuten!


Deuterojesaja beschreibt es gerade so im heutigen Predigttext: Jesaja 54, 5-10.

Gott spricht in ihm Israel als seine Ehefrau an und sagt:


Denn der dich gemacht hat, ist dein Mann - Herr Zebaoth heisst sein Name -, und dein Erlöser ist der Heilige Israels, der aller Welt Gott genannt wird.

Denn der Herr hat dich zu sich gerufen wie ein verlassenes und von Herzen betrübtes Weib; und das Weib der Jugendzeit, wie könnte es verstossen bleiben! spricht dein Gott.

Ich habe dich einen kleinen Augenblick verlassen, aber mit großer Barmherzigkeit will ich dich sammeln.

Ich habe mein Angesicht im Augenblick des Zorns ein wenig vor dir verborgen , aber mit ewiger Gnade will ich mich deiner erbarmen, spricht der Herr, dein Erlöser.

Ich halte es wie zur Zeit Noahs, als ich schwor, dass die Wasser Noahs nicht mehr über die Erde gehen sollten. So habe ich geschworen, dass ich nicht mehr über dich



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zürnen und dich nicht mehr schelten will.

Denn es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen, aber meine Gnade soll nicht von dir weichen und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen, spricht der Herr, dein Erbarmer.


I


Worte voller Liebe! Treueschwüre eines Ehemannes - eines, muss man leider sagen, gehörnten Ehemannes. Denn seine Frau hat sich nicht nur einmal, sondern mehrfach einen Seitensprung geleistet, ist fremdgegangen - ja, sie denkt sogar ernsthaft an Scheidung! Völlig klar, dass der so missachtete Ehemann mal von Zorn gepackt, mal von Gram niedergedrückt wird! Er müsste eigentlich seine Frau verstoßen - und kann doch nicht anders als ihr zu sagen: Es stimmt! Ich war zornig, ich habe dir meinen Zorn ja auch zu spüren gegeben, ich bin - wie Du weisst - auch mal für eine Zeitlang ausgezogen aus unserer gemeinsamen Wohnung, ich wollte dich eigentlich verlassen - und konnte es doch nicht!


Und, muss ich dir sagen: Auch in Zukunft werde ich es nicht können. Und wenn du wieder mal anderen Liebhabern nachlaufen solltest, werde ich trotzdem weiter zu dir halten. Ich kann nun mal nicht anders - DENN ICH LIEBE DICH!


Gerade so soll das Verhältnis zwischen Gott, dem Schöpfer des Weltalls, und uns sein? So das Verhältnis zwischen Gott und seinem Volk? Gott und seiner Gemeinde? Gott und dir? Wir Staubkörnchen und Eintagsfliegen - so wichtig sind wir für Gott?? Auch wenn wir so treulos sind und ihn missachten, auch wenn er an uns verzweifelt - er kann nicht ohne uns!? Nicht wahr, das ist schon stark! Aber so spricht die ganze Bibel von Gott!


Wir haben vielleicht viel zu philosophische Begriffe von Gott - Gott als "Grund des Seins", "der Allmächtige", ein "höchstes Wesen" oder so etwas. Und manche von uns sind zurückhaltend darin, Gott überhaupt personal zu denken. Dagegen hat einer meiner theologischen Lehrer, Gerhard von Rad, einmal gesagt: "Wer kluge und tiefsinnige Gedanken über Gott lesen will, der sollte sich nicht an das Alte Testament wenden. Dazu war Israel viel zu sehr in der Defensive gegenüber Gott".


In der Defensive! Weil dieser Gott Israels eifersüchtig ist, Ansprüche stellt, grollend, zornig, verletzt reagieren kann - alles aus Liebe! Und so erlebe auch ich Gott: Er erfreut und überrascht, lässt manchmal lange warten, gibt Fragen und Rätsel auf, weckt Ehrfurcht in mir angesichts der staunenswerten Wunder und unendlichen Geheimnisse der Schöpfung, kann mich in Ratlosigkeit, ja Verzweiflung stürzen, aber auch mit tiefer Dankbarkeit und heller Freude erfüllen. Und vor allem: Er weckt immer neu das Vertrauen in mir, dass er mich persönlich kennt, sich sehr um mich kümmert, dass ich ihm einmalig wichtig bin!


Ich glaube schon: Gleichgültigkeit, Funkstille zwischen ihm und uns - das kann er am wenigsten ertragen. Stattdessen liegt ihm alles daran, dass eine lebendige Beziehung zwischen ihm und uns da ist, dass etwas passiert zwischen ihm und uns. Darum redet er durch Menschen und Ereignisse zu uns Menschen!


Und, übrigens, wie lebendig wird dadurch unser menschliches Leben. Wenn die Gottesbeziehung schwindet, wird unser Leben flach und steril, verliert sowohl seine abgründigen Verzweiflungen und wie seine hochgemuten Heiterkeiten. Ich habe schon den

Eindruck, dass eine Generation, die auf Spaß fixiert ist, auf elektronische Unterhaltung und elektronische "Kommunikation" gar nicht mehr richtig lebendig ist, sondern - funktioniert;

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alle werden in Aussehen, Verhalten, Denken einander ähnlich. Und, auch das muss man sagen: Wenn wir den lebendigen Gott vergessen, verfallen wir ja anderen Göttern: der Habgier, dem Abgott Geld, wie es sich in unserer Gesellschaft immer drastischer zeigt. Wie schamlos Menschen geworden sind, zeigt sich für mich auch in einem Interview letzter Woche, wo ein höchst erfolgreicher Wirtschaftsanwalt offen sagt, man müsse Steuerhinterziehung als "eine Art Volkssport" ansehen, an dem sich ja doch alle beteiligen. Dagegen sage ich: Ehrlich währt am längsten, auch bei der Steuer. - Weil er uns Besseres für's Leben schenken und uns befreien will, darum redet Gott als unser Liebhaber auch in diesem Bibeltext jetzt zu uns.


II


In zwei Grundbereiche des Lebens spricht er hinein: Den Bereich menschlicher Schuld und Mißachtung Gottes - und zweitens: den Bereich katastrophaler Zusammenbrüche, die es ja gibt: In der Natur, der Weltgeschichte - und unserm persönlichen Leben!


Mit Beidem hatten die Menschen zu tun, denen diese Worte urspünglich gelten. Heimatvertriebene, nach Babylon deportiert, vegetieren sie kläglich dahin und deuten ihr Schicksal als Zorn Gottes über sie. Und Gott sagt ihnen durch Jesaja: Ja, ich hatte mich von euch abgewendet, ich war wirklich voller Zorn auf euch.


Ich glaube: Auch über mich ist er öfters schon in Zorn geraten - und über Dich auch. Der Ewige, der Schöpfer des Weltall würdigt uns seines Zorns! Es ihm ihm also alles andere als gleichgültig, wie wir leben. Er gerät in Zorn über uns, aber...


Und nun kommt dieses herrliche "aber", das wir in den "goldenen Worten" hier hier und das wir auch an anderen Stellen der Bibel hören.


Ich hatte dich im Augenblick des Zorns ein wenig verlassen, aber mit ewiger Gnade will ich mich über dich erbarmen...Ein Mensch ist in seinem Leben wie Gras, aber die Gnade Gottes währt in Ewigkeit...(Ps.103, 15-17). Oder im Epheserbrief (2,4f.) : Ihr wart tot in euren Sünden, aber Gott, der reich ist an Erbarmen, hat euch mit Christus lebendig gemacht....Paulus: Der Tod ist der Sünde Sold, aber die Gabe Gottes ist ewiges Leben in Christus (Röm. 6,23). Und Jesus im Johannesevangelium (16,33): In der Welt habt ihr Angst, aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden...Gott hält zu uns. Gott vergibt. Jesus hat auch für dich am Kreuz um Vergebung gebeten und auch dir die Gnade Gottes erworben. Wir werden uns, wenn einmal alles wieder ans Licht kommt, schämen - aber Jesus tritt dann für uns ein und wir werden in die Seligkeit hineingenommen.


III


Aber nun, zweitens: Christen bleiben auf dem Teppich. Vielleicht habt Ihr längst gedacht: Woher weisst du das alles so genau von Gott? Ich erfahre Gott anders: Als völlig verborgen und undurchschaubar. Eher als seelenloses Schicksal, offenbar völlig gleichgültig gegenüber dem Meer von Leid und Tränen, das die Menschheitsgeschichte überflutet.


Und ich glaube: Jeder von uns kennt auch diese Erfahrung. Ich brauche das nur anzudeuten. Zum Beispiel: Wenn alte Menschen den Zerfall des Leibes am eigenen Leibe, den Zerfall des Geistes am eigenen Geiste erleiden - wie schwer ist das! Wie tapfer müssen sie sein! Warum muss das so sein?




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Und: Wenn man immer aufs neue sieht,wie es den Bösen so gut, den Guten so schlecht geht - muss man da nicht an Gottes Gerechtigkeit oder gar Liebe zweifeln und verzweifeln? Wie millionenfach ist schon gestöhnt, geseufzt, geschrieen worden: Warum hast du mich verlassen!?


Und manche geben dann tapfer und ehrlich jeden Glauben an Gott auf. Und sagen: Wir erkennen nichts. Ziehen vielleicht die Konsequenz, die Katja Maslowa in Tolstois radikalem Buch "Auferstehung" so ausspricht: "Alle leben nur für sich und zu ihrem eigenen Vergnügen, und alle Worte von Gott und dem Guten sind nichts als Betrug. Und wenn auch zuweilen die Frage lebendig wird, warum in aller Welt alles so schlecht eingerichtet sei, dass alle einander nur Böses tun und alle leiden, so muss man diese Frage ersticken und nicht daran denken. Und wird es einem traurig zumute, so raucht man, oder noch besser, man trinkt, und es geht vorüber".



"Alle leiden", sagt sie. Das gibt es, im Übermass: In der Natur, der Menschheit, in Deinem Leben, ganz unverschuldet: Berge weichen, Hügel stürzen ein....Erschütterungen, Entsetzlichkeiten bis hin zum Holocaust. Naturkatastrophen. Und im persönlichen Leben: Der tödliche Verkehrsunfall des Sohnes. Eine berufliche Existenz bricht zusammen, wird bösartig zerstört.


Zusammenbrüche. Erschütterungen. Katastrophen. Und doch: Auch hier wieder Gottes "Aber": Es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen, aber meine Gnade soll nicht von dir weichen und der Bund meines Friedens nicht hinfallen, spricht der Herr dein Erbarmer. Gegen den Augenschein sollen und dürfen wir vertrauen: Gott weiss, was er zulässt und tut, gibt das Werk seiner Hände nicht preis, trägt mich durchs Bodenlose hindurch, geht mit mir durchs finstere Tal, führt mich an ein Ziel.


Welches Fazit ziehe ich aus all dem für mein Leben? Ich kann auch meine persönliche Lebenshaltung kaum besser ausdrücken als es Kurt Marti tut in dem Gedicht: Geschichte, Ostern. ( Alle Zitate in: KMarti, der Heilige Geist ist keine Zimmerlinde. Radius-V. 2000). Er schreibt von all den Scheusslichkeiten und sagt dann:


...Wer immer auch Gott,

was immer auch Geschichte sein mag

nie und nimmer geschieht Sein Wille

in all der menschengemachten Zerstörung und Gier.

Das, ach ja,

behaupte ich ohne Beweis,

ein alter Mann mit leeren Händen,

halb wütend,

halb hoffend,

stets fragend:

Ostern,

war da nicht Ostern?


Nicht Dschinghis-Khan jedenfalls,

nicht Napoleon noch Krupp

sind auferweckt worden vom Tod.

Einem galiläischen Provinzler aber
soll's widerfahren sein,

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einem,

der so geschichtsblind war,

den Liebenden, den Gewaltlosen

die Erde zu versprechen,

die doch

fest in der Hand zu sein scheint

von Macht- und Geldhabern.


So geh ich,

Sinnend, fragend:

War da nicht Ostern?

War da nicht Maria aus Magdala,

Letzte unterm Kreuz,

Erste am Ostermorgen,

Herz der ersten Gemeinde?

Und gehe,

Fuß setzend vor Fuß,

murmelnd, bittend:

Stecke uns an

mit deiner Beharrlichkeit,

o du

mit dem Dutzendnamen Maria,

mach fester

unsere täglichen Schritte

durch die Wahrheit,

die du gewahrtest:
CHRISTUS IST AUFERSTANDEN.


Darum: Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Jesus Christus, dem Befreier. Amen