Gottesdienst am Sonntag Jubilate, 15. Mai 2011, Rhodos

 

Lieder:

 

Lobe den Herren... Praise the Lord 28.1 bzw. (niederl.) 28.2., 1-4

Mit Freuden zart zu dieser Fahrt...108

Jesus lebt, mit ihm...115, 1+2

Ich lobe meinen Gott...Pr. 23 (dt u niederl.)

 

Psalm 126 Nr 750

 

Lesung:  2. Kor. 4, 16 - 18

 

Wir hören den Predigttext zum  diesjährigen Sonntag Jubilate aus Johannes 16, die Verse 16 und 20- 23, ein kleiner Ausschnitt aus den sog. Abschiedsreden Jesu an seine Jünger. Da sagt Jesus zu ihnen:

 

Noch eine kleine Weile, dann werdet ihr mich nicht mehr sehen; und  abermals eine kleine Weile, dann werdet ihr mich sehen...

Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, ihr werdet weinen und klagen, aber die Welt wird sich freuen. Ihr werdet traurig sein, doch eure Traurigkeit soll in Freude verwandelt werden.

Eine Frau, wenn sie gebiert, so hat sie Schmerzen, denn ihre Stunde ist gekommen.  Wenn sie aber das Kind geboren hat, denkt sie nicht mehr an die Angst um der Freude willen, dass ein Mensch zur Welt geboren ist.

Und auch ihr habt nun Traurigkeit. Aber ich will euch wiedersehen, und euer Herz soll sich freuen, und  eure Freude soll niemand von euch nehmen.

An dem Tage werdet ihr mich nichts fragen.

 

 

Liebe Gemeinde!

 

Von  dem niederländischen Theologen  Henri Nouwen gibt es einen schönen Text:

 

Gespräch der Zwillinge im Mutterleib.

 

Sag mal, glaubst du eigentlich an ein Leben nach der Geburt? fragt der eine Zwilling.

 

Aber sicher! Hier drinnen wachsen wir und  werden stark für das, was draussen kommen wird.

 

Ich glaube, das bildest du dir nur ein, meint der erste. Es kann kein Leben nach der Geburt geben. Wie sollte das denn bitteschön aussehen?!

 

Na, so genau weiss ich das auch nicht. Aber es wird sicher viel heller sein als hier. Und vielleicht werden wir herumlaufen und  mit dem Mund essen?

 

Also so einen Unsinn habe ich ja noch nie gehört. Mit dem Mund essen, was für eine verrückte Idee. Wir haben doch die Nabelschnur, die uns ernährt. Und  wie willst du herumlaufen? Dafür ist doch die Nabelschnur viel zu kurz.

 

Doch, es geht ganz bestimmt. Es wird eben alles nur ein bißchen anders.

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Du spinnst doch.  Es ist noch nie einer zurückgekommen von  'nach der Geburt'. Mit der Geburt ist das Leben aus und zu Ende. Punkt.

 

Hm, sagt der andere wieder: Ich gebe dir ja zu, dass keiner weiss, wie das Leben nach der Geburt aussehen wird. Aber eins weiss ich: Wir werden dann unsere Mutter sehen und sie wird für uns sorgen.

 

Mutter?? Du glaubst doch wohl nicht an eine Mutter?! Wo ist sie denn bitteschön?!

 

Na hier – überall um uns herum. Wir sind und  leben in ihr und durch sie. Ohne sie könnten wir garnicht sein.

 

Quatsch! Von einer Mutter habe ich noch nie etwas bemerkt, also gibt es sie auch nicht.

 

Doch! Manchmal, wenn wir ganz still sind, kannst du sie hören. Oder spüren, wie sie unsere Welt streichelt...

 

 

Das Sterben und Leben nach dem Tode  – ist auch das einer Geburt vergleichbar? Jesus jedenfalls vergleicht hier das  Abschiednehmen, das  Sterben und Auferstehen mit dem Geschehen bei einer Geburt.

 

Er nimmt in diesen Worten Abschied von seinen Jüngern. Er bereitet sie darauf vor, dass er wird sterben müssen.  Er kündigt ihnen an: Ihr werdet weinen und klagen und die Welt wird sich freuen. Die Welt: Das waren vor allem die religiösen und  politischen Machthaber, all die Menschen und Mächte, die Jesus nicht wollten; die ihn weghaben wollten.

 

Und dann trifft das ein, was Jesus angekündigt hatte. Er stirbt den Tod am Kreuz, die Jünger sind verängstigt und  verzweifelt, die Frauen – besonders seine Mutter und  Maria Magdalena – weinen und klagen, die Machthaber triumphieren, und der Tod scheint allmächtig.

 

Und das scheint er ja manchmal wirklich zu sein. Wenn ein Mensch, den wir lieb

hatten, stirbt, dann ist alles nur noch dunkel. Wie schwer, manchmal ganz unmöglich, kann das Abschiednehmenmüssen sein.

 

Jesus kündigt den Jüngern hier das Schwere und Schlimme an, das auf sie zukommt. Er ist darin ein guter Seelsorger. Ein guter Seelsorger überspielt und verschweigt nicht die Härte des Todes, die Schmerzen des Abschiednehmenmüssens.

 

Aber Jesus ist auch darin ein guter Seelsorger, dass er auch den weiterführenden, Hoffnung weckenden Satz sagen kann: „Ich will euch wiedersehen und euer Herz soll sich freuen“.

 

Und auch das trifft dann ja ein: Nach der Finsternis des Karfreitags das strahlende Licht, der Glanz des Ostermorgens! Und das ganze Neue Testament ist erfüllt von dem Jubel darüber, dass der Tod nun nicht mehr allmächtig ist, sondern Jesus ihm seine Allmacht und Endgültigkeit abgenommen hat. Hinter dem Sterben erwartet uns nun Er. Wir gehen  einer von ihm und damit von Licht und  Liebe erfüllten Ewigkeit entgegen.

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Gott sei Lob und  Dank! Denn es könnte ja auch anders sein. Der Dichter Jean Paul erzählt in seinem berühmten Roman „Siebenkäs“, den er 1796 schrieb, einen Alptraum, dem er den Titel gab: „Rede des toten Christus vom Weltgebäude herab, dass kein Gott sei“.

 

Er erzählt, wie er an einem  Sommerabend auf einer Wiese an einem Kornfeld einschläft  und er findet sich im Traum  auf einem Friedhof an der Grabkapelle wieder, die Schatten der Toten entsteigen den Gräbern und Christus spricht zu ihnen: „Ich ging durch die Welten, ich stieg in die Sonnen und flog mit den Milchstrassen durch die Wüsten des Himmels; aber es ist kein Gott. Ich stieg herab, soweit das Sein seine Schatten wirft und schauete in den Abgrund und rief: Vater, wo bist du? Aber ich hörte nur den ewigen Sturm, den niemand regiert...und als ich aufblickte zur unermesslichen  Welt nach dem göttlichen Auge, starrte sie mich mit einer leeren bodenlosen Augenhöhle an, und die Ewigkeit lag auf dem Chaos und zernagte es und wiederkäuete sich...“.

 

So sieht der Dichter in seinem  Alptraum das All: Tot und  finster, schweigend, unendlich und  leer...,  aber dann erzählt er, wie er aus dem Schlaf, dem Alptraum erwacht: „Meine Seele weinte vor Freude, dass sie wieder Gott anbeten konnte – und die Freude und das Weinen und  der  Glaube an ihn wurden zu Gebet und Anbetung. Und als ich aufstand, glimmte die Sonne tief hinter den vollen purpurnen Kornähren und warf friedlich  den Widerschein ihres Abendrotes dem kleinen Monde zu, der aufstieg, und  zwischen dem Himmel und  der Erde streckte eine frohe vergängliche Welt ihre kurzen Flügel aus und lebte, wie ich, vor dem unendlichen Vater, und von der ganzen Natur um mich flossen friedliche Töne aus, wie von fernen Abendglocken“.

 

Die Welt – ohne Schöpfer...; das Leben, in dem kein Gott regiert...; das Sterben – ein Versinken im Nichts...:Das wäre entsetzlich. Aber nun ist seit Ostern alles anders: Wir gehen dem Licht, der Seligkeit eines Lebens entgegen, in dem wir die Herrlichkeit Gottes schauen werden; in dem wir – beschämt und dann unendlich dankbar - das masslose Erbarmen Gottes erkennen werden, das er uns um Jesu willen zuwendet.

 

Abschiednehmen und Sterben sind nun, wie Jesus hier sagt, einer Geburt vergleichbar:

 

„Eine Frau,wenn sie ein Kind zur Welt bringt, so hat sie  Schmerzen. Wenn sie aber das Kind geboren hat, denkt sie nicht mehr an die Angst um der Freude willen, dass ein Mensch zur Welt geboren ist“.

 

In einer Predigt über die ars moriendi, die Vorbereitung auf das Sterben, die er 1520, als 37jähriger hielt, hat Luther das aufgegriffen. Er nennt drei wesentliche Dinge, die zur Vorbereitung auf das Sterben gehören:

 

1.soll man sein  Hab und Gut so ordnen, dass es möglichst keinen  Hader und Streit unter den Hinterbliebenen gibt

 

2.soll man rechtzeitig allen vergeben und sie um Vergebung bitten, damit die Seele Frieden findet.

 

Und 3,  sagt er: „...soll man sich dann ganz zu Gott hin richten, wohin  der Weg des Sterbens uns führt. Und hier beginnt die enge Pforte, der schmale Steig

zum Leben.Darauf muss  sich ein jeder getrost gefasst machen , denn er ist wohl sehr

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eng, er ist aber nicht lang. Und es geht hier zu, wie wenn ein Kind aus der

kleinen Wohnung in seiner Mutter Leib mit Gefahr und Ängsten geboren wird in diesen

weiten Himmel und  Erde, das ist unsere Welt: ebenso geht der Mensch durch die enge Pforte des Todes aus diesem Leben. Und  obwohl der Himmel und die Welt, darin wir jetzt leben, als groß und weit angesehen werden, so ist es doch alles gegen den zukünftigen Himmel soviel enger und kleiner, wie es der Mutter Leib gegen diesen Himmel ist.

So muss man sich auch im Sterben auf die Angst gefasst machen  und wissen, dass danach ein großer Raum und Freude ist“.

 

Ein großer Raum und Freude! Aus der Enge in die Weite, hinter der Angst die Freude!  „Ich will euch wiedersehen“, sagt Jesus uns,  „und euer Herz soll sich freuen und eure Freude soll niemand von euch nehmen. An dem Tage werdet ihr mich nichts fragen“. Das  heisst doch: Alles findet eine Antwort, eine Erklärung.  Wir werden den Sinn von allem erkennen, den Sinn auch von Schmerzlichem, Rätselhaftem.

 

Wunderbar, finde ich, hat es der Liederdichter Christian Fürchtegott Gellert gesagt:

 

Dann werd' ich das im Licht erkennen,

was ich auf Erden dunkel sah,

das wunderbar und herrlich nennen,

was unerforschlich hier geschah,

dann schaut mein Geist mit Lob und Dank

die Fügung im Zusammenhang.  

 

Wie gut, wenn wir das glauben und also nicht dem Alptraum ausgeliefert sein müssen, das Universum sei sinnlos und ungeschaffen.

 

Nein, wir können im Gegenteil jetzt schon immer im Vertrauen auf Gottes gute und weise Führung leben. Und wir können unser Leben erfüllt von der Liebe Jesu und in der Liebe zu ihm führen -  und dann wird die Freude das unzerstörbare Fundament unseres Lebens sein, denn, wie es Luther einmal gesagt hat: „Die Freude ist der Doktorhut des Glaubens“. Amen.