Predigt über Johannes 16, 16 – 22 (Toten- und Ewigkeitssonntag, 26.11.2000)

(Pfarrer Martin Quaas)

 

Gnade sei mit euch und Friede von Gott dem Vater und und unserem Herrn Jesus Christus. Wir hören den heutigen Predigttext aus den sog. Abschiedsreden Jesu an seine Jünger im Johannesevangelium in Kapitel 16, die Verse 16 – 22. Jesus sagt da zu seinen Jüngern:

 

Noch eine kurze Zeit, dann werdet ihr mich nicht mehr sehen; und wiederum eine kurze Zeit, dann werdet ihr mich sehen.

Da sprachen einige seiner Jünger untereinander: Was bedeutet das, was er sagt: Noch eine kurze Zeit? Wir wissen nicht, was er redet.

Da merkte Jesus, daß sie ihn fragen wollten, und sprach zu ihnen: Danach fragt ihr euch untereinander, daß ich gesagt habe: Noch eine kurze Zeit, dann werdet ihr mich nicht sehen; und wiederum eine kurze Zeit, dann werdet ihr mich sehen?

Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Ihr werdet weinen und klagen, aber die Welt wird sich freuen; ihr werdet traurig sein, doch eure Traurigkeit soll in Freude verwandelt werden.

Eine Frau, wenn sie gebiert, so hat sie Schmerzen, denn ihre Stunde ist gekommen. Wenn sie aber das Kind geboren hat, denkt sie nicht mehr an die Angst um der Freude willen, daß ein Mensch zur Welt geboren ist.

Und auch ihr habt nun Traurigkeit; aber ich will euch wiedersehen, und euer Herz soll sich freuen, und eure Freude soll niemand von euch nehmen.

 

 

Freude also kündigt Jesus an, liebe Schwestern und Brüder, ungetrübte, unvergängliche Freude – und das in Abschiedsworten an seine Jünger!

 

Abschied und Freude, Freude und Totensonntag: Ja -  das  paßt doch gar nicht zueinander!

 

Heute, am Totensonntag, denken viele an den Abschied an Gräbern zurück. Und manche von Ihnen werdenheute, vielleicht nach dem Gottesdienst, zu den Gräbern hingehen. Man denkt zurück an den Abschied von Menschen, die man lieb hatte, die einem vertraut waren. Wenn man Abschied nehmen muß von einem Menschen, scheint die ganze Welt still zu stehen – und der Tod scheint allmächtig. das ist so, gleich, ob der Tod eines Angehörigen plötzlich kam oder ob Gelegenherit war zu Abschiedsworten oder – gesten.  

 

Und nun redet Jesus in diesen sog. Abschiedsworten  an seine Jünger von seinem bevorstehenden Tod, er bereitet sie darauf vor, daß er wird sterben müssen -  und er ist in seinen Worten, wie so oft im Neuen Testament, ein guter  Seelsorger. Ein guter Seelsorger bemäntelt und verharmlost das Schwere, Schlimme nicht, das auf menschen zukommt, er nennt es beim Namen. So auch Jesus: Ihr werdet weinen und klagen, aber die Welt wird sich freuen“, sagt er.

 

Eine harte Ankündigung. Weinen und klagen werden die Jünger.Manche von Ihnen wissen, wovon Jesus redet. Eine schwere Zeit steht den Jüngern bevor – allerdings: eine „kurze Zeit“, sagt Jesus.

 

 

2

 

Sie fängt an, als sie ihn im Garten  Gethsemane alle verlassen, zu ihr gehören die Verhöre vor dem Hohen Rat und vor Pilatus, die Geißelung, und dann der Kreuzestod Jesu. Die Jünger ziehen sich zurück in furchtbarem Erschrecken und verstecken sich. Nicht nur aus Angst um ihr eigenes Leben, sondern vor dem Triumphgeschrei der Mächte und Gewalten dieser Welt. Denn es tritt das ein, was Jesus angekündigt hatte: „Die Welt wird sich freuen“. Die Welt - und ein Stück „Welt“ steckt in jedem von uns! – die Welt kann ihn offenbar nur schwer ertragen und will ihn nicht – bis heute nicht. Und jetzt, als Jesus stirbt, ist sie ihn anscheinend endgültig los. Sie triumphiert, und der Text ihres Triumphgeschreis lautet: Es bleibt doch alles beim Alten!  Wir leben, um zu sterben, das Böse ist stärker als das Gute und der Tod ist letztlich der Allmächtige. 

 

Das ist es, was Jesus meint, wenn er mit Nachdruck sagt : Ihr werdet weinen und klagen, und die Welt wird sich freuen...

 

Aber, Jesus, wie lange wird das dauern? Ewig? Ist nun endgültig herausgekommen, wer die Macht hat, nämlich der Tod und das Böse, das sich an Jesus austobt?

 

Noch eine kurze Zeit, sagt Jesus, und ihr werdet mich nicht sehen. Und abermals eine kurze Zeit,und ihr werdet mich sehen...“

 

Eine begrenzte Zeit also. Drei Tage, drei Tage trostlosester Finsternis, die drei Tage zwischen Karfreitag und Ostersonntag, die drei dunkelsten Tage der Weltgeschichte.

 

Und nun  ist Jesus ein guter Seelsorger nicht nur darin, daß er das Schwere nicht verharmlost, das auf die Jünger zukommt, sondern auch darin, daß er auch den helfenden, Zuversicht weckenden, weiterführenden Satz sagen kann: „Ich will euch wiedersehen!“

 

Nach der Finsternis des Karfreitags das strahlende Licht, der Glanz des

Ostermorgens! Jesus begegnet den Jüngern im Lichtglanz Gottes, und das ganze

Neue Testament ist erfüllt von dem Jubel darüber, daß hinter dem Tode nun Er steht!

Wir sinken im Sterben nicht  mehr in ein Nichts, wir stürzen im Tode

nicht in Dunkel und chaotische Finsternis,sondern – unbegreiflich genug –wir

werden Ihm begegnen! Und darum vergleicht Jesus hier das Sterben auch mit einer

Geburt: Hinter dem engen Weg des Sterbens Weite und Freude! 

 

Wie könnten wir den Totensonntag begehen ohne Ostern? Totensonntag ohne Ostern ist ein trostloser Sonntag. Totensonntag mit Ostern macht den Totensonntag zum Ewigkeitssonntag: stellt all die Gräber, vor denen wir standen und stehen, auch die anonymen Gräber, stellt all die Abschiede, die ein Herz fast zerbrechen lassen können, stellt all die quälenden Warum- und Wie-lange-Fragen in den Horizont der Ewigkeit – nein, keiner leeren Ewigkeit, das bloße Wort Ewigkeit könnte ja ein furchtbares Wort sein,das einen erschauern läßt, sondern einer von Jesus Christus erfüllten, und damit von großer, von vollkommener Freude erfüllten Ewigkeit!

 

Gott hat etwas vor mit dieser zerbrechlichen und zerbrochenen Welt, die Ihn nicht will.  Was hat er vor mit ihr? Freude!

 

 

3

 

 

Die Welt, die ganze Welt steht schon in diesem Freudenlicht, seit dem Ostermorgen. Wir können diese Freude nur noch nicht fassen. Aber eine Ahnung davon ist uns doch - als Hörern des Evangeliums – schon gegeben, vielleicht sogar ein Wissen, eine Erfahrung: Doch, Jesus ist stärker. Er hat und spricht das letzte Wort.

Er gibt unserem Leben Trost und Fülle.

 

Darum: Der Friede Gottes,der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in ihm, unserm Heiland und Herrn über die Welt. Amen.

 

 




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