Gottesdienst am 4. Juli 1999 (5.p.Trin.) (Pfarrer Martin Quaas)

 

Lieder:  Geh aus mein Herz... 503

               Lobe den Herren...317

               Vertraut den neuen Wegen...395

 

Psalm: 100

 

Schriftlesung: 1. Mose 12, 1 – 4

 

Predigttext: Johannes 1, 35 – 45

 

Am nächsten Tag stand Johannes abermals da und zwei seiner Jünger;

und als er Jesus vorübergehen sah, sprach er: Siehe, das ist Gottes Lamm!

Und die zwei Jünger hörten ihn reden und folgten Jesus nach.

Jesus aber wandte sich um und sah sie nachfolgen, und sprach zu ihnen: Was sucht ihr? Sie aber sprachen zu ihm: Rabbi – das heißt übersetzt: Meister -, wo ist deine Herberge?

Er sprach zu ihnen: Kommt und seht!

Sie kamen und sahen’s und blieben diesen Tag bei ihm. Es war aber um die zehnte Stunde.

Einer von den zweien, die Johannes gehört hatten und Jesus nachgefolgt waren, war Andreas, der Bruder des Simon Petrus.

Der findet zuerst seinen  Bruder Simon und spricht zu ihm: Wir haben den Messias gefunden, das heißt übersetzt: der Gesalbte.

Und er führte ihn zu Jesus. Als Jesus ihn sah, sprach er: Du bist Simon, der Sohn des Johannes; du sollst Kephas heißen, das heißt übersetzt: Fels.

Am nächsten Tag wollte Jesus nach Galiläa gehen und findet Philippus und spricht zu ihm: Folge mir nach!

Philippus aber war aus Betsaida, der Stadt des Andreas und Philippus.

Philippus findet Nathanael und spricht zu ihm: Wir haben den gefunden, von dem Mose im Gesetz und die Propheten geschrieben haben, Jesus, Josefs Sohn, aus Nazareth.

 

Liebe Gemeinde,

 

eigentlich geschieht hier gar nichts Besonderes, nicht wahr? Jedenfalls nichts Sensationelles, Nervenkitzelndes – kein dramatischer Schußwechsel, keine prickelnde erotische Szene...Wir hören stattdessen von ein paar Begegnungen von Menschen, die einige Worte miteinander wechseln, das ist alles. Und doch: Das, wovon hier erzählt hat, das hat das Leben dieser Menschen grundlegend verändert und es ist von großer Bedeutung bis hin zu uns heute. Ich finde, geradeso ist es mit der Taufe: Äußerlich gesehen geschieht überhaupt nichts Dramatisches, es geht um ein ganz schlichtes, unscheinbares Geschehen: Ein paar Worte, ein bißchen Wasser, eine Geste des Segnens. Und doch: Dieses Geschehen kann ganz wesentliche Bedeutung haben für Ihr Kind und für Sie. Denn ob einer bewußt mit Gott, mit Jesus lebt – oder ohne ihn, dementsprechend gestaltet sich sein Leben ja auf ganz verschiedene Weise.

 

 

2

 

                                                                       I

 

Und nun bekommen wir in diesen Bibelworten Hilfen, um unser Leben bewußt mit Jesus, mit Gott zu führen. Erstaunlich, wie Johannes der Täufer hier geradezu eine Kettenreaktion auslöst: Er zeigt seinen Schülern Jesus. Die hören, was er von ihm sagt und gehen hinter ihm her. Einer der beiden heißt Andreas. Der findet seinen Bruder Simon und führt ihn zu Jesus. Dann findet – immer wieder dieses finden! – dann findet Jesus den Philippus. Philippus findet Nathanael und sagt zu ihm: Wir haben den verheißenen Retter Israels gefunden.

 

Fünf Menschen suchen einander, finden einander und Jesus findet sie.

 

Lauter Findungsgeschichten. So wie Jesus ja auch öfter solche „Findungsgeschichten“ erzählt hat: Etwa jenes wundervolle Gleichnis (Predigttext von vor 14 Tagen), wo Sohn und Vater schließlich einander wiederfinden und sich in überströmender Freude in die Arme fallen. Oder jene Geschichte, wo der Hirte das eine Schaf sucht, das sich verloren hat, bis er’s schließlich findet und voller Freude heimträgt (Lukas 15).

 

Wir sehen bei den Begegnungen hier: Wer Jesus gefunden hat, der kann das nicht für sich behalten, der muß andere auf ihn hinweisen, von ihm erzählen, der führt andere zu Jesus. Ist das bei Ihnen auch so? Darum geht’s doch auch bei der Taufe, daß Sie versprechen, Ihrem Kind von Jesus zu erzählen, in ihm Vertrauen und Liebe zu ihm zu wecken!

 

Das ist schon eindrucksvoll, wie Menschen hier einander auf Jesus hinweisen und ihren Glauben an ihn äußern. Bei uns ist das wohl eher selten. Früher sagte man: Über Geld, Sexualität und Glauben spricht man nicht, das ist eher Privatsache. Heute ist hiervon vor allem der Glaube übriggeblieben. Auf Parties, Familienfeiern, geselligen Zusammenkünften: Über Geld, über das, was man hat und was man sich leisten kann – darüber spricht man. „Mein Haus, mein Auto, mein Boot, meine Freundin...“! Und die, die sich für besonders frei halten, meinen, auch über alle möglichen Arten und Unarten der Sexualität reden zu müssen. Aber ein Gespräch über das, was man glaubt, ein Gespräch gar, in dem einer oder eine sich zu Jesus bekennt? Das wäre ja fast obszön, so etwas tut man doch nicht!

 

Das ist bei den Menschen in diesen Bibelworten anders. Und das muß auch bei uns anders werden. Wir sollten uns darin üben, uns über unseren Glauben (mitsamt den Fragen und Zweifeln, die dazugehören!)  genauso unbefangen und sachkundig zu äußern wie über – sagen wir – das, was wir gern essen oder gern kochen.

 

                                                                       II

 

Und nun erlaubt uns unser Bibelwort, in solche Glaubensgespräche hineinzuhorchen. Wenden wir uns besonders dem ersten dieser Gespräche zu, dem zwischen den beiden Jüngern und Jesus.

 

Es ist ein Gespräch von frappierender Kürze. Die Beiden gehen also hinter Jesus her. Und der wendet sich zu ihnen um, er sieht sie und er fragt: was sucht ihr? Sie

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antworten mit einer Gegenfrage: Meister, wo ist deine  Herberge? Und er: Kommt

und seht. Das ist alles. Und doch: Was ist in diesen wenigen Worten alles enthalten!

 

Was sucht ihr? Ja was suchen wir, wenn wir Jesus folgen, wenn wir zu einer christlichen Gemeinde gehören, wenn wir unser Kind taufen lassen, wenn wir Gottesdienste feiern?

 

Nicht wahr: Das ist schwer auszudrücken. Immerhin: Sie haben einiges an unserem Taufelternabend gesagt: Wir möchten Gottes Segen für unser Kind, wir möchten, daß es behütet aufwächst, wir möchten, daß es zu einer Gemeinde gehört, weil wir selber gute Erfahrungen mit einer Gemeinde gemacht haben, als wir Kinder und Jugendliche waren...

 

Was sucht ihr? Die Beiden in unserm Text antworten mit einer Gegenfrage:

Meister, wo ist deine Herberge?

 

Sie meinen damit sicher nicht einfach: Wo wohnst du eigentlich? (Darauf hätte Jesus auch eine Antwort gehabt: „Die Füchse haben Gruben und die Vögel unter dem Himmel haben Nester, aber der Menschensohn hat nichts, wo er sein Haupt hinlege...“(Lk.9, 58) – Jesus war und ist ohne festen Wohnsitz). Sondern sie meinen: Wo ist dein Zuhause? Wo bist du beheimatet? Und darin schwingt mit: Bist du der ersehnte Retter, der, der sein Zuhause im Himmel hat, und der auch uns Geborgenheit, Beheimatung in Gott geben kann?

 

Das also suchen sie im Grunde: Geborgenheit, Beheimatung, festen Halt und Verwurzelung des Lebens – so wie wir’s gleich singen werden: „Mach in mir deinem Geiste Raum, daß ich dir werd‘ ein guter Baum und laß mich Wurzel treiben...“

 

Und das, denke ich, suchen und brauchen wir Menschen alle. Nicht wahr: Ein Küken pickt sich aus seiner Schale heraus, trippelt los und braucht die Mutter nicht mehr...Der Mensch aber braucht Jahre der Nestwärme und Geborgenheit, im Grunde braucht er sein Lebtag solche Nestwärme, Beheimatung, Geborgenheit. ich habe beim Taufelternabend von dem Buch erzählt, das ich vor einiger Zeit las: Es handelt von Widerstandskämpferinnen und –kämpfern im „Dritten Reich“, also von innerlich

besonders freien, mutigen Menschen, und es wird darin gezeigt: Sie alle wuchsen in der Geborgenheit einer gut behüteten Kindheit auf, waren Menschen, die in ihren Elternhäusern starken Rückhalt, Geborgenheit, Verläßlichkeit fanden (und deren Eltern oft auch Vorbilder im Glauben waren).

 

Das brauchen wir, brauchen vor allem Kinder: Rückhalt, die Erfahrung, sich auf Eltern oder andere Menschen verlassen zu können...Und das sollen wir auch in der Gemeinde finden, in den Gottesdiensten soll das gestärkt werden, Jesus will uns das mitteilen. Er sagt: Auf mich kannst du dich verlassen, ich verlasse dich nie, ich enttäusche dich nicht, ich halte zu dir, komme, was wolle, ich gebe deinem Leben einen tiefen Sinn und ein festes Fundament...

 

 

 

 

3

                                                                      

III

 

Wie erkennen und empfangen wir das?

 

„Kommt und seht!“ antwortet Jesus auf die Frage der beiden nach seinem Zuhause. Kommt und seht! Der christliche Glaube ist also kein Standpunkt, sondern ein Weg, ein Unterwegssein mit Jesus.

 

„Und sie kamen und sahen und blieben...“

 

„Veni, vidi, vici – ich kam, sah und siegte!“ So sagte der berühmte Feldherr Julius Cäsar nach einer gewonnenen Schlacht. Das wollen wir auch gern: Kommen, die Situation einschätzen – und dann das letzte Wort haben, der Stärkere sein, der, der alles im Griff hat...Hier heißt es anders: „Und sie kamen und sahen und – blieben“. Kommen: Zu Jesus kommen. Sehen: Erkennen, wer er ist und was er geben kann. Und Bleiben: Bei ihm eine Bleibe finden, bei ihm das finden, das allein bleibenden Wert hat und unserem Leben bleibenden  - auch vor Gott in der Ewigkeit bleibenden! - Sinn und Wert gibt.

 

Komm und sieh! Das sagt Jesus Euch Eltern und Paten, jedem persönlich. Kommt zu Jesus, kommt gemeinsam mit euren Kindern, kommt zu seinen Worten, zu den Gottesdiensten, und seht: Seht, was Jesus zu geben hat und wer er für euch ist: Der, der euch Bleibe gibt, Geborgenheit, Frieden mit Gott und mit euch selbst und einen überaus sinnvollen Lebensauftrag...

 

Kommt und seht! Dann werdet ihr mit eigenen Worten sagen können, was euch Jesus bedeutet. Dann ist das keine Formel mehr, sondern wird persönliches Bekenntnis, was Johannes der Täufer von ihm sagt: „Siehe, das ist Gottes Lamm, das die Sünde der Welt trägt“ (Joh.1,29).    

 

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus J esus unserm Herrn. Amen




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