Gottesdienst am Sonntag Quasimodogeniti, 19. April 2009

in Essen - Bredeney, Am Brandenbusch


Lieder:

Erschienen ist der herrlich Tag...106

Gottlob der Sonntag kommt herbei...162

So nimm denn meine Hände...376

Mit Freuden zart...108


Psalm 116 (Nr. 750.1. und 2 (S.1179)


Gnadenzusage: Wenn wir sagen, wir haben keine Sünde, so betrügen wir uns selbst und die Wahrheit ist nicht in uns. Wenn wir aber unsere Sünden bekennen, so ist Er treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und reinigt uns von aller Ungerechtigkeit.


Tagesgebet: Lieber Herr Jesus, nun willst du selbst zu uns kommen als der Lebendige und Allmächtige, kommst durch unsere Verschlossenheiten hindurch und willst uns stärken mit himmlischer Kraft. Schenke uns deinen Frieden - einen Frieden, wie ihn die Welt nicht geben kann. Gib, dass auch wir sagen können wie Thomas damals: Mein Herr und mein Gott! Und sende uns in die neue Woche als Boten deiner Vergebung, deiner Liebe zu Menschen, deiner Liebe zum Leben. Der du mit dem Vater und dem heiligen Geist regierst von Ewigkeit zu Ewigkeit


Lesung: Jesaja 40, 26 - 31


Predigt zu Johannes 20, 19 – 29


Am Abend aber dieses ersten Tages der Woche, als die Jünger versammelt und die Türen verschlossen waren aus Furcht vor den Juden, kam Jesus und trat mitten unter sie und spricht zu ihnen: Friede sei mit euch!

Und als er das gesagt hatte, zeigte er ihnen die Hände und seine Seite. Da wurden die Jünger froh, dass sie den Herrn sahen.

Da sprach Jesus abermals zu ihnen: Friede sei mit euch! Wie mich mein Vater sendet, so sende ich euch.

Und als er das gesagt hatte, blies er sie an und spricht zu ihnen: Nehmt hin den heiligen Geist!

Welchen ihr die Sünden erlasst, denen sind sie erlassen; und welchen ihr sie behaltet,

denen sind sie behalten.

Thomas aber, der Zwilling genannt wird, einer der Zwölf, war nicht bei ihnen, als Jesus kam.

Da sagten die andern Jünger zu ihm: Wir haben den Herrn gesehen. Er aber sprach zu ihnen: Wenn ich nicht in seinen Händen die Nägelmale sehe und meinen Finger in die Nägelmale lege und meine Hand in seine Seite lege, kann ich's nicht glauben.

Und nach acht Tagen waren seine Jünger abermals drinnen versammelt, und Thomas war bei ihnen. Kommt Jesus, als die Türen verschlossen

waren, und tritt mitten unter sie und spricht: Friede sei mit euch!

Danach spricht er zu Thomas: Reiche deinen Finger her und sieh meine Hände und reiche deine Hand her und lege sie in meine Seite, und sei

2


nicht ungläubig, sondern gläubig!

Thomas antwortete und sprach zu ihm: Mein Herr und mein Gott!

Spricht Jesus zu ihm: Weil du mich gesehen hast, Thomas, darum glaubst du. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben!


Liebe Gemeinde!


Schönes Wochenende!“ so wünschen die Damen an der Kasse, wenn man freitags oder samstags einkaufen geht. Ich kann es dann manchmal nicht lassen, „frohen Wochenanfang“ zu wünschen, oder gar: Gesegneten Sonntag! Die Damen blicken etwas verdutzt, freundlich, manchmal lächeln sie.




I


Wir Christen werden also darauf bestehen: Der Sonntag ist nicht Ende der alten, sondern Anfang der neuen Woche. „Am Abend aber dieses ersten Tages der Woche waren die Jünger versammelt“, so beginnt unser Bibeltext Am ersten Tag der Woche, dem Sonntag, dem Tag der Auferstehung Jesu aus dem Tode.


Gottlob der Sonntag kommt herbei,

die Woche wird nun wieder neu,

heut' hat mein Gott das Licht gemacht,

mein Heil hat mir das Leben bracht.


So haben wir eben gesungen. Kann man das anders als voller Jubel und Staunen zu singen?


Wir denken an diesem Tag an etwas ganz und gar Unvorstellbares; es geschah – laut Wikipedia, Artikel „Urknall“ - vor circa 13,7 Milliarden Jahren: Gott, der schon immer war, sprach: Es werde Licht! Und es begann die Zeit. Der erste Tag des Weltalls.


Und wir denken an diesem Tag, dem Sonntag, an etwas in seiner Größe und Bedeutung ebenso Unvorstellbares wie die Erschaffung der Welt am Anfang: Wir gedenken der Auferstehung Jesu. Gott erfüllte den Leichnam eines jüdischen Menschen namens Jesus, hebräisch: Joshua, mit seinem eigenen göttliches, ewigen Leben, machte ihn zu einem wie sich selbst.


Der Sonntag erinnert uns also an etwas, das in uns Staunen und Ehrfurcht auslösen soll: Die Welt ist eine Schöpfung Gottes! Und wir werden hoffentlich gleich, wenn wir nach Hause gehen – wenn möglich zu Fuß – die Bäume, das zarte Grün, die Blüten, die Wolken mit anderen, mit staunenden Augen ansehen: Dies alles hat ein geheimnisvoller Künstler , hat Gott sich ausgedacht! Und auch ich bin – inmitten aller übrigen Geschöpfe – ein einmaliges Geschöpf Gottes! Und wir werden hoffentlich beschwingt nach Hause gehen, mit neuer Gewissheit: Der Tod hat nur noch das vorletzte Wort; das letzte Wort spricht Jesus.


Der Sonntag: Tag der Ruhe, des Aufatmens. Und das soll er auch bleiben. All denen zum Trotz, die aus ihm einen Aktivitäts-, Konsum- und shoppingtag wie alle andern machen

3


wollen. Von diesem Tag her fällt Licht auf die neue Woche, vom Sonntag nehmen wir Kraft

zum Guten und Segen in die neue Woche hinein.


Ich erinnere mich gut; es war geradezu ein Schock für mich. Es war noch vor der sog Wende, ist also über 20 Jahre her: Meine Frau und ich fuhren an einem Sonntagmorgen zu einem Besuch in die damals noch so genannte DDR. Auf unserer Seite stille Dörfer, Glockengeläut, kaum waren wir über die Grenze, war alles ganz alltäglich. Von Sonntagruhe, sonntäglicher Kleidung, feiertäglicher Atmosphäre nichts zu spüren, nichts zu sehen. Der Sonntag: Ein Tag wie jeder andere.


Nein, wir Menschen sind unendlich mehr als nur Verbraucher. Am Sonntag erinnern wir uns an das Licht des Lebens, das Gott geschaffen hat, und wir lassen uns begaben mit dem, was der auferstandene Jesus uns schenken kann. Denn all das, was die Jünger in unserm Predigttext von ihm bekommen, das will er jetzt auch uns geben.



II


Durch verschlossene Türen dringt er hindurch. Die sind für ihn, der mit Gottes Lebendigkeit erfüllt ist, kein Problem mehr. Er besucht die völlig verzagten und kleinmütigen Jünger. Er segnet sie mit Frieden, begabt sie mit Heiligem Geist, gibt ihnen einen sinnvollen Lebensauftrag.


Man kann sich das ja gut vorstellen, wie sie da hocken. Jesus ist tot und begraben. Es ist aus. Angst haben sie. Vielleicht holt man sie auch noch ab, sperrt sie ein, tötet sie vielleicht gar. Wie man ein noch schwach flackerndes Feuer ganz austritt. Damit endgültig Schluss ist mit dieser Jesusbewegung.


Solche Ängste vor Verfolgung brauchen wir hierzulande derzeit nicht zu haben. In manchen Ländern – im Bereich des Islam, vor allem im Irak - ist das anders. Da wurden und werden Christen furchtbar verfolgt. Schuld daran ist vor allem eine verfehlte westliche Politik, die Gewalt mit noch mehr Gewalt beantwortet hat. Wir können nur beten, das das jetzt anders wird. Nicht Waffen, sondern Gespräche sind das Mittel einer zivilisierten Politik.


Bei uns hier gibt’s andere Ängste und Verschlossenheiten. Isoliertheit. Einsamkeit. Trauer. Sich in den eigenen Kummer zurückziehen. Da muss der Auferstandene durch die Mauern des Todes im Leben, auch durch die Mauern der Ichsucht hindurchbrechen und uns gemeinschaftsfähg, gemeinschaftsfreudig machen.


Friede sei mit euch“, so begrüßt er sie. Das ist keine Floskel, sondern ein Segenswunsch – und, bei Jesus jedenfalls, mehr als ein Wunsch . Mit ihm kommt der Friede, der schalom: Wenn er kommt, werden wir froh, werden wir zufrieden, fühlen wir uns wohl, vertragen wir uns wieder, ertragen wir einander.


Das geschieht jetzt auch hier im Gottesdienst, dass wir uns wohlfühlen in einem tiefen Sinne, weil wir hören und spüren: Wir sind durch ihn nicht mehr nur Geschöpfe, sondern auch Kinder Gottes: Er kennt auch dich und hat dich lieb. Er wird dich nie verlassen. Er hat mit Dir noch Erstaunliches vor.


4


All das, was wir von Jesus an Gutem empfangen, ist in unserm Text in dem Sätzchen zusammengefasst: „Da wurden die Jünger froh, dass sie den Herrn sahen“.


Und dann sagt er das ein zweites Mal: Friede sei mit euch. Und er tut etwas: Bläst sie an. So wie es von Gott auf der zweiten Seite der Bibel erzählt wird: Gott bläst Adam, dem Erdenkloss, den Odem des Lebens in die Nase, das heisst: Er belebt ihn mit ewigem Leben. Das tut Jesus jetzt hier bei Jüngern. Er hat uns Sündern „das Leben wiederbracht“. Er erfüllt uns mit der Lebendigkeit seines Geistes.


III


Und dann sendet er sie. Wozu? Zum Gottesdienst im Alltag.


So sendet er auch uns. Wozu? Was sollen wir tun?


Nächstenliebe üben? Gerechtigkeit fördern? Nett sein zueinander? Uns in den Arm nehmen? „Ach wie haben wir uns alle so lieb...“?


In unserm Text wird nur ein einziger Auftrag genannt; ein offenbar unverzichtbarer Auftrag für die Jünger. Etwas, was offenbar nur sie tun können und niemand sonst. Etwas, wodurch sie unersetzlich wichtig werden für die Menschheit. Etwas, worin der christliche Glaube einzigartig ist, mehr und anderes als alle Religionen. „Welchen ihr die Sünden erlasst“, sagt Jesus, „denen sind sie erlassen; und welchen ihr sie behaltet, denen sind sie behalten“.


Darum also geht’s: Sünden vergeben. Das ist es, wodurch wir Christen einzigartig und unersetzlich sind in der Welt.


Ich vergesse nicht: Bei einem Gespräch über diesen Text sagte mir einmal jemand, der hauptamtlich in der Kirche tätig ist: Sündenvergebung, das versteht doch keiner mehr. Was soll das.


Jesus sagt: Das ist euer Auftrag: Sündenvergebung zusprechen. Oder: Sündenvergebung verweigern.


Können wir das unsern Zeitgenossen klarmachen, wie notwendig Sündenvergebung ist?


Es setzt ja auf jeden Fall eins voraus: Dass Menschen ihr Leben nicht gott-los leben, also so, dass Gott darin keine Rolle spielt. Es setzt schon voraus, dass Menschen sich klarmachen: Du lebst von Gott , durch Gott, auf Gott hin. Ihm verantwortlich. Dann – nur dann - erkenne ich: Ich entspreche seinem Wort und Willen nicht, ich mache ihm keine Ehre. Ich bin mir wichtiger als Er. Das Geld ist mir wichtiger als Er. Der Tod, die Trauer beherrscht mich mehr als Er. Ich habe Andere verletzt. Bin einem etwas schuldig geblieben. Denn: Sünde, Schuld ist ja nicht nur das, was ich aktiv an Bösem tue, sondern genauso auch das, was ich Gott und Menschen schuldig bleibe an Liebe und Hochachtung.


Aber wer Schuld erkennt und ausspricht, der darf hören: Gott behaftet dich nicht bei deinem Versagen. Jesus hat, was du eigentlich mit Recht verdient hast von Gott, auf sich genommen – und du bist frei, bist und bleibst geliebt.

5


Zum bewegendsten in meiner 39jährigen Tätigkeit als Gemeindepfarrer gehörte immer, wenn ich, während ich mit einem Sterbenden gemeinsam das Vaterunser sprach, mit

hören oder sehen durfte, wie er dann leise (manchmal nur die Lippen bewegend) auch die Worte mitsprach: ...wie auch wir vergeben unseren Schuldigern . Ein Mensch, das das von Herzen aussprechen kann, ist im Frieden.


Wer dankbar ist und bleibt für die Vergebung , die Jesus uns erworben hat, der, nur der, kann seinerseits vergeben und kann dann auch im Namen und in der Vollmacht, die Jesus ihm gibt, Vergebung der Sünden zusprechen. Jeder Christ, der von Herzen glaubt, kann und soll das.


Er darf einem Menschen im Leben und im Sterben zusprechen: Im Namen Gottes ! Dir sind deine Sünden vergeben. Du kannst um Jesu willen vor Gott bestehen.


Aber wir haben auch den Auftrag, einem Menschen , der verstockt, störrisch, überheblich und unbussfertig bleibt, zu sagen: Dann wird auch Gott Dir im Jüngsten Gericht nicht vergeben. Denn, liebe Gemeinde: Es gibt auch ein Leben in ewiger Verlorenheit und Gottesferne - und das ist unausdenklich grauenhaft.


Aber davor hat Jesus uns errettet, stattdessen uns Leben in ewiger Seligkeit und Freude erworben. Es braucht nur eins: Dass wir das annehmen und dementsprechend unser Leben gestalten. Also in lebendiger Beziehung zu Jesus leben.


IV


Und um uns zu solch einer lebendigen , persönlichen Beziehung zu Jesus einzuladen, darum fügt Johannes hier nun noch die Begegnung zwischen Jesus und Thomas an. (Der hebräische Name für Thomas ist ta'am, was Zwilling bedeutet).


Thomas hat mich schon als Kind beeindruckt, wie er ehrlich sagt: Das, was ihr von eurer Begegnung mit Jesus erzählt, das will ich nicht einfach so unbesehen übernehmen. Ich will nicht einfach euren Glauben nachplappern, sondern ich will und kann nur glauben, wenn Jesus selber mir persönlich begegnet. Das war uns wichtig bei unseren eigenen Kindern, dass sie ihren eigenen Glauben finden (was gottseidank auch geschehen ist), und das war mir wichtig im Kirchlichen Unterricht. Die jungen Menschen sollen nicht meinen Glauben übernehmen, sondern eigene persönliche Erfahrungen mit Gott, mit Jesus machen. Der Glaube soll ihr eigener, ihr persönlicher Glaube sein.


Und wie schön wird hier erzählt, dass Jesus den Thomas ganz ernst nimmt. Er zeigt ihm persönlich seine Wundmale. (Caravaggio hat das einmal herrlich und drastisch gemalt). Und Thomas erlebt, was auch der Graf Zinzendorf einmal von sich erzählte. Er stand in Düsseldorf vor einem Bildnis des Gekreuzigten und mit einemmal hörte er ihn sagen: „Das tat ich für dich - Was tust du für mich?“


Und dann gründete er die Herrnhuter Brüdergemeinde, der wir u.a. das seit 279 Jahren alljährlich erscheinende Losungsbüchlein verdanken – eine wunderbare Hilfe für eine kleine tägliche Morgenandacht.


Thomas erkennt. Diese Wunden, diesen Schmerz habe auch ich ihm zugefügt. Er ist auch für mich und meine Sünden gestorben. Er hat auch mir das Geschenk der ewigen Liebe

6


Gottes erworben. Und in großer Erschütterung bricht er in die Worte aus: Mein Herr und mein Gott!


Auch jeden von Euch nimmt der Herr Jesus in seinen Glaubensfragen und -zweifeln ganz ernst. Jedem von Euch wendet er sich in großer Wertschätzung zu. Mit

jedem will er eine persönliche Beziehung. So dass du als eigenes Bekenntnis sagen

kannst: Mein Herr und mein Gott!


Und dann allerdings gilt uns auch sein Wort: Selig sind, die nicht sehen und doch glauben. Der christliche Glaube ist sehend und blind zugleich. Wir glauben auch in

dem Vertrauen: Wenn ich auch gleich nichts fühle von deiner Macht, du führst mich doch zum Ziele, auch durch die Nacht.


Wir leben im Glauben, noch nicht im Schauen. Das Glaubensorgan ist das Ohr, nicht das Auge.


Wenn er uns aber seinen Geist dazu gibt, dass wir wirklich Ihn hören, dann erfahren wir tief seinen Frieden, Gottes Vergebung, und werden erfüllt von der großen Freude, die er schenkt. Darum: Der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus unserm Herrn. Amen