Gottesdienst am Sonntag Exaudi, 5. Juni 2011, Rhodos

 

Lieder:

 

O heilger Geist, kehr bei uns ein...130, 1.5.6

O Lebensbrünnlein tief und groß...399

Schmückt das Fest mit Maien...135, 3-5

Brunn alles Heils, dich ehren wir...140

 

Psalm 92

 

Lesung: Jesaja 58, 7-11

 

Predigt zu Johannes 7, 37f.,

 

Liebe Gemeinde!

 

Als er siebzig war und war gebrechlich,

drängte es den Lehrer doch nach Ruh',

denn die Weisheit war im Lande wieder einmal schwächlich

und die Bosheit nahm an Kräften wieder einmal zu.

Und er gürtete den Schuh...

 

So beginnt ein schönes Gedicht von Bertold Brecht mit dem Titel:

Legende von der Entstehung des Buches Tao te King auf dem Weg des Lao Tse in die Emigration.

 

Bert Brecht erzählt, wie  Laotse auf einem Ochsen, der von einem Knaben geführt wird, loszieht in die Fremde, und sie kommen an einer Zollstation an:

 

Doch am vierten Tag im Felsgesteine

hat ein Zöllner ihm den Weg verwehrt:

„Kostbarkeiten zu verzollen?“ - „Keine.“

und der Knabe, der den Ochsen führte, sprach:

„Er hat gelehrt“.

Und so war auch das erklärt.

 

Doch der Mann in einer heit'ren Regung

Fragte noch: „Hat er was 'rausgekriegt?

Sprach der Knabe: „Dass das weiche Wasser in Bewegung

Mit der Zeit den mächt'gen Stein besiegt.

Du verstehst, das Harte unterliegt“.

 

Das also war die Summe der Erkenntnis des 70jährigen: Dass – auf die Dauer – das Weiche mächtiger ist als das Harte, dass also Güte und Liebe Härte und Gewalt besiegen können, dass Barmherzigkeit und Vergebung stärker sind als Hochmut, Habgier und Vergeltung.  

 

Und in der Tat! Welch eine beharrliche Kraft hat das Wasser! Mag es Jahrtausende dauern: Es fräst mit sanfter stiller beharrlicher Gewalt tiefe Flussbetten aus dem härtesten Felsgestein heraus.

 

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Und welch eine Gewalt  hat das Wasser! Ich vergesse nie, wie ich als Student einmal an einem Strand in  Mexico von den Wellen mit ungeheurer Kraft gepackt und  hin- und  

hergeworfen wurde, dass mir Hören und  Sehen  verging und  ich dachte: Jetzt ist es aus...Und als ich dann auf den Strand zurückgeschmissen worden war - was habe ich da

dann für ein  Dankgebet gesprochen und  Besserung von Leichtsinn gelobt..!.

 

Und, Wie köstlich und  labend ist ein Schluck kühles Wasser, wenn man brennenden Durst hat!

 

Und schliesslich auch: Wie sehr – das weiss man hier auf Rhodos gut – wie sehr kann ein  Regen, etwa im Oktober, das Aussehen einer Landschaft verändern. Vorher war alles braungrau, knochentrocken und staubig – und dann...ein  kühler Wind und der Regen strömt... und  danach:  Alles blitzsauber und  frisch, es glitzern die Sonnenstrahlen auf den Tropfen, die auf den Blättern perlen, das Auge erfrischt sich an satten Farben, man staunt über die unterschiedlichsten Schattierungen von  grün...Wo vorher dürrer Tod alles veröden liess, blüht nun üppig-saftiges Leben auf.

 

Wasser ist darum  d a s Symbol für Leben und Lebenskraft. Und es ist in  der Bibel zugleich d a s Symbol für die Urkraft des Geistes Gottes in seiner lebenspendenden,  reinigenden, den Lebensdurst stillenden Macht.

 

 

Wasser  - das war und ist das Grundthema auch bei einem der größten Feste Israels: Dem Laubhüttenfest. Der heutige Predigttext handelt von einem Auftritt Jesu bei diesem Fest in Jerusalem.

 

Grosses Gedränge und Geschiebe in  der Stadt. Von überall her sind Angehörige des jüdischen Volkes gekommen, um möglichst nahe beim  Tempel zu sein. Aus belaubten  Ästen, Zweigen und  Palmwedeln haben sie in  den  Gärten und  an den Straßenrändern zeltähnliche Hütten gebaut. Sieben Tage und  Nächte wohnt und  schläft man in diesen provisorischen Hütten, denn sieben Tage dauert das Fest – ein  fröhliches, aber auch sehnsuchtsvolles Fest mit viel Gesang und  Musik. Man erinnert sich in  den von den Priestern vorgetragenen Lesungen aus der Schrift daran, wie Gott sein Volk wunderbar durch die Wüste geführt und  ihm Wasser gegeben hatte, und am letzten Tag des Festes hörte man in der Lesung von dem Wunder, dass Mose einmal Wasser aus einem Felsen hatte strömen lassen – aus einem harten unfruchtbaren Felsen lebensspendendes strömendes Wasser!  Und die Priester – das gehörte zum Ritual  - schütteten Wasser am Altar aus, das sie in  feierlicher Prozession aus der Quelle am Teich Siloah geholt hatten und alle sangen sehnsüchtig die Verheissung aus Jesaja 12: Ihr werdet mit Freuden Wasser schöpfen aus den Brunnen des Heils...“ - und in diesem Augenblick passiert etwas, eine Gottesdienststörung, von der der Evangelist Johannes in Kapitel 7 so berichtet:

 

 

Aber am letzten Tage des Festes, der der höchste war, trat Jesus auf und rief: Wen da dürstet, der komme zu mir und trinke!

Wer an mich glaubt, wie die Schrift sagt, von dessen Leib werden Ströme lebendigen Wassers fliessen!

 

Die Priester sind bei ihren Ritualen, sie tun das alljährlich Wiederkehrende, das Gewohnte

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und Übliche, sie halten die Liturgie, wie sie der Festordnung entspricht – eine festgelegte, altgewohnte, irgendwie auch versteinert-leblose Liturgie -  und Jesus tritt näher, hört sich das an und ruft in  den gewohnten Ablauf hinein:

 

Wer Durst hat – Durst nach Gott, Durst nach Leben, nach erfülltem überströmenden Leben – der komme zu mir!

 

Hier, bei mir, bekommt ihr all das, was ihr im  Grunde ersehnt: Ihr Gottesdienstbesucher, die vielleicht aus reiner Gewohnheit an den Festgottesdiensten teilnehmen und auch ihr Priester,die ihr routiniert die gewohnte Liturgie abspult und vielleicht garnicht erwartet, dass der Geist Gottes lodernd und stürmisch kommen kann...

 

Hier – ruft Jesus - bei mir könnt ihr all das erleben, was Gott verheissen hat in den Bibelworten, die von Ihm als der „Quelle des Lebens“  und dem  „Brunnen des Heils“ sprechen, und von  uns Menschen als einem „bewässerten Garten und einer Wasserquelle, der es nie an Wasser fehlt“.

 

Hier – ruft Jesus – hier bei mir erfüllt sich all das, was die Propheten ankündigten: Dass einmal der Geist Gottes auf alle Menschen, alte und junge, Männer und  Frauen, Arme und Reiche, Freie und Knechte herabströmen würde , so dass ihr verdorrtes  und verödetes Leben in blühendes, saftiggrünes, fruchtbares Land verwandelt werden würde (Joel 3, 1f.;Jes 44,3).

 

Wer an mich glaubt, ruft Jesus, von dessen Leib werden Ströme lebendigen Wassers fliessen!

 

Ströme lebendigen Wassers! Das heisst doch: Der Glaube an Jesus, der bewirkt das, dass Ströme segensreicher Kräfte von Menschen ausgehen. Lebendiger Glaube an Jesus schafft überströmende Lebensfülle für Andere!

 

Liebe Gemeinde, wie – wortwörtlich – erfrischend ist dieses Jesuswort! Und wie aktuell – wo man doch sieht, wie mitten in Wohlstand und Sicherheit, in Spassangeboten, für deren Produktion  Milliarden aufgewendet werden, in Hektik und Aktivismus das Leben  veröden und verblöden kann; wie es – sowohl geistig wie geistlich - zur Öde werden kann, eine Wüstenei – schleichend, fast unmerklich. Denn das Leben verödet und verdirbt, wenn ihm eine lebendige Gottesbeziehung fehlt.

 

Wenn wir das aber spüren, dann kann das ja  nur bedeuten, dass wir Jesu Einladung annehmen. Dass wir uns hinwenden zu den Lebensquellen, die bei ihm zu haben und durch ihn zu finden sind:

 

Etwa die Zeiten und Orte der Stille wahrhnehmen: Dank und Fürbitte, Lob und  Klage vor Gott bringen. Die Bibel aufschlagen; vielleicht nur einen Vers lange bedenken. Uns wechselseitig im Glauben ermuntern und und helfen anhand von biblischen Texten. Mit Jesus unterwegssein – so wie die Jünger damals.

 

Statt süsslich-klebriger Limonade der Champagner und Wein eines Bibelwortes, eines Chorals, eines Musikstücks.

 

 

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Jesus als die Quelle ewigen Lebens. Der, der menschlichen Lebensdurst zu stillen vermag; der uns zu Menschen macht, von denen Klarheit, Wahrheit und Herzlichkeit überströmt auf andere.

 

Sein Reich, das Reich, in dem seine Liebe regiert, wächst und wächst - still, stetig und beharrlich, und es kann und wird alle Gegenkräfte, das Versteinerte, Harte, Böse, das scheinbar Felsenfeststehende überwinden.  

 

Hat er auch was 'rausgekriegt, der Martin mit seinen 70 Jahren? Ja – das, was ich gerade gepredigt habe. Amen.