in Essen-Rellinghausen über Johannes 7, 37f. (Pfarrer Martin Quaas)
Liebe
Gemeinde, liebe Mädchen und Jungen!
„Hat er auch was `rausgekriegt“? Das
fragt – in einem Gedicht von Bert Brecht - ein Zöllner einen Knaben, den jungen
Diener des alten blindgewordenen chinesischen Philosophen Lao tse. Sie sind auf
ihrer Wanderung an einer Zollstation angekommen und der Zöllner hat die Frage
nach dem Beruf des alten Mannes gestellt. „Er ist ein Weiser“, hat der Knabe
geantwortet. Darauf der Zöllner, ein wenig spöttisch: „Hat er auch was
‚rausgekriegt?“ Hat er, der Weise, der Philosoph, in seinem Leben etwas
Wichtiges herausgefunden? Und der Junge antwortet: „Daß das weiche Wasser mit
der Zeit den harten Stein besiegt. Du verstehst, das Harte unterliegt.“ Das
also war die Summe seiner Erkenntnis: daß – auf die Dauer – das Weiche
mächtiger ist als das Harte, daß Güte und Liebe Härte und Gewalt besiegen
können, daß Barmherzigkeit und Vergebung
stärker sind als Hochmütigkeit, Habgier und Verbissenheit. Und in der
Tat: Welch eine beharrliche Kraft hat das Wasser! Mag es Jahrtausende, ja
Jahrmillionen dauern: es fräst mit sanfter stiller beharrlicher Gewalt tiefe
Flußbetten und Schluchten in das härteste Felsgestein hinein.
Aber auch:
welch eine Urgewalt hat das Wasser! Nie werde ich vergessen, wie ich als
Student in Mexico an einen Strand kam: prohibido
bagnarse! stand auf großen Schildern dort. Baden strengstens verboten! Und
daß das Verbot berechtigt war, sah man an den gewaltigen Wogen, die an den
Strand brandeten. Aber es war heiß, das Wasser zog mich an, ich ging hinein,
und im gleichen Augenblick wurde ich
von den Wellen mit ungeheurer Kraft gepackt und hin- und hergeworfen, daß mir
Hören und Sehen verging und ich dachte: Jetzt ist es aus! Vielleicht hat einer
von Euch beim Baden, oder beim Segeln, auch mal etwas von dieser unheimlichen
Kraft hoher Wasserwogen gespürt.
Aber auch: Ob
einer von Euch schon mal wirklichen brennenden Durst gehabt hat? Dann weiß er,
wie köstlich und wundervoll labend ein Schluck kühlen klaren Wassers sein kann.
Und
schließlich: Wie sehr kann ein Regen innerhalb von Stunden das Aussehen eines
Gartens, einer Landschaft oder auch einer ganzen Wüste in heißen Ländern
verändern. Vorher war alles braun, grau, knochentrocken - und jetzt glitzern
die Sonnenstrahlen auf den Regentropfen, die auf den Blättern perlen, das Auge
erfrischt sich an satten Farben, man staunt über die unterschiedlichsten
Schattierungen von grün. Wo vorher dürrer Tod alles veröden ließ, blüht jetzt
üppiges Leben auf.
Wasser ist
darum das Symbol für Leben. Und im
biblischen Israel ist Wasser zugleich Sinnbild für die Kraft des Geistes Gottes
in seiner unwiderstehlichen sanften Gewalt, seiner durststillenden und
lebensspendenden Kraft.
Wasser ist das
Grundthema auch bei einem der größten Feste Israels, dem Laubhüttenfest. Der
Predigttext zu Eurer Taufe und Konfirmation handelt von diesem Fest in
Jerusalem, nämlich von einem aufsehenerregenden Auftritt Jesu dort.
2
Das
Johannesevangelium berichtet davon so:
Aber am letzten Tage des Festes, der der höchste war, trat Jesus auf und rief: Wen da dürstet, der komme zu mir und trinke!
Wer an mich glaubt,
wie die Schrift sagt, von dessen Leib werden Ströme lebendigen Wassers fließen!
Da wurde also
ein festlicher Gottesdienst gefeiert, so wie wir es jetzt tun, man sang,
musizierte und hörte die alten Bibeltexte, die von Wasser in der Wüste
handelten – und auf einmal geht die
Tür auf und der Wanderprediger Jesus kommt
herein und
ruft: Hier! Hier bei mir bekommt ihr all das, was ihr so sehr erhofft und
ersehnt, all das, was Gott verheißen hat in den biblischen Worten, in denen von
Gott als der Quelle des Lebens die Rede war oder von uns Menschen als einem
bewässerten Garten, oder wenn die Propheten geschrieben hatten, daß der Heilige
Geist Gottes einmal auf alle Menschen, wer und wie sie auch seien, herabströmen
würde, so daß ihr verdorrtes, vielleicht verwüstetes Leben in blühendes Land
verwandelt werden würde.
Hier! Hier bei mir und durch mich, ruft Jesus, kommt
all das zur Erfüllung, ich kann euren Lebensdurst stillen. Und mehr noch: Wer
von mir trinkt, der wird seinerseits ein Mensch, so erfüllt von Leben, von
Herzlichkeit und ansteckender Freundlichkeit – daß das wie von selbst
überströmt auf andere Menschen.
Es gibt kluge
Leute, die haben in den letzten Jahren Bücher geschrieben, in denen sie zeigen:
Mitten in Konsum, Wohlstand und Überfluß kann das Leben geistig und geistlich
veröden, es kann schleichend und unmerklich zu einer Wüstenei werden – und auch die Kirche ist davon mitbetroffen.
Die geistliche Kraft im Leben sinkt, das Leben verflacht und verödet, das
Niveau wird niedriger... Aber wenn wir das merken, dann kann das ja doch nur
bedeuten, daß wir dann umso entschiedener uns auf die Suche nach den Oasen und
sprudelnden Quellen machen – die ja da
sind: den Oasen im Alltagsgetriebe und den Quellen in der Dürre des Lebens,
zu denen das Gebet gehört, die Anbetung Gottes, das Staunen angesichts der
Schöpfungswunder, das Nachsinnen über einzelne herrliche Worte oder Erzählungen
der Bibel, das sich Beschenkenlassen von der Botschaft des Evangeliums, in der
jedem und jeder von uns zugesagt wird: Jesus hat all das, was er gesagt, getan
und erlitten hat, auch für dich persönlich gesagt, getan und erlitten. Durch
ihn bist du nun ein eine Tochter Gottes, ein Sohn Gottes, in Ewigkeit von Gott
geliebt, und dein Leben ist ihm
unendlich wichtig und wertvoll. Wenn wir uns das zu Herzen nehmen und
dafür dankbar werden: Wieviel innere Kraft kommt dadurch ins Leben. Wieviel
unnötiger Druck wird dadurch genommen, wie erleichtert und befreit kann unser
Leben dann werden!
Wir Christen
können darum Menschen sein, die sich nicht mit Limonade abspeisen lassen, wie
sie die Vergnügungsindustrie anbietet, wir können ein lebendiger Hinweis darauf
sein, wo wirklich sprudelnd erfrischendes Wasser für’s Leben zu haben ist – bei
Jesus selbst.
3
Wenn ich bei
ihm meinen Lebensdurst stille, wie gestaltet sich dann mein Leben?
Ich verliere
wenigstens teilweise meinen Egoismus, und mir liegt das Lebensrecht der anderen
Menschen und Völker und Mitgeschöpfe am Herzen. Ich merke, wie ärmlich eine
aufs Haben bezogene Lebenshaltung ist und wie ich das meiste von dem, was uns
angeboten wird, gar nicht brauche. Ich werde wählerisch, lerne unterscheiden,
was wichtig und was unwichtig für ein glückliches Leben ist.
„Wie gestaltet sich mein Leben, wenn ich es mit Jesus
zusammen führe“?
Was würdet Ihr darauf antworten?
Ich möchte,
daß diese Frage mit Euch geht. Ich möchte, daß ihr ein gesegnetes, erfülltes,
freies Leben führt. Amen