Predigt zum Tauf- und Konfirmationsgottesdienst am 21. Mai 2000

in Essen-Rellinghausen über Johannes 7, 37f. (Pfarrer Martin Quaas)

 

Liebe Gemeinde, liebe Mädchen  und Jungen!

 

Hat er auch was `rausgekriegt“? Das fragt – in einem Gedicht von Bert Brecht - ein Zöllner einen Knaben, den jungen Diener des alten blindgewordenen chinesischen Philosophen Lao tse. Sie sind auf ihrer Wanderung an einer Zollstation angekommen und der Zöllner hat die Frage nach dem Beruf des alten Mannes gestellt. „Er ist ein Weiser“, hat der Knabe geantwortet. Darauf der Zöllner, ein wenig spöttisch: „Hat er auch was ‚rausgekriegt?“ Hat er, der Weise, der Philosoph, in seinem Leben etwas Wichtiges herausgefunden? Und der Junge antwortet: „Daß das weiche Wasser mit der Zeit den harten Stein besiegt. Du verstehst, das Harte unterliegt.“ Das also war die Summe seiner Erkenntnis: daß – auf die Dauer – das Weiche mächtiger ist als das Harte, daß Güte und Liebe Härte und Gewalt besiegen können, daß Barmherzigkeit und Vergebung  stärker sind als Hochmütigkeit, Habgier und Verbissenheit. Und in der Tat: Welch eine beharrliche Kraft hat das Wasser! Mag es Jahrtausende, ja Jahrmillionen dauern: es fräst mit sanfter stiller beharrlicher Gewalt tiefe Flußbetten und Schluchten in das härteste Felsgestein hinein.

 

Aber auch: welch eine Urgewalt hat das Wasser! Nie werde ich vergessen, wie ich als Student in Mexico an einen Strand kam: prohibido bagnarse! stand auf großen Schildern dort. Baden strengstens verboten! Und daß das Verbot berechtigt war, sah man an den gewaltigen Wogen, die an den Strand brandeten. Aber es war heiß, das Wasser zog mich an, ich ging hinein, und im  gleichen Augenblick wurde ich von den Wellen mit ungeheurer Kraft gepackt und hin- und hergeworfen, daß mir Hören und Sehen verging und ich dachte: Jetzt ist es aus! Vielleicht hat einer von Euch beim Baden, oder beim Segeln, auch mal etwas von dieser unheimlichen Kraft hoher Wasserwogen gespürt.

 

Aber auch: Ob einer von Euch schon mal wirklichen brennenden Durst gehabt hat? Dann weiß er, wie köstlich und wundervoll labend ein Schluck kühlen klaren Wassers sein kann.

 

Und schließlich: Wie sehr kann ein Regen innerhalb von Stunden das Aussehen eines Gartens, einer Landschaft oder auch einer ganzen Wüste in heißen Ländern verändern. Vorher war alles braun, grau, knochentrocken - und jetzt glitzern die Sonnenstrahlen auf den Regentropfen, die auf den Blättern perlen, das Auge erfrischt sich an satten Farben, man staunt über die unterschiedlichsten Schattierungen von grün. Wo vorher dürrer Tod alles veröden ließ, blüht jetzt üppiges Leben auf.

 

Wasser ist darum das Symbol für Leben. Und im biblischen Israel ist Wasser zugleich Sinnbild für die Kraft des Geistes Gottes in seiner unwiderstehlichen sanften Gewalt, seiner durststillenden und lebensspendenden Kraft.

 

Wasser ist das Grundthema auch bei einem der größten Feste Israels, dem Laubhüttenfest. Der Predigttext zu Eurer Taufe und Konfirmation handelt von diesem Fest in Jerusalem, nämlich von einem aufsehenerregenden Auftritt Jesu dort.

 

 

2

 

Das Johannesevangelium berichtet davon so:

 

Aber am letzten Tage des Festes, der der höchste war, trat Jesus auf und rief: Wen da dürstet, der komme zu mir und trinke!

Wer an mich glaubt, wie die Schrift sagt, von dessen Leib werden Ströme lebendigen Wassers fließen!

 

Da wurde also ein festlicher Gottesdienst gefeiert, so wie wir es jetzt tun, man sang, musizierte und hörte die alten Bibeltexte, die von Wasser in der Wüste handelten   – und auf einmal geht die Tür auf und der Wanderprediger Jesus kommt

herein und ruft: Hier! Hier bei mir bekommt ihr all das, was ihr so sehr erhofft und ersehnt, all das, was Gott verheißen hat in den biblischen Worten, in denen von Gott als der Quelle des Lebens die Rede war oder von uns Menschen als einem bewässerten Garten, oder wenn die Propheten geschrieben hatten, daß der Heilige Geist Gottes einmal auf alle Menschen, wer und wie sie auch seien, herabströmen würde, so daß ihr verdorrtes, vielleicht verwüstetes Leben in blühendes Land verwandelt werden würde.

 

Hier! Hier bei mir und durch mich, ruft Jesus, kommt all das zur Erfüllung, ich kann euren Lebensdurst stillen. Und mehr noch: Wer von mir trinkt, der wird seinerseits ein Mensch, so erfüllt von Leben, von Herzlichkeit und ansteckender Freundlichkeit – daß das wie von selbst überströmt auf andere Menschen.

 

Es gibt kluge Leute, die haben in den letzten Jahren Bücher geschrieben, in denen sie zeigen: Mitten in Konsum, Wohlstand und Überfluß kann das Leben geistig und geistlich veröden, es kann schleichend und unmerklich zu einer Wüstenei werden –  und auch die Kirche ist davon mitbetroffen. Die geistliche Kraft im Leben sinkt, das Leben verflacht und verödet, das Niveau wird niedriger... Aber wenn wir das merken, dann kann das ja doch nur bedeuten, daß wir dann umso entschiedener uns auf die Suche nach den Oasen und sprudelnden Quellen machen – die ja da sind: den Oasen im Alltagsgetriebe und den Quellen in der Dürre des Lebens, zu denen das Gebet gehört, die Anbetung Gottes, das Staunen angesichts der Schöpfungswunder, das Nachsinnen über einzelne herrliche Worte oder Erzählungen der Bibel, das sich Beschenkenlassen von der Botschaft des Evangeliums, in der jedem und jeder von uns zugesagt wird: Jesus hat all das, was er gesagt, getan und erlitten hat, auch für dich persönlich gesagt, getan und erlitten. Durch ihn bist du nun ein eine Tochter Gottes, ein Sohn Gottes, in Ewigkeit von Gott geliebt, und dein Leben ist ihm   unendlich wichtig und wertvoll. Wenn wir uns das zu Herzen nehmen und dafür dankbar werden: Wieviel innere Kraft kommt dadurch ins Leben. Wieviel unnötiger Druck wird dadurch genommen, wie erleichtert und befreit kann unser Leben dann werden!

 

Wir Christen können darum Menschen sein, die sich nicht mit Limonade abspeisen lassen, wie sie die Vergnügungsindustrie anbietet, wir können ein lebendiger Hinweis darauf sein, wo wirklich sprudelnd erfrischendes Wasser für’s Leben zu haben ist – bei Jesus selbst.

 

 

 

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Wenn ich bei ihm meinen Lebensdurst stille, wie gestaltet sich dann mein Leben?

Ich verliere wenigstens teilweise meinen Egoismus, und mir liegt das Lebensrecht der anderen Menschen und Völker und Mitgeschöpfe am Herzen. Ich merke, wie ärmlich eine aufs Haben bezogene Lebenshaltung ist und wie ich das meiste von dem, was uns angeboten wird, gar nicht brauche. Ich werde wählerisch, lerne unterscheiden, was wichtig und was unwichtig für ein glückliches Leben ist.  

 

„Wie gestaltet sich mein Leben, wenn ich es mit Jesus zusammen führe“?

 

Was würdet Ihr darauf antworten?

 

Ich möchte, daß diese Frage mit Euch geht. Ich möchte, daß ihr ein gesegnetes, erfülltes, freies Leben führt. Amen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 




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