Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott
war das Wort.
Dasselbe war im Anfang bei Gott.
Alle Dinge sind durch dasselbe gemacht, und ohne dasselbe
ist nichts gemacht, was gemacht ist.
In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der
Menschen.
Und das Licht scheint in der Finsternis, und die Finsternis
hat’s nicht ergriffen...
Das war das wahre Licht, das alle Menschen erleuchtet, die in diese Welt kommen.
Er war in der Welt, und die Welt ist durch ihn gemacht; aber
die Welt erkannte ihn nicht.
Er kam in sein Eigentum; und die Seinen nahmen ihn nicht
auf.
Wie viele ihn aber aufnahmen, denen gab er Macht, Gottes
Kinder zu werden, denen, die an seinen Namen glauben,
die nicht aus dem Blut noch aus dem Willen des Fleisches
noch aus dem Willen eines Mannes, sondern von Gott geboren sind.
Und das Wort ward
Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, eine
Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit.
Liebe
Gemeinde!
„Im Anfang war das Wort und das Wort war bei
Gott und Gott war das Wort...“: Niemand meine, diesen Satz je auch nur
annähernd verstehen zu können.
Dr. Faust in
Goethes Schauspiel grübelt über diesen Satz nach, merkt, wie er an eine
undurchdringliche Mauer stößt und möchte verzweifeln...
Woher kommt alles?
Luft, Wasser, Planeten, Spiralnebel, Fische, Bäume, Steine, und wir Menschen in
unserer unendlichen Vielfalt, Empfindlichkeit und Kompliziertheit?
Gott hat alles
ins Dasein gerufen.
Im Anfang war
das Wort – das Wort, das Gott selbst ist.
Woher Gott kommt, ja wer er in Wahrheit ist,
wie er aussieht...Das sind Fragen, über die man nicht zu lange nachgrübeln
sollte, wenn man nicht verrückt werden will.
Gott der Ewige
ruft durch sein schöpferisches göttliches Wort alles ins Dasein. Von diesem
Wort Gottes sagt Johannes zwei ebenso absolut unbegreifliche Dinge: In ihm war
und ist das Leben und dieses Leben
ist das Licht der Menschen.
Was für ein Leben?
Nicht einfach unser biologisches Leben – so wie das Leben Ihres Kindes: Das
ist, wie Johannes sagt, „aus dem Willen des Fleisches geboren“ - , sondern ein
Leben, wie Gott selbst es lebt, ein unvergängliches, unzerstörbares Leben – ein
Leben ohne jede Spur von Tod oder Bösem darin.
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Und was für ein Licht? Ein unbeschreibliches Licht. Ein Licht, das wir meinen,
wenn wir von einem strahlenden Lächeln sprechen oder von Glanz in Kinderaugen,
oder wenn wir sagen: Dieses tröstende Wort hat mein Leben hell werden lassen
oder wenn wir sagen: Dieser Mensch strahlt Güte aus oder: Er strahlt vor
Freude...
Das Gegenteil
wäre: Die finstere Miene eines Menschen, oder der düstere Eindruck, den er
macht oder auch, daß jemand schwarz sieht für die Zukunft.
Und nun sagt
der Prophet Jesaja in der Bibel, und wir müssen dem zustimmen: „Finsternis
bedeckt das Erdreich und Dunkel die Völker“.
Finsternis und
Dunkelheit: Zwei Wirklichkeiten, die voneinander zu unterscheiden, aber nicht
voneinander zu scheiden sind: Das Wort „Finsternis“, das beschreibt in der
Bibel die Situation der Gottesferne: Wir Menschen leben samt und sonders fern
von Gott, getrennt von ihm, dem ewigen Wort, dem wahren Licht, dem ewigen Leben
– wir leben eben nicht von ihm
erleuchtet, nicht im Hören auf ihn und im Gehorsam gegen sein Wort, sondern
stattdessen beeinflußt, beherrscht oder
gar besessen von finsteren Einflüssen.
„Finsternis bedeckt das Erdreich...“: Dazu gehört , daß Menschen sich verlassen fühlen von
Gott oder an einen Gott überhaupt nicht
glauben, daß das Leben voller
Rätsel und
Unbegreiflichkeiten ist und wir nichts durchschauen...Auch all das
unbegreifliche Leid gehört dazu, das Gott zuläßt oder sogar selbst schickt
- so daß
Menschen dann
vielleicht mit Gott hadern, zu ihm klagen oder gar ihn anklagen wie der
Schneider in jener Geschichte, die der jüdische Religionsphilosoph Martin Buber
überliefert:
Dem Rabbi der jüdischen Gemeinde kommt zu Ohren, der Schneider betrage sich gotteslästerlich. Der Rabbi läßt ihn zu sich rufen, der Schneider erklärt: Ich habe zu dem Ewigen gesagt: Du, ich habe nur kleine Sünden begangen, zum Beispiel meine Kundschaft hier und da mal ein wenig betrogen...aber du, Herr, hast schwerste Sünden auf dich geladen: Du hast Müttern ihre Kinder und Kindern ihre Mütter weggenommen! Laß uns quitt sein: Vergib du mir, so will ich dir auch vergeben.
Ich denke,
wenn der Rabbi sich in der Heiligen Schrift auskannte, dann wird er den
Schneider nicht getadelt haben. Denn auch da muten Menschen Gott einiges an
Anklagen zu.
Finsternis
bedeckt das Erdreich - und Dunkel die
Völker – und dieses Wort „Dunkelheit“ meint nun all das, wofür wir Menschen selbst verantwortlich
sind: die Schuld, die wir auf uns laden, wenn wir Menschen verletzen, kränken, verachten, mit Krieg
überfallen oder verhungern lassen...Finsternis und Dunkelheit: voneinander zu
unterscheiden, und doch hängt Beides miteinander zusammen, so wie die Sünde und die Sünden.
Finsternis und
Dunkelheit: Gottesferne und Leid, Bosheit und Schuld...
Aber...!
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Aber nun haben
einige Propheten auch gesehen und angekündigt: Es wird nicht immer Finsternis
bleiben: Das Licht Gottes, das verschwunden war aus dem Leben, das wird mitten
in Finsternis und Dunkelheit ganz neu aufleuchten, und die Finsternis wird ihm
nichts anhaben können...Das Volk, das
im Finstern wandert, sieht ein
großes Licht,
jubelt der Prophet Jesaja, über denen, die im Lande des Dunkels wohnen,
scheint es hell...Denn uns ist ein Kind geboren und die Herrschaft ruht auf
seiner Schulter und er heißt: Wunder an Rat, Held in der
Kraft Gottes, Vater auf ewig, Fürst des Friedens...
Und heute,
zu Weihnachten, feiern wir die Ankunft dieses Lichtes Gottes auf der Erde: „Und das Wort ward Fleisch und zeltete unter uns und wir sahen seine
Herrlichkeit...“, so ruft der Evangelist Johannes aus. Das Wort, das Gott
selbst ist, das Wort, in dem das Leben ist, das ewige Leben – dieses Wort wird
ein Mensch, ein Kind aus dem Volk Israel.
Er selbst sagt
von sich: Ich bin das Licht der Welt. Wer
mir nachfolgt, wird nicht wandern in der Finsternis, sondern wird das Licht des
Lebens haben (Joh.8,12). Er sagt nicht: Ich bin ein Licht in der Welt – so als ob es neben ihm noch andere Lichter
gäbe: Buddha oder Mohammed oder Gandhi... Sondern nur in ihm, in ihm allein erscheint das Licht, das Gott
selbst ist, auf unserer Erde. Außer ihm
und ohne ihn ist nach wie vor nur Finsternis und Dunkelheit.
In ihm kommt
Gott selbst in sein Eigentum – in das, was allein
ihm gehört: Das Universum, die Erde, auch unser Leben. Die Frage ist:
Nehmen wir ihn auf – oder sagen wir weiter: Wir wollen ihn nicht, wir wollen
nicht, daß er unser Leben regiert?
Die Taufe ist
ein Bekenntnis. Sie sagen heute: Er, das Licht der Welt, soll das Licht im Leben meines Kindes sein. Und: Er soll das Licht des Lebens auch für mich sein.
Er wird es,
wenn wir auf sein Wort hören, auf das Wort, das uns wahres Leben schafft. Das
Wort, das Ihnen und mir zusagt: Du bist ein Kind Gottes, du bist aus Gott
geboren.
Klar, daß wir
Christen immer wieder auch noch der Finsternis verfallen, einen düsteren Eindruck machen, manchmal
schwarz sehen für die Zukunft – aber die
Finsternis
kann uns nicht mehr überwältigen und wir können in der felsenfesten Zuversicht
leben: Es geht nicht der ewigen Nacht entgegen, sondern dem schattenlosen Licht
der Ewigkeit, einer Vollendung des Lebens, in dem „der Tod nicht mehr sein wird noch Leid noch Geschrei noch Schmerz“ mehr
sein wird (Offb.
21, 5). „Die Nacht ist schon im Schwinden, der Tag
ist nahe herbeigekommen“, so formuliert es der Apostel Paulus (Röm. 13),
und in einer anderen rabbinischen Geschichte, die Martin Buber überliefert,
heißt es: Ein Rabbi fragte einen gläubigen Juden: Wann weicht die Nacht dem
Tag? Woran erkennt man das? Der versuchte eine Antwort: Vielleicht wenn man den
ersten Lichtschimmer am Himmel sieht? Oder...wenn man einen Busch schon von
einem Menschen unterscheiden kann? Nein, sagte der Rabbi, die Nacht weicht dem
Tag, wenn jeder im Andern den Bruder und die Schwester erkennt.
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Auch dies
bedeutet die Taufe: Wir werden hineingenommen in eine Familie, eine Familie der
Kinder Gottes, eine Familie, von denen es Angehörige in jedem Volk und
Land der Erde
gibt, eine Familie von Menschen, in der jeder im Antlitz des Andern den Bruder und die Schwester sieht – und dies
geschieht, wann immer Jesus, das Licht der Welt, uns erleuchtet.
Darum: Der Friede Gottes, höher als alle Vernunft,
bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus unserm Herrn. Amen.