Predigt am 4. Juli (5.p.Tr.) über Johannes 1, 37 – 42a (Pfarrer Martin Quaas)

 

Liebe Gemeinde!

 

Eigentlich geschieht hier gar nicht viel, nicht wahr? Jedenfalls nichts Sensationelles, Nervenkitzelndes...wir hören von ein paar Begegnungen, von Menschen, die einige Worte miteinander wechseln...das ist alles. Und doch: das, was hier erzählt wird, hat das Leben dieser Menschen grundlegend geändert. Ich finde, geradeso ist es mit der Taufe: Äußerlich ein ganz schlichtes, unscheinbares Geschehen: Einige Worte, ein bißchen Wasser: Und doch: Die Taufe Ihres Kindes kann ganz entscheidende Bedeutung für das Leben Ihres Kindes, auch für Ihr Leben haben: denn ob einer bewußt mit Gott, mit Jesus lebt -  oder ohne ihn, dementsprechend gestaltet sich sein Leben ja auf ganz ganz verschiedene Weise.

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Und nun bekommen wir in unserem Predigttext wesentliche Hilfen, um bewußt mit Jesus, mit Gott unser Leben zu führen. Erstaunlich ist das schon, wie Johannes der Täufer geradezu eine Kettenreaktion auslöst: Er zeigt seinen Schülern Jesus, die hören, was er von ihm sagt und gehen hinter ihm her. Einer der beiden heißt Andreas. Der findet seinen Bruder Simon und führt ihn zu Jesus. Dann findet – immer wieder dieses finden! – dann findet Jesus den Philippus. Philippus findet Nathanael und sagt zu ihm: Wir haben den verheißenen Retter Israels gefunden.

 

Fünf Menschen suchen einander, finden einander und Jesus findet sie.

 

Lauter Findungsgeschichten also. So wie Jesus ja auch oft solche Findungsgeschichten erzählt hat. Zum Beispiel, wie ein Hirte 99 Schafe im Pferch zurückläßt und das eine sucht, das sich verlaufen hat. Er findet‘s und trägt‘s voll Freude auf den Schultern zurück in die Geborgenheit. Oder von dem jungen Mann, der in die Ferne und Fremde zieht und schließlich völlig herunterkommt , und dann kehrt er um und Vater und Sohn finden sich, fallen sich in unaussprechlicher Freude um den Hals!

 

Wir sehen bei den Begegnungen hier: Wer Jesus gefunden hat, der kann das nicht für sich behalten, der weist andere auf ihn hin, erzählt von ihm, führt andere zu Jesus hin!

 

Das ist schon eindrucksvoll, wie das hier geschieht.. Bei uns ist  das eigentlich eher selten. Wir verhalten  uns so, als sei Glaube Privatsache. Früher sagte man: Über Geld, Sexualität und  Glauben spricht man nicht, heute ist vor allem der Glaube übrig geblieben. Auf parties, Familienfeiern, geselligen Zusammenkünften: Über Geld, über das, was man hat und sich leisten kann – darüber spricht man. Die sich für besonders frei halten, reden auch über alle möglichen Themen der Sexualität, aber ein  Gespräch über das, was man glaubt, ein Gespräch, in dem einer sich zu Jesus bekennt? Das wäre ja fast obszön, das tut man doch nicht!

 

                                                                        II

 

Das ist bei den Menschen der Bibel, auch bei den Menschen unseres Predigttextes anders. Und das muß auch bei uns anders werden. Wir sollten uns darin üben, uns über unseren Glauben ebenso sachkundig wie unbefangen zu äußern wie über –

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sagen wir – das, was wir gern essen, gern kochen. Und nun erlaubt uns unser Predigttext ja, in die Glaubensgespräche, die hier geführt werden, hineinzuhorchen. Es sind Gespräche von frappierender Kürze. Die Beiden, die am Anfang dieser Kettenreaktion stehen, gehen also hinter Jesus her. Und der wendet sich zu ihnen um, er sieht sie und er fragt: Was sucht ihr? Sie antworten mit einer Gegenfrage:

Meister, wo ist deine Herberge? Und er: Kommt und seht! Das ist alles! Und doch: Was ist in diesen wenigen Worten alles enthalten!.

 

Was sucht ihr? Ja -  was suchen wir, wenn wir Jesus folgen, wenn wir zu einer christlichen Gemeinde gehören, wenn wir unser Kind taufen lassen, wenn wir Gottesdienste feiern?

 

Nicht wahr: Das ist schwer auszudrücken. Immerhin: Sie haben einiges an unserm Taufelternabend gesagt: Wir möchten Gottes Segen für unser Kind, wir möchten, daß es behütet aufwächst, wir möchten, daß es zu einer Gemeinde gehört, weil wir selber gute Erfahrungen mit einer Gemeinde gemacht haben, als wir Kinder und Jugendliche waren...

 

Was sucht ihr? Die Beiden in unserm Text antworten mit einer Gegenfrage: Meister, wo ist deine Herberge?

 

Sie meinen damit sicher nicht einfach? Wo wohnst du eigentlich? (Darauf hätte Jesus eine Antwort gehabt: Die Füchse haben Gruben, die Vögel Nester, der Menschensohn hat nichts, wo er sein Haupt hinlege – Jesus hatte keinen festen Wohnsitz, war obdachlos). Sondern sie  meinen: Wo ist dein Zuhause? Wo gehörst du hin? Wo bist du beheimatet? Und darin schwingt mit: Bist du der ersehnte Retter, der uns Geborgenheit, Beheimatung bei Gott geben kann?

 

                                                                        III

 

Das also suchen sie im Grunde: Geborgenheit, Beheimatung, festen Halt und Verwurzelung des Lebens...

Und das, denke ich, suchen und brauchen wir Menschen alle. Nicht wahr: Ein Küken pickt sich aus seiner Schale heraus, trippelt los und braucht die Mutter nicht mehr...Der Mensch aber braucht Jahre der Nestwärme und Geborgenheit, im Grunde braucht er sein Lebtag solche Nestwärme, Beheimatung, Geborgenheit. Ich habe beim Taufelternabend von dem Buch erzählt, das ich vor einiger Zeit las: Es handelt von Widerstandskämpferinnen und – kämpfern im Dritten Reich und es wird darin gezeigt: Sie alle wuchsen in der Geborgenheit einer gut behüteten Kindheit auf, waren Menschen, die in ihren Elternhäusern starken Rückhalt, Geborgenheit, Verläßlichkeit fanden.

 

Das brauchen wir, brauchen vor allem Kinder: Rückhalt, das Gefühl, sich auf Eltern oder andere Menschen verlassen zu können, bei ihnen  einen starken Rückhalt zu haben...Und das sollen wir auch in der Gemeinde finden, in den Gottesdiensten soll das gestärkt werden, Jesus will uns das mitteilen. Er sagt: Auf mich kannst du dich verlassen, ich verlasse dich nie, ich halte zu dir, komme, was wolle, ich gebe deinem Leben einen wunderbaren Sinn und ein festes Fundament...

 

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                                                                        IV

 

Wie erkennen und empfangen wir das?

 

Kommt und seht! antwortet Jesus auf die Frage der Beiden nach seinem Zuhause.

 

Kommt und seht: Der Glaube ist also kein Standpunkt, sondern ein Weg, ein Unterwegssein mit Jesus.

 

„Und sie kamen, sahen und blieben“.

 

Ich kam, ich sah, ich siegte! so sagte der berühmte Feldherr Cäsar - veni vidi vici.  Das wollen wir auch gern: Kommen, Überblick kriegen, das letzte Wort haben, siegen, der Stärkere sein, der, der alles im Griff hat...

Hier heißt das anders: „Und sie kamen und sahen und – blieben.“ Kommen: Zu Jesus kommen, sehen – das heißt: erkennen, was er kann, gibt, ist...und bleiben. Bei ihm eine Bleibe finden, bei ihm das finden, das allein bleibenden Wert hat, und das unserem Leben bleibenden Wert gibt: Liebe zu Gott und Liebe zu Menschen.

 

Komm und sieh! Das sagt Jesus dir persönlich, das sagt er euch Eltern und Paten. Kommt und seht: Kommt zu Jesus, kommt gemeinsam mit euren Kindern, kommt zu seinen Worten in der Bibel, kommt in die Gottesdienste und gemeindlichen Gruppen – und seht: Seht, was Jesus zu geben hat, was er kann, wer er für euch ist..:Der, der euch Bleibe gibt, Geborgenheit, Frieden und einen überaus sinnvollen Lebensauftrag...

 

Kommt und seht – dann werdet ihr das in eigenen Worten sagen können, was der Glaube an Jesus bedeutet. Dann ist es keine Formel mehr, sondern persönliches Bekenntnis, was Johannes der Täufer von ihm sagt: „Siehe, das ist Gottes Lamm, das die Sünde der Welt trägt“.

 

Und der Friede Gottes, der höher ist  als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus unserm Herrn. Amen