Predigt zu Johannes 21, 1-14

 

Liebe Gemeinde,

 

 

All das klingt in diesem Text an. So als sei in ihm noch einmal alles zusammengefasst, was Jesus getan hatte. Und  all das ist nun in eine  verschwebende geheimnisvoll-österliche Atmosphäre getaucht. Man sieht das glosende Kohlenfeuer, empfindet das morgendliche Frühlicht...

 

Der diese wundervoll-hintergründige Erzählung aufgeschrieben hat, er will mit ihr sagen: So wie Jesus in seinem irdischen Dasein am Werk war, so nun als der Auferstandene. Und so wie er hier den Jüngern begegnet, so kann und will er als der auferstandene Heiland und Herr Menschen aller Zeiten und Orte begegnen, auch uns jetzt hier im Zentrum, die vielleicht so dran sind wie die sieben Jünger zu Anfang.

 

Es beginnt damit, dass Petrus zu seinen sechs Gefährten sagt: Ich will fischen gehen. Und sie sagen: Wir gehen mit. Und in  derselben Nacht fingen sie nichts“.Leer sind die Netze und leer die Herzen, mutlos, kleinmütig hocken sie da. Ihre  Arbeit war vergeblich, alle Mühe für die Katz.  

 

So etwas kennt jeder von Euch aus Ehe, Familie, Beruf. Man redet und müht sich ab und nichts kommt dabei heraus. Man betet für einen Menschen und nichts ändert sich. Man rackert sich ab in der Arbeit und wird gefeuert.  Man sitzt dann erschöpft und deprimiert da und  denkt: Hat alles keinen Zweck, am liebsten würdest du aufgeben. Nach Deutschland zurück, den Ehepartner verlassen, die Gemeinde verlassen...

 

In unserer Erzählung ist Jesus schon da, während die Jünger noch betrübt und  abgearbeitet um ihre leeren Netze herumsitzen. Nur: Sie erkennen ihn noch nicht. Ganz ähnlich wie bei den Emmausjüngern, denen Jesus in  der Gestalt eines Menschen begegnet, der ihnen voller Anteilnahme zuhört.

 

„Als es aber Morgen wurde, stand Jesus am Ufer, aber die Jünger wussten nicht, dass es Jesus war“. Er kann also schon in unserer Nähe sein, während wir uns noch ratlos, verzweifelt und müde fühlen. Wie aus dem Nichts herbeigezaubert steht er mit einemmal da. Wir können ihn nicht herbeizwingen, aber wir sollen wissen: Er nimmt Anteil an unserer Not. Und das bedeutet: Hoffnung behalten, auch dann und  da, wo alles hoffnungslos erscheint. Erwartungsvoll sein, auch wenn alles noch so düster scheint. Jesus ist uns schon nahe, auch wenn wir ihn nicht erkennen. Und übrigens, im  Rückblick erkennt man dann manchmal, dass ich solches Vertrauen, solche Hoffnung gelohnt hat.

 

Und dann spricht er sie an: Kinder, habt ihr nichts zu essen?

 

Kinder! So nannte und nennt ein Rabbi seine Schüler. (Und nennen die orthodoxen Priester ihre Schäflein  nicht auch so?)

 

Kinder! Mit dieser Anrede ist aber auch gemeint:Wir sind jetzt eben nicht mehr Mägde und

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Knechte Gottes, in dem Sinne, dass wir noch unfrei wären und unterwürfig gegenüber Gott    

sein müssten, sondern wir sind, wenn  wir zu Jesus gehören als seine Schüler und

Geschwister, eben freie Töchter und  Söhne Gottes.

 

Kinder: Darin steckt aber auch: Auch wir erwachsenen Töchter und  Söhne Gottes bleiben  vor Gott hilfsbedürftig wie kleine Kinder, die ihren Eltern vertrauen und  ihnen viel zutrauen.  Wir sollen und dürfen also Gott vertrauensvoll und  hartnäckig anbetteln und keine Ruhe geben, bis wir das Gewünschte haben...

 

Kinder, habt ihr nichts zu essen? Die Sprache des Evangelisten Johannes ist immer   tiefsinnig und hintergründig... Essen – das bedeutet alles, was unserm Leben Nahrung, Sinn, Kraft, Genuss gibt.

 

Und wir müssen sagen: Nein, w i r  haben nichts zu essen. Was uns zum Beispiel auf dem religiösen Markt angeboten wird, das sättigt nicht, das ist keine gesunde

Glaubensnahrung. Und das, womit wir abgespeist werden durch Werbung und die ganze Vergnügungsindustrie, das stillt den Lebenshunger nicht wirklich, sondern kann Menschen stattdessen innerlich eher leer und krank machen.

 

Die Jünger sagen klarsichtig und mit Recht zu Jesus: Nein, w i r  haben nichts zu essen. Ohne dich ist unser Leben leer und unser Tun vergebliche Mühe.        

 

Und dann tun sie, was er ihnen sagt und sie finden und fangen eine  Unmenge Fische, eine überbordende Fülle, reichen Segen. Später im Text hören wir: Es waren 153 Fische – nicht kleine, sondern grosse Fische. Ja, was das wohl bedeuten mag? Da haben die Bibelforscher dran herumgerätselt und meinen beweisen zu können: Das waren alle damals bekannten Fischarten.

 

Sagen wir einfach: Hier ist nun wirkliche Nahrung gemeint, die Lebenshunger und  Lebensdurst wirklich stillt - und zwar für alle Arten von Menschen, für schwarze und  weisse, grüne, rote und gelbe, für reiche und arme, dünne und dicke, frömmelnde, skeptische, sektiererische und sich atheistisch gebende...

 

Und dass Netz zerriss nicht!“ Auf unsere Gemeinde bezogen heisst das: Wir sollen hier alle gelten lassen und  hochachten.  Auf die Kirche bezogen heisst das: Alle Menschen, Menschen aller Art haben in ihr Raum und Platz und  sind willkommen! Und:  Trotz aller menschengemachten Spaltungen und Konfessionen – es ist und bleibt ein Leib Christi, eine unzerreissbare heilige christliche Kirche – und so sollen wir einander auch anerkennen und ansehen: Keine Verachtung oder gar Verurteilung eines vermeintlich weniger „Rechtgläubigen“. Wir haben kein Recht über den Glauben oder Unglauben eines andern zu urteilen. Sondern jeder soll für sich zusehen, ob und wie er vor dem Urteil Gottes bestehen kann.

 

Das Netz zerriss nicht! Es ist und bleibt ein Reich Gottes, eine  heilige christliche Kirche.

 

Und was sind die Kennzeichen dieser Einheit? Ganz schlicht: Auf Jesus hören, ihm vertrauen und seiner Weisung folgen. Durch die Taufe als Kinder Gottes miteinander leben und  umgehen und – schliesslich und  als Ziel und  Vollendung aller Gemeinschaft: die Mahlgemeinschaft mit ihm und  miteinander feiern.  Er lädt sie ein, er lädt uns ein: „Kommt und haltet das Mahl“, „Kommt zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch

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erquicken“. Und da – über der Mahlgemeinschaft, da erkennen  sie Ihn, da wissen sie in

ganz unmittelbarem Erkennen: Es ist der Herr. Er ist es. Der Herr. Der einzige.

 

 

Unsere Erzählung spielt in der Morgendämmerung. Manche Menschen sagen und denken: Es wird alles immer dunkler und düsterer. Die Welt und unser Leben gehen der Nacht entgegen. Und auch unser persönliches Leben:“Eines langen Tages Reise in  die Nacht“, wie der Dichter T.S. Eliot eins seiner Theaterstücke überschrieben hat.

 

Unsere Geschichte sagt dagegen:Die Nacht über der Welt und eurem Leben ist schon im Schwinden – es geht in Wahrheit dem Tag entgegen, dem schattenlosen Mittagslicht der Ewigkeit.

 

Darum: Wir Christen können, trotz allem, zukunftsgerichtet leben, als Menschen mit einer lebendigen Hoffnung, einer Hoffnung nicht auf Menschen, sondern  auf Jesus, der der Erste in unserm Leben sein will , der als der Letzte das Urteil über uns sprechen wird und der jetzt bei uns ist und zu uns kommt im Heiligen Mahl als der lebendige Herr und Gastgeber. . Amen.