Friedensgebet Karfreitag 2.4.99

 

Musik

JX spricht: Den Frieden lasse ich euch...Der Friede der Welt: das ist der Friede, den man mit Stärke, Überlegenheit, Waffengewalt herzustellen sucht. der Friede, den Christus gibt, den erkennen und empfangen wir;  wenn wir unter seinem Kreuz stehen. Um diesen Frieden wollen wir für uns und für Andere, für Täter und Opfer  im Krieg auf dem Balkan bitten. Jesus selbst stärkt in uns die Gewißheit, daß Gott unsere Gebete hört und erhört, wenn er im Johannesevangelium Kap. 16 sagt: Wahrlich, wahrlich ich sage euch, wenn ihr den Vater um etwas bitten werdet in meinem Namen, so wird er’s euch geben.

 

Wir richten unseren Blick auf Jesus, der im Garten Gethsemane zu Gott betete und am Kreuz  für uns alle um Vergebung bat, wir singen das Lied: Eines wünsch‘ ich mir vor allem andern...Nr. 554 alle 4 Strophen

 

Wir sprechen im Wechsel die Seligpreisungen Jesu: Nr. 767 Seite 1194

 

Wir beten:

Lieber Herr Jesus Christus, du Heiland der Welt. Mit der ganzen Christenheit auf Erden stehen wir heute unter deinem Kreuz und beten dich an als den, der das Werk der Versöhnung für alle Menschen vollbracht hat. Lehre uns unter deinem Kreuz unsere Sünde erkennen und gib Trost, wenn wir traurig sind. Hilf jedem von uns, in seinem persönlichen Bereich ein Bote deines Friedens zu sein.      

Und laß deinen Frieden überall dort, wo Menschen auf dich hören und du ihnen begegnest, stärker sein als aller Haß, alle Angst und Vergeltungssucht. Amen

 

Ich lese den heutigen Predigttext : Lk 23 von Vers  32 bis Vers 48

 

...schlugen sie sich an ihre Brust. Irgendwie merken sie, daß sie doch hier mitbeteiligt sind, mitschuldig an diesem Tod. Sie schlagen sich an ihre Brust – das Zeichen dafür, daß sie sich selbst anklagen.

 

Und auch wir – wir wollen heute  nicht selbstgerecht oder überheblich andere anklagen und zu Schuldigen stempeln, weder   den serbischen Präsidenten noch das NATO –Oberkommando , sondern wollen erkennen, wo und wie wir selbst in Unfrieden, Gewalttätigkeit und Rechthaberei verstrickt sind...und also die Bitte Jesus auch für uns notwendig ist: Vater, vergib ihm, vergib ihr, denn sie wissen ja nicht, was sie tun.

 

Wie viele, unterschiedlichste Menschen sind hier in der Kreuzigungsgeschichte zu sehen! In immer enger werdenden Kreisen zeigt Lukas sie uns, bis wir schließlich nur noch auf ihn sehen.

 

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Da ist zunächst der äußerste Kreis: das Volk. „Das Volk stand und sah zu“. Es gafft.

Vielleicht standen sie da, tauschten Kommentare aus, Meinungen, möglicherweise auch Schrecken, Empörung, Entsetzen – aber sie blieben in Distanz, in Zuschauerhaltung. So wie bei manchen Verkehrsunfällen oder öffentlichen Hinrichtungen oder auch Fernsehübertragungen vom Krieg auf dem Balkan. Wie viele Kommentare, Meinungen, Analysen gibt es auch zu diesem Krieg! Mit zu dem Fragwürdigen und – angesichts der Macht, die das Fernsehen ausübt -  Gefährlichen und Verhängnisvollen gehört für mich, daß da nur sehr ausgewählte Nachrichten und Kommentare gegeben werden... allesamt, mehr oder weniger laut auf Milosevic zielend, den Kriegstreiber, den allein Verantwortlichen, den Verrückten, den, der gegen sein eigenes Volk kämpft – damit wird Haß und Schuld und Verantwortung allein auf ihn gelenkt, er ist der Böse, die Gegenseite ist die Friedenspartei – und die Leute sprechen nach, was ihnen vorgesagt wird...

 

Mag ja sein, daß er ein Kriegstreiber ist und all das – aber die andere Seite nicht? Sind nicht alle Beteiligten schuldig? Auch wir – das Volk...?

 

Da sind – weiter – die Oberen, die politisch wie kirchlich Oberen – die spotten: Anderen hat er geholfen, er helfe sich selber...

Das sind die, die auf die Macht setzen, auf die Gewalt, die der Gewaltlosigkeit nicht viel zutrauen, die sagen: gegen Gewalt hilft nur Gegengewalt. Solche vermeintlichen Realisten haben wir oft auch in der Kirche: Wir sollen als Kirche ja nicht zu sehr störend wirken und  möglichst nirgendwo anecken, sondern schön angepaßt bleiben, kirchlich und politisch Obere möglichst Hand in Hand, Arm in Arm - und wir selbst gehören vielleicht dazu und sagen: Krieg muß sein, etwas anderes hilft jetzt nicht mehr, man muß den Frieden herbeibomben...   wo doch Jesus die Sanftmütigen selig gepriesen hat und gesagt hat: Wer das Schwert nimmt, wird selber durchs Schwert umkommen, also Gewalt wird sich zerstörend gegen den wenden, der sie ausübt – und ist es nicht so, daß die Gewalt und das Elend der Flüchtlinge unendlich vermehrt worden ist seit Beginn der Kriegshandlungen, daß – bisher jedenfalls – das Gegenteil von dem bewirkt worden ist, was man erreichen wollte...? Dann lieber in Ratlosigkeit bleiben  und dennoch sagen: „Dein Wort ist wahr...“Gewalt löst kein Problem, sondern verstärkt und verschlimmert es, Vergeltungsmaßnahmen bewirken Gegenvergeltung, Haß gebiert neuen Haß...Und ich denke: Wieviel Haß, der jahrzehnte-, jahrhundertelang weiterschwelt, wird erneut gesät gerade gegen uns Deutsche, deren Tun im 2. Weltkrieg und früher schon noch unvergessen ist bei den Serben...Jesus hat gesagt: ihr Christen sollt Salz und Licht sein. Salz brennt, reinigt...Licht deckt Finsternis auf, bringt Dunkles ans Licht.. Wir können und sollen nicht Lösungen anbieten, da sind wir oft auch ratlos, aber wir sollen an

 

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der radikalen Wahrheit der Worte Jesu festhalten und sie nicht abschwächen und anpassen.

 

Und schließlich: Der engste Kreis – die beiden mit Jesus Mitgekreuzigten und der heidnische Hauptmann. Der eine  der beiden Verbrecher bleibt, wie er war, auch im Sterben. Das gibt es ja. Aber der andere bittet Jesus, er möge seiner gedenken. Und Jesus sagt ihm den Frieden, die Freude, die paradiesische Gemeinschaft mit Gott zu. Das kann also sein, daß ein Mörder umkehrt, Buße tut, Jesus um Barmherzigkeit bittet! Darum ist  es wichtig, daß wir für Mörder, für in unseren Augen böse Menschen und Kriegsverbrecher beten – im Vertrauen darauf: Gott hat Zugänge zu Menschen, die für uns verschlossen scheinen, für ihn aber weit offene Zugänge sind.

 

Und schließlich: Der heidnische Hauptmann, der Kommandierende, der Henker. Er – ein Soldat, ein Militär, der Anführer eines Hinrichtungskommandos ist nach der Überlieferung des Lukas – der erste Christ! Auch hier wird uns jedes Vor-Urteil, jedes Urteilen über Menschen, jedes Einteilen in gut und böse radikal infrage gestellt.

 

Vater, vergib ihnen, sie wissen ja nicht, was sie tun... Für sie alle, für das Volk und für die, die die Meinung des Volkes beeinflussen, für die Oberen, die kirchlichen, staatlichen, militärischen Oberen, für die Verbrecher, Mörder, Vergewaltiger..für alle die, die mit Recht die Todesstrafe verdient hätten, für sie alle, für dich und mich bittet Jesus um Vergebung, will und kann den Frieden in ihre friedlosen Herzen bringen – und so wollen auch wir nun bitten,

zunächst  mit Worten des Liedes 430,  alle vier Strophen

 

Gebet – Gebetsstille – Vaterunser

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Segen

Orgelspiel

                         

Weitere Predigten von Pfarrer Martin Quaas, Essen-Rellinghausen, finden Sie unter www.martin-quaas.de/predigten.