Gottesdienst am Sonntag Estomihi, 6. März  2011, Rhodos

 

Lieder:

 

Dir, dir, o Höchster...328, 1-3

Jesus ist kommen...66, 1.5.7

Eins ist not...386, 1.3.5

Lass  deinen Segen...451, 7.9.10

 

Psalm 31

 

Lesung: Amos 5, 21-24

 

Predigt zu Lukas 10, 38 – 42:

 

Auf ihrer Wanderung ging er hinein in ein Dorf. Dort lebte eine Frau mit Namen Marta, die nahm ihn auf. Und sie hatte eine Schwester namens Maria, die setzte sich dem Herrn zu Füßen und  hörte auf sein Wort. Marta aber war sehr mit der Bedienung der Gäste beschäftigt. Schliesslich kam sie und sagte: Herr,macht es dir nichts aus, dass meine Schwester mich allein  für euch sorgen lässt? Sag ihr doch, sie möchte mir mithelfen. Der Herr aber antwortete ihr: Marta, Marta, du machst dir Sorgen und  Mühe um vielerlei; nur eins aber ist wirklich notwendig. Maria hat das gute Teil erwählt, das kann ihr nicht genommen werden.  

 

Also: Jesus ist mit seiner Jüngerschar vom See Genezareth aus durch Samarien nach Süden  gewandert, das Ziel ist Jerusalem. Sie kommen an ein Dorf, nach dem Johannesevangelium ist es Bethanien, auf dem Ölberg gelegen, schon  in Sichtweite Jerusalems. Es leben dort zwei Schwestern; bei denen kehren sie ein. Die eine, mit Namen Marta, der aramäische Name bedeutet: Herrin, war vermutlich auch die Hausherrin.

 

Und  nun stellt uns Lukas eine dieser Augenblicks-Szenen vor Augen, die wir oft in den Evangelien finden: Ein  alltägliches Geschehen, und doch von lebenswichtiger Bedeutung -  auch für dich und  mich, wenn Gott uns Ohren und Herz öffnet. Eine Szene, von ähnlicher Kürze und Bedeutsamkeit wie die vom sog. Scherflein der Witwe oder von der Frau, die mit einem Fläschchen kostbarsten Nardenöls Jesu Füsse salbt. Nach dem  Johannesevangelium war das übrigens eben diese Maria, die wir hier hörend zu Jesu Füssen sehen, so wie das bei Schülern eines Rabbi üblich war (vgl. Apg.22,3). Und auch von Marta erzählt das Johannesevangelium noch einmal, in Kap. 11: Sie spricht, nach der Auferweckung ihres Bruders Lazarus, ein  wunderbares Glaubensbekenntnis aus, sie sagt zu Jesus: Herr,ich glaube, dass du der Christus bist, der Sohn Gottes, der in die Welt gekommen ist (Joh.11, 27).

 

Und damit wird auch klar: Es wäre ganz falsch, wir würden – wie wir das üblicherweise doch tun, die beiden auf Rollenklischees festlegen,  Marta also eher in  negativer Weise sehen, als die überaktive und dann auch noch mäkelnde und  nörgelnde ältere Schwester und die Maria als unser großes leuchtendes Vorbild. Nein,die Namen sind austauschbar, es geht hier weder um die eine noch die andere, sondern es geht um Jesus und unser Verhältnis zu ihm.    

 

Wichtig zu wissen ist: Die Geschichte setzt jüdisches Gastrecht voraus. Das heisst: Der

Gast hat Anspruch auf beste Bedienung. Und das wiederum bedeutet: Jesus und seine

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Jünger – es waren ja mindestens 13 Gäste zu versorgen - haben ein Recht darauf, von  

beiden Schwestern  bedient zu werden. So kann man Marias Frage als die verwunderte Äusserung einer jüdischen Frau verstehen, die nicht begreift, dass Jesus auf einen Teil seines Gastrechts verzichtet. Und Jesu Antwort würde dann bedeuten: Marta, du meinst, es käme darauf an, möglichst gut für mich sorgen; du meinst, du müsstest mir dienen, mir   Ehre erweisen. Und das erwartest du – gemäss dem Gastrecht - auch von Maria. Aber: Sie hat sich mir gegenüber angemessen verhalten; sie hat erkannt, dass es in dieser Stunde, wo ich nun hier bin, angemessen ist, mir zuzuhören; dass also ich ihr diene,statt  dass sie mir dient; dass ich sie ehre, statt dass sie mich ehrt. Denn – wie man mit einem anderen Jesuswort ergänzen könnte - „ich bin nicht gekommen,mir dienen zu lassen, sondern  um zu dienen und mein Leben hinzugeben zur Erlösung für viele“ (Mk. 10,45).

 

Darum also geht’s, wenn Jesus kommt - und mit ihm Gott und sein Reich.  Es geht um Gottes Dienst für uns. Dieses Wort kann man ja auf zweifache Weise verstehen. „Gottes-dienst“ kann bedeuten: Wir dienen Gott. Das ist tief eingefleischt in uns Menschen: Der Mensch hat Gott zu dienen und ihn zu ehren -  durch Opfer, durch prachtvolle Gebäude oder Gewänder, durch Kunstwerke und Gesänge... Die andere Bedeutung des Wortes Gottesdienst aber ist: Gott dient uns! Er dient uns – durch all das, was Jesus uns gibt.  

 

Und darum geht’s im christlichenGlauben zuerst und vor allem. Dass wir uns Gottes Dienst gefallen lassen. Dass wir Jesus zuhören, wenn er uns vom Leben im  Reich Gottes erzählt. Dass wir uns von ihm etwas sagen lassen, uns einen wohltuenden Dienst von ihm gefallen lassen. Dass wir uns von ihm die Füsse waschen lassen – und ruhig auch mal den Kopf. Uns an seinem Tisch speisen lassen, uns von ihm mit Vergebung beschenken lassen. Uns von ihm das Evangelium mitteilen lassen, also:  Hören, wie sehr Gott uns ehrt, indem er uns erlöst aus unserem freudlos-unterwürfigen Knechtsdasein und uns aufnimmt in sein Haus als seine Kinder und Erben.Und dann allerdings auch darum, dementsprechend zu leben, woran der Prophet Amos uns in der Lesung aufs deutlichste erinnert hat; denn blosse Lippenbekenntnisse sind Gott zuwider.      

 

Es geht also in unserem Text überhaupt nicht um Diakonie und Verkündigung, Handeln und Hören -  und was von  beidem die höhere Bedeutung habe; es geht - hier jedenfalls - auch nicht in erste Linie um die Befreiuung der Frau, als sage die Geschichte: Die Frau soll erlöst werden von ihrer den Männern dienenden Rolle als Hausfrau; sie ist kompetent auch in allen religiösen Fragen. Es geht schon gar nicht darum, Fleiss und Tüchtigkeit und  Gastrecht und Fürsorge madig zu machen -  denn was wären die Gemeinden ohne die Marthas?? Und sind nicht die „Marthas“ in unseren Gemeinden so gut wie immer zugleich auch die „Marias“? Sondern es geht, wenn Jesus zu Gast ist, um das, was eben nur er uns sagen und geben kann:  Das Hören und sich Einverleiben des Evangeliums.

 

Und das empfangen wir im Gottesdienst. Darum ist er lebensnotwendig. Auch in bezug auf den Sonntagsgottesdienst stehen wir vor der Frage: Machen wir uns Sorgen und Mühen um vielerlei – und  versäumen darüber das eine Lebensnotwendige?  Wie unendlich viele durchaus plausible Entschuldigungen habe ich im Laufe meines Pfarrerdaseins gehört: Sonntags muss ich mal einmal ausschlafen, mal Zeit für die Familie haben. Oder: Der Gottesdienst ist langweilig, der gibt mir nichts. Oder auch: Heute predigt der oder die...da gehe ich nicht hin. Oder auch: Na, bin gespannt, was der Martin heute so predigen wird...Nicht ich, sondern Jesus ist die Hauptperson im Gottesdienst, und er ist hier nicht nur zu Gast, sondern  auch der Gastgeber, und auch der Prediger.  Und wenn ich zum Gottesdienst gehe, dann geht’s darum, ihm zuzuhören. Es geht um die  

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Begegnung mit ihm. Man könnte auch sagen: Im Gottesdienst geht's darum, mit wirklicher

Liebe beschenkt zu werden.  

 

In jedem Fall ist es gut, in jeden Gottesdienst mit der Frage und Erwartung zu gehen:  Was will und wird  Gott mir heute sagen, zeigen, womit will er mich beschenken, worauf hinweisen, auf welche Weise mich warnen, zurechtweisen,ermahnen?  Einen Gottesdienst,an dem nichts zu kritisieren wäre, gibt’s nicht. Wer aber von Gott etwas

erwartet,der wird nicht so leicht leer ausgehen. Im Gegenteil! Denn hier empfangen wir doch wirklich das eine Lebens-notwendige!

 

Ach,wir armen Menschen mit unserer Überaktivität, unseren vielen Sorgen, die uns belasten, unserem Vollgestopftsein mit elektronischen Bildern, unserem ständigen Suchen  nach Vergnügen, Unterhaltung, Lebenssinn, Reisen und Lesen und Kochen und Restaurantbesuchen...und wo finden wir Vollkornbrot fürs Leben??   Entlastung von  Sorgen, neues Gottesvertrauen, neue Freude am Leben und Freude an Gott, Staunen darüber, gemeinsam mit den Geschwistern Kinder Gottes zu sein und  damit auch Erben, Gottes Erben und  Miterben Jesu Christi?!  

 

Wir alle machen  uns Sorgen um  Mühen um vielerlei Dinge. Aber diese Sorgen und  Mühen sollen und dürfen uns nicht mehr erschöpfen, uns nicht auffressen und  ersticken – und sie können es auch nicht mehr, sobald wir das tun, was Maria hier tut: Hören und über dem Hören aufatmen.

 

Und eben dies  geschieht im Gottesdienst, aber genauso etwa in Bibelstunde und  Gebetskreis. Auch hier ist nicht das Entscheidende, dass wir Gott  ehren, sondern dass er uns ehrt, nicht, dass wir ihm dienen ,sondern dass er uns dient. Wie reich beschenkt werde ich von Gott jedesmal im Gebetskreis, wenn wir  zu ihm beten und ihm Loblieder singen. Und im Bibelgesprächskreis, wo mir Beiträge der Teilnehmer oft zu Herzen gehen und  mich lange begleiten.

 

Übrigens ist es gut, dass wir diesen Text und  die Predigt dazu an der Schwelle zur Passionszeit hören. Ich freue mich jedes Jahr ganz besonders auf die Passionszeit - weil dies eben eine ganz besondere Zeit ist, um   – etwa in  den Passionsandachten, aber auch für den, der will, durch Fasten, Verzichten, Askese - den Leidensweg Jesu in Stille zu betrachten. Denn dadurch gewinnt unser Glaube neue Tiefe und Freude, wir erkennen, dass wir selbst in  all den Gestalten vorkommen, die Jesus Leiden zufügen – wir  erkennen ,was es ihn gekostet hat, den Passions- und Kreuzesweg auch für mich zu gehen, wir erkennen und  erfahren dann zu Ostern überwältigend, was für ein wunderbarer Befreier er ist.

 

Wohlgemerkt: Es geht hier nicht um eine Bewertung der verschiedenen Angebote und Veranstaltungen  in unserer Gemeinde, sondern für uns alle um den Hinweis: Wenn Jesus kommt und bei uns einkehrt, dann geht’s um das eine Lebensnotwendige, das nur Er geben kann: Freude am Leben im Reich Gottes, Befreiung und Entlastung, und eine Gemeinschaft ohnegleichen in der Feier des Heiligen Mahls. Amen.