Lieder:
Mein erst
Gefühl sei Preis und Dank...451, 1 - 5
Ist Gott für
mich, so trete gleich alles wider mich...351, 1 - 5
Kein Engel,
keine Freuden...351, 12 und 13
Gib mir ein
Herz voll Zuversicht...451, 7 - 10
Psalm
103 i.A.
Lesung:
1. Mose 15, 1 - 5
Liebe
Gemeinde,
Jesus ist auf
dem Weg nach Jerusalem, er geht seinem
Tod am Kreuz entgegen. Er hat sich vom See Genezareth verabschiedet, wandert
mit den Jüngern am Jordanfluß entlang, kommt nach Jericho. Von dort führt der
Weg dann steil hinauf durch felsiges unwegsames Gelände nach Jerusalem.
Als Jesus
durch Jericho hindurchzieht, kommt es zu einer auch für unser Leben bedeutsamen
Begegnung.
Ich lese den
Predigttext: Lukas 19, die Verse 1 – 10
( eigene Übersetzung):
Jesus ging nach Jericho hinein und zog durch die Stadt..
In Jericho lebte ein Mann namens Zachäus. Er war der oberste Zolleinnehmer in der Stadt und war sehr reich. Er wollte unbedingt sehen, wer dieser Jesus wäre. Aber er war klein, und die Menschenmenge versperrte ihm die Sicht. Da lief er voraus und kletterte auf einen Maulbeerfeigenbaum, um Jesus sehen zu können; denn dort sollte er vorbeikommen.
Als Jesus an die Stelle kam, schaute er auf und redete ihn
an: „Zachäus, komm schnell herunter, ich muß heute in deinem Haus einkehren!“
Zachäus stieg schnell vom
Baum und nahm Jesus voller Freude bei sich auf.
Alle sahen es und murrten; sie sagten: „Bei einem Sünder ist
er eingekehrt!“
Aber Zachäus stellte sich vor den Herrn und sagte zu ihm:
„Herr, die Hälfte meines Besitzes werde ich den Bedürftigen geben. Und wenn ich
etwas von jemandem erpreßt habe, gebe ich es ihm vierfach zurück.“
Da sagte Jesus:
„Heute ist diesem Hause Heil
widerfahren, denn auch er ist
ein Sohn Abrahams.
Denn der Menschensohn
ist gekommen, zu suchen und selig zu machen, was verloren ist.“
Liebe
Gemeinde!
Wie kommt es
eigentlich zu einer lebendigen Beziehung zwischen Jesus und uns?
Das ist, finde
ich, die wichtigste Frage für unser
Leben überhaupt. Denn Glaube bedeutet ja nicht: An das und das und das glauben oder nicht glauben, sondern einem
glauben,
2
einem
vertrauen, nämlich Jesus vertrauen, ihm sein Leben anvertrauen, auf ihn hören
und ihm gehorchen. Es geht um eine lebendige Beziehung zu ihm. Und wie diese
Beziehung zustande kommt und sich gestaltet, darauf gibt uns die
Zachäusgeschichte eine schöne Antwort.
Sie zeigt
uns,
-
wie wir
Menschen im allgemeinen sind
-
wie Jesus ist
-
und wie ein
Mensch ist, dem Jesus begegnet ist, wie also ein Christ ist.
I
Am Anfang
sehen wir wie in einem Spiegel, wie wir Menschen so sind: Neugierig - man will etwas sehen, etwas erleben! -
egoistisch auch, und selbstgerecht.
Jesus nähert
sich der Stadt! Das hat sich in
Windeseile herumgesprochen. Und nun strömen sie alle dorthin, wo er
vorbeikommen wird. Wie er wohl aussehen mag? Größer – oder kleiner – als man
ihn sich vorgestellt hat? Gutaussehend oder häßlich? Ob er irgendetwas
Erstaunliches sagen oder tun wird? Eine Wunderheilung vielleicht? Neugierig sind
sie.
Und das ist ja
an und für sich noch garnichts Schlechtes. Kinder sind überaus neugierig, und
das ist gut. Wenn ich mittwochs in der Stiftsschule bin, sofort kommen die
intensivsten Gespräche aufgrund ihrer neugierigen, wißbegierigen Fragen zustande.
Oder ich vergesse nicht die „Badewannengespräche“ mit unseren Kindern,
als sie etwa
drei bis sieben Jahre alt waren, alle vier in der Badewanne, und mir
Fragen über die Hölle und den Himmel,
den Tod, Gott und den Teufel
stellten, zu denen ich dauernd sagen mußte: Hm, das weiß der Vater auch nicht
so genau.
Und auch wir
Großen sind hoffentlich neugierig. Ich zum Beispiel bin sehr gespannt darauf,
einmal zu erkennen, wie das Leben im Himmel sein wird – und, wie Gott in
Wahrheit ist.
Also, Neugier
ist an sich nichts Schlimmes. Aber sie ist bei uns allzuoft gepaart mit
Egoismus, mit Lüsternheit, mit Lust am Nervenkitzel, vielleicht gar mit
dem Drang, Anderen zu schaden, sie
auszunutzen. Es reizt einen schon, bei einem Verkehrsunfall hinzuschauen, oder
– möglicherweise schadenfroh - zu sehen, wie ein Mensch sich in einer
verfänglichen oder peinlichen Situation verhält.
Hier in
unserer Geschichte suchen die Neugierigen samt und sonders die besten Plätze
für sich zu ergattern. Das kennen wir: Wer größer oder stärker ist als der
Andere, der ist im Vorteil, der Schwächere hat das Nachsehen. Der kleine
Zachäus hat keine Chance, einen der vorderen Plätze zu erobern. Man gibt ihm,
diesem gewissenlosen Geschäftemacher, auch keine Möglichkeit dazu.
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II
Und nun
geschieht das, was das Leben all dieser Menschen beeinflußt: Jesus kommt.
Jesus verhält
sich nun ganz anders als wir Menschen im allgemeinen.
Worin er
anders ist, das wird an dem Satz deutlich, den er am Ende sagt: Auch Zachäus
ist ja ein Sohn Abrahams.
Jesus sieht
also nicht in erster Linie auf das Verhalten, sondern auf den Menschen selbst,
nicht auf das, was einer hat und kann und tut, sondern darauf, wer er ist. Er
sieht Zachäus als den an, der er ist: Ein Kind Gottes, ein von Gott geliebter
Mensch.
Und nun hat
Jesus nie gesagt, wie das heute manchmal so dahergesagt wird: Gott nimmt alle
an, wie sie sind. Sondern er sieht den Einen, der das offenbar besonders
braucht, daß ihm einer das zu spüren gibt: Du bist geliebt bei Gott.
Jesus sieht:
Zachäus ist so habgierig, weil ihm Liebe mangelt. Und ihm wird keine Liebe
entgegengebracht, weil er so habgierig ist.
Jesus
durchbricht den Teufelskreis. Er sagt
zu Zachäus: Komm herunter von deinem hohen Baum, auf dem du so allein bist. Ich will bei dir sein. Ich will mit dir
zu Hause essen. - Da fangen sie vermutlich schon an, böse Blicke nun nicht mehr
nur auf Zachäus, sondern jetzt auch auf Jesus zu werfen. „Wie verhält der sich eigentlich?!“
Merkwürdig:
Immer sind es in den Evangelien die Gesunden,
die Anständigen, die Gerechten, die sich über Jesus empören, über ihn „murren“,
wie es hier heißt. Immer sind es die nach Menschenmaßstäben Starken, Frommen,
Guten, die Jesus schließlich weghaben wollen, ihn kreuzigen. Dagegen die eher
Unmoralischen, die Betrüger oder
Geizkragen, die kommen besser weg. - Was bedeutet das eigentlich für
unser kirchliches und gemeindliches Leben?
Während ich
das so bedenke, fühle ich mich von Jesus zugleich durchschaut und angesehen.
Durchschaut,
weil er mir den Spiegel vorhält, denn ich bin ja auch rechthaberisch, will
stärker oder besser als andere sein, dränge den Schwächeren weg...
Zugleich aber
spüre ich, wie Jesus mich auch ansieht,
ich höre, wie er mir sagt: He, Martin, komm, ich muß heute bei dir einkehren.
Du bist mir wichtig. Du bist ja schließlich ein Kind Gottes!
Ob ich ihn
nicht nur höre, sondern ihm auch folge?
4
III
Dann werde ich
ein Christ.
Ein Christ ist
nach unserer Geschichte einer, der hört und spürt, wie wichtig er für Jesus ist;
einer, der merkt, wie Jesus ihn durchschaut und ansieht und bei ihm sein will.
Ein Christ ist einer, der erkennt: Jesus beurteilt mich und andere überhaupt nicht nach unserem Verhalten,
sondern für ihn ist jede und jeder –
unabhängig von seinem Verhalten – einer, der zum Volk Abrahams, zum erwählten
und geliebten Volk Gottes gehört.
Wenn ich mich aber so angesehen weiß, so hochgeachtet, geehrt, geliebt und geschätzt, dann kann eine große Freude in mein Leben einziehen und eine große Freiheit: Ich kann ehrlich sein vor mir selbst und Anderen, kann Schwächen und Schuld zugeben, habe es nicht mehr nötig, stärker oder besser sein zu müssen als Andere.
Wer sich tief
geliebt und hoch angesehen weiß, der hat all das nicht mehr nötig, was dazu
herhalten muß, ihm Selbstbestätigung zu
verschaffen. Fast immer ist das ja das
Geld und das, was man sich für Geld beschaffen kann. Das ist schon so: Wie wir
zum Geld stehen, das ist ein
entscheidendes Kennzeichen für unser Christsein.
Bei Zachäus
sind Habgier und Geiz verschwunden. Stattdessen sind Freude, Großzügigkeit,
Freigebigkeit in sein Leben eingekehrt.
Unsere
Gesellschaft, so sagen viele, ist besessen von Habgier. Wie immens wichtig ist
es, den reichen Armen bei uns Jesus nahezubringen, die Köstlichkeit des
Evangeliums, die frohe Botschaft: Du bist um Jesu willen geliebt bei Gott. Gott
sieht nicht mehr auf all das, was gegen dich spricht, er verurteilt dich nicht,
du bist seine geliebte Tochter, sein
geliebter Sohn, du bist Gottes Erbe!
Darum: Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus,
und die Liebe Gottes des Vaters, und
die Gemeinschaft des Heiligen Geistes bleibe bei euch allen. Amen.