Gottesdienst am Himmelfahrtsfest, 29. Mai 2003

 

Lieder:

Gen Himmel aufgefahren ist...119

Siegesfürste, Ehrenkönig... (Liedblatt)

O daß ich tausend Zungen hätte...330, 1+5-7

Einer ist’s, an dem wir hangen...256, 1. 4. 5

 

Psalm: 139 (Nr. 759, S. 1186-88)

 

Schriftlesung: 1. Könige 8, 22-24.27-30 (Salomos Tempelweihgebet)

 

Der heutige Predigttext steht bei Lukas, Kap. 24, die Verse 50 – 53.

Lukas erzählt, wie der auferstandene Jesus Abschied nimmt von seinen Jüngern:

 

Er führte sie aber hinaus bis nach Betanien und segnete sie.

Und es geschah, als er sei segnete, schied er von ihnen und fuhr auf gen Himmel.

Sie aber beteten ihn an und kehrten zurück nach Jerusalem mit großer Freude

und waren allezeit im Tempel und lobten Gott

 

 

Liebe Gemeinde!

 

Manche von Ihnen werden sich an den Gottesdienst am Palmsonntag hier in der Kirche erinnern: Da las der Schauspieler Ralf Gottesleben fast das gesamte Markusevangelium – und Erwachsene wie Jugendliche hörten konzentriert, ja gespannt von Anfang bis Ende zu!

 

In der Tat: Was für ein ungeheuer dramatisches und faszinierendes Geschehen, diese etwa zwei Jahre öffentlicher Wirksamkeit des Jesus von Nazareth: Seine Worte, etwa in der Bergpredigt, seine Gleichnisse, seine Wunder...dann seine Gefangennahme im Garten Gethsemane, das Verhör, die Geißelung, der Tod am Kreuz...und dann das Unerhörte: Die Auferweckung aus dem Tode...!

 

Wenn das alles schon beim Zuhören so überaus spannend ist – wie muß es erst den Jüngern ergangen sein, die das alles ja direkt und hautnah miterlebten! Immer wieder hören wir in den Evangelien, daß sie die Frage stellen: Wer ist der?? Und immer wieder hören wir, wie die Menschen staunen über seine Wunder, über seine Worte! 

 

Und dann hatten die Jünger von ferne seinen Tod mit ansehen  müssen...Doch danach, wenige Tage später:  Da war er ihnen erschienen, erfüllt von göttlicher Lebendigkeit! Und schließlich, vierzig Tage nach Ostern, also heute, geht er mit den Jüngern aus der Stadt Jerusalem heraus, er wandert mit ihnen durchs Kidrontal, sie steigen den Ölberg hinauf bis auf die Höhe, wo der kleine Ort Betanien liegt. Er segnet sie. Und dann entschwindet er vor ihnen. Er wird gleichsam entmaterialisiert, Gott nimmt ihn auf in seine für uns hier noch unsichtbare und unbegreifliche Welt.

 

                                                                       

 

 

2

 

I

 

Die Jünger müssen Abschied nehmen, Jesus  ist nicht mehr bei ihnen.

 

Eigentlich müßte Lukas doch jetzt schreiben: Da kehrten sie traurig um...Aber er schreibt stattdessen: Sie kehrten mit großer Freude zurück nach Jerusalem und – und das ist das letzte Wort des Lukasevangeliums – und lobten Gott!

 

Merkwürdig: Statt Schmerz und Trauer - Freude und Gotteslob!

 

Das kann seinen Grund nur in Einem haben: Den Jüngern muß klar gewesen sein: Dieser Abschied Jesu war kein Punkt, sondern ein Doppelpunkt. Das Eigentliche würde jetzt erst kommen, es würde jetzt alles erst so richtig beginnen!.

 

Und so war es dann ja auch. Es ist genau das eingetreten,  was Luther einprägsam in einer Predigt über den Sinn von Himmelfahrt schreibt:

 

„Christus ist in den Himmel gefahren, weil er dort am meisten schaffen und regieren kann. Denn wenn er auf der Erde und sichtbar vor den Leuten geblieben wäre, hätte er nicht soviel schaffen können. Denn es hätten nicht alle Leute bei ihm sein und ihm gehören können. Darum hat er eine Weise angefangen, auf die er mit allen zu schaffen hat und in allen regieren, bei allen sein und allen predigen kann, damit sie es alle hören. Drum hüt‘ dich ja zu denken, er sei nun weit von uns. Im Gegenteil: Als er auf Erden war, war er uns zu fern, jetzt ist er uns  nah. Wo ist er also? Hier bei uns ist er, und er hat sich darum  in den Himmel gesetzt, damit er nahe bei uns sei“.

 

 

Himmelfahrt heißt also gerade nicht: Er hat sich von uns entfernt, sondern er – und mit ihm der Himmel - kann und will nun allen Menschen nahe sein. Darum hat das Himmelfahrtsfest auch den schönen Namen: „Fest der Weltherrschaft Christi“, und es ist auch in besonderer Weise das „Fest der Weltmission“: Für alle Menschen will er der sein, der ihr Leben am stärksten prägt und ihm Orientierung gibt, allen Menschen soll seine Herrschaft und Herrlichkeit  verkündigt werden, natürlich auch unter den Moslems, soweit sie das zulassen. Das wäre das Richtige auch in den moslemischen Ländern: Nicht militärische Präsenz, sondern Präsenz des christlichen Glaubens: Liebe, Gerechtigkeit, Verkündigung des Evangeliums in Wort und Tat!

 

Ich las: Seit etwa 100 Jahren gibt es kein Land der Erde mehr, in dem nicht Christen die Himmelfahrt Christi feiern und damit die Weltherrschaft Christi bekennen! Fast 2000 Jahre hat das gedauert: Das scheint eine lange Zeit und ist doch eine winzige Epoche in der Menschheitsgeschichte. Man könnte sagen: Die Ausbreitung des Reiches Gottes, die Ausrufung der Herrschaft Christi über alle Lebensbereiche – das ist im Grunde noch in den Anfängen...Noch scheinen wir Menschen uns wenig danach zu richten, daß Jesus Herr ist über alle und alles. Aber es ist so, wie es in dem Lied heißt, das wir gleich vor dem Segen singen werden: Dein Senfkorn – und hier nimmt der Liederdichter Albert Knapp ein Bild Jesu vom Reich Gottes auf – dein Senfkorn,  arm und klein, wächst ohne großen Schein doch zum Baume...(EG 256, 5),

 

 

3

 

 

Das also ist der Grund der Freude der Jünger: Es geht weiter..! Mitten in der Völkerwelt nun ein Volk Gottes, mitten in und hinter den Regierungen der Welt die Weltregierung Jesu, die alle Regierungen überdauert und am Ziel nur noch allein da

sein wird - dann, wenn Christus umstrahlt vom Lichtglanz göttlicher Herrlichkeit wiederkommt.

 

                                                                       

 

                                                                        II

 

In dieser Erwartung leben wir Christen. So wie die Jünger, von denen Lukas hier erzählt, nun erwartungsvolle Menschen wurden. Sie kehren zurück in den Tempel. Dorthin, wo alles angefangen hatte. Sie erinnern sich, diese herrliche Geschichte, die Lukas überliefert: Der Engel Gabriel erscheint dem Priester Zacharias im Tempel  und kündigt ihm an: Deine Frau Elisabeth wird in ihrem Alter noch ein Kind bekommen, dem sollst du den Namen Johannes geben (Lukas 1, 5ff.).

 

Dorthin kehren die Jünger zurück: Zum Tempel, dem Ort der Anbetung Gottes. Sie kehren zurück zu ihren jüdischen Mitgeschwistern, die auf das Kommen des Messias warten.

 

In dieser Erwartung bleiben wir Christen mit unseren jüdischen Geschwistern verbunden. Gemeinsam mit ihnen erwarten auch wir das Kommen des Messias. Der Unterschied ist allerdings der: Sie erwarten sein Kommen, wir erwarten sein Wiederkommen.

 

                                                                        III

 

Wir erwarten die Wiederkunft dessen, der unter uns Menschen gelebt hat und der uns jetzt nahe ist in Wort und Sakrament – aber auch noch in einer dritten Weise, die Lukas hier betont: Im Segen. „Und er hob die Hände auf und segnete sie“.

 

Der Segen gehört ja in die Situation des Abschieds hinein. Wir empfangen ihn  ja zum Beispiel am Ende jedes Gottesdienstes. Wir gehen aus der Kirche, nehmen voneinander Abschied – aber Gottes Segen geht mit uns, bleibt bei uns – geht mit uns in unsere Häuser und Wohnungen, in die Gespräche, die wir dann im Alltag mit Menschen führen, er ist da auch in dem Gruß, mit dem wir einander Segen wünschen, er wirkt, wo wir wunderbar – vielleicht gar nicht von uns bemerkt - bewahrt werden, er ist da und schafft unserm Leben Frucht und Gelingen.

 

So ist seit Christi Himmelfahrt und seit dem ersten Pfingsten der dreieinige Gott

immer auf doppelte Weise in unserem Leben am Werk: Indem er zu uns spricht durch die Worte der Heiligen Schrift und durch sie unsern Glauben, unser Vertrauen zu ihm wecken und  stärken will – und indem er uns segnet, also bei uns bleibt mit seinem Schutz und Frieden.

 

                                                                       

 

 

4

 

 

IV

 

Und was ist unsere Antwort darauf? „und lobten Gott“.

 

Nicht wahr: Über viele Jahrtausende fürchteten die Menschen Gott oder die Götter, sie hatten schreckliche Angst vor ihnen, brachten ihnen Opfer, um sie gnädig zu stimmen, mißtrauten ihnen. In Israel wurde erstmalig in der Menschheitsgeschichte das Loben Gottes Hauptinhalt der Gottesverehrung, der Lobpreis des Gottes, der in seinem  Wesen, wie Israel von Anfang an bekennt, „barmherzig und gnädig, geduldig und  von großer Güte und Treue ist“ (Psalm 103,8; 2. Mose 34, 6). Darum können wir ja auch voll Vertrauen zu ihm beten in Klage und Lob, in Dank und Bitte. Und übt Euch im regelmäßigen und zuversichtlichen Beten! Luther sagt einmal einen einprägsamen Satz dazu. Er sagt.“ Wie ein Schuster einen Schuh macht und ein Schneider einen Rock, also soll ein Christ beten. Eines Christen Handwerk ist beten“ (WA Tr 6, Nr.6751, 162,35f.).

 

Vor allem sollen wir – trotz Leid und Tränen und trotz aller Verborgenheit Gottes – immer wieder Gott loben können, der uns durch Jesus nahegekommen ist.

 

Am Ende seiner Erzählung von der Geburt Jesu schreibt Lukas: Die Hirten... lobten Gott. Und hier, mit Jesu Himmelfahrt, kommt der irdische Erlösungsweg Jesu zum Ziel: Die Jünger loben Gott. Im ewigen Leben dann, so sagt die Bibel und so sagen manche unserer Gesangbuchlieder, wird das Gotteslob dann ganz rein und klar erklingen.

 

Hier noch stimmen wir es dem Leid und dem Unglauben, auch in uns selbst, zum Trotz an – und wollen das auch jetzt tun mit Versen des Liedes: O dass ich tausend Zungen hätte...

 

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus unserm Herrn. Amen.




Weitere Predigten von Pfarrer Martin Quaas, Essen-Rellinghausen, finden Sie unter www.martin-quaas.de/predigten.