Lieder:
Nun singet und
seid froh...35
Vom Himmel
hoch, o Englein kommt...541
Freut euch,
ihr lieben Christen...540
Jesu, wie soll
ich dir danken...34, 3
Psalm 71, 1-3.
17 - 24
Lesung: Jes.
49, 13-16
Anmerkung: Die Verse 21 – 24 und der erste Predigtteil
wurden im Gottesdienst weggelassen.
Liebe
Gemeinde,
der für den heutigen Sonntag nach Weihnachten vorgesehene Predigttext schließt unmittelbar an die Weihnachtsgeschichte des Lukas an. Ich lese aus Lukas 2 die Verse 21-39:
Und als acht Tage um waren und man das Kind beschneiden mußte, gab man ihm den Namen Jesus, wie er genannt war von dem Engel, ehe er im Mutterleib empfangen war.
Und als die Tage ihrer Reinigung nach dem Gesetz des Mose um
waren, brachten sie ihn nach Jerusalem, um ihn dem Herrn darzustellen,
wie geschrieben steht im Gesetz des Herrn (2. Mose 13,
2.15): „Alles Männliche, das zuerst den Mutterschoß durchbricht, soll dem Herrn
geheiligt heißen“,
und um das Opfer darzubringen, wie es gesagt ist im Gesetz
des Herrn: „ein paar Turteltauben oder zwei junge Tauben“ (3. Mose 12, 6-8).
Und siehe, ein Mann war in Jerusalem, mit Namen Simeon; und
dieser Mann war fromm und gottesfürchtig und wartete auf den Trost Israels, und
der heilige Geist war mit ihm.
Und ihm war ein Wort zuteil geworden von dem heiligen Geist,
er solle den Tod nicht sehen, er habe denn zuvor den Christus des Herrn
gesehen.
Und er kam auf Anregen des Geistes in den Tempel. Und als
die Eltern das Kind Jesus in den Tempel brachten, um mit ihm zu tun, wie es
Brauch ist nach dem Gesetz,
da nahm, er ihn auf seine Arme und lobte Gott und sprach:
Herr, nun lässest du deinen Diener in Frieden fahren,
wie du gesagt hast;
denn meine Augen
haben deinen Heiland gesehen,
den du bereitet hast vor allen Völkern,
ein Licht, zu erleuchten die Heiden
und zum Preis deines Volkes Israel.
Und sein Vater und seine Mutter wunderten sich über das, was
von ihm gesagt wurde.
2
Und Simeon segnete sie und sprach zu Maria, seiner Mutter:
Siehe, dieser ist gesetzt zum Fall und zum Aufstehen für viele in Israel und zu
einem Zeichen, dem widersprochen wird
-
und auch durch deine Seele wird ein Schwert dringen - ,
damit vieler Herzen
Gedanken offenbar werden.
Und es war eine Prophetin, Hanna, eine Tochter Phanuels, aus
dem Stamm Asser; die war hochbetagt. Sie hatte sieben Jahre mit ihrem Mann
gelebt, nachdem sie geheiratet hatte,
und war nun eine Witwe an die vierundachtzig Jahre; die wich
nicht vom Tempel und diente Gott mit Fasten und Beten Tag und Nacht.
Die trat auch hinzu zu derselben Stunde und pries Gott und
redete von ihm zu allen, die auf die Erlösung Jerusalems warteten.
Und als sie alles vollendet hatten nach dem Gesetz des
Herrn, kehrten sie wieder zurück nach Galiläa in ihre Stadt Nazareth.
I
„...als sie alles vollendet hatten nach dem Gesetz des
Herrn...“. Ja, das haben
sie in der Tat. Lukas beschreibt es ja auf das genaueste.
Welch großen
Wert legt er darauf, zu betonen, daß Jesus ein Mensch aus dem Volk Israel ist,
ein jüdisches Kind.
Sorgfältig
erzählt er, wie die Eltern von Jesus die uralten, noch aus der Zeit der
Wüstenwanderung stammenden Vorschriften erfüllen, die für die Geburt eines
männlichen Erstgeborenen vorgesehen sind. Im 3. Mosebuch Kapitel 12 kann man
sie alle nachlesen:
„Wenn eine Frau empfängt und einen Knaben zur Welt bringt,
so soll sie sieben Tage unrein sein, wie wenn sie ihre Tage
hat.
Und sie soll daheim bleiben 33 Tage...Zum Heiligtum soll sie nicht kommen, bis die Tage ihrer Reinigung um sind...Dann aber soll sie dem Priester bringen ein einjähriges Schaf zum Brandopfer und eine Taube oder Turteltaube zum Sühneopfer an den Eingang des Heiligen Zeltes.
Vermag sie aber nicht ein Schaf aufzubringen, so nehme sie
zwei Turteltauben oder zwei andere Tauben, eine als Brandopfer und eine als
Sühneopfer. Der Priester soll ihre Opfergaben dem Herrn darbringen, danach ist
sie wieder rein.“
Uralte
Gesetze, die allesamt an Jesus vollzogen werden. Acht Tage nach seiner Geburt
wird er beschnitten, und der Name wird über ihm ausgesprochen, den der Engel
Gabriel der Maria genant hatte: Jeschua, auf deutsch: Gottes Hilfe.
40 Tage nach
seiner Geburt dann die Darbringung im Tempel und die Opfergabe für die rituelle
Reinigung der Mutter. Lukas erwähnt, daß Jesu Eltern offenbar nicht vermögend
genug waren, ein Schaf zu opfern, sie geben das sog. Armeleuteopfer: Ein Paar
Tauben.
3
Mit alledem
betont Lukas auf‘s nachdrücklichste: Jesus, Jeschua: Er war, er ist der
verheißene Messias Israels – der Eine, der das Gesetz Gottes, die Tora, in
allem und vollkommen erfüllt hat.
II
Und eben dies
sagt auch der greise Simeon: Er hält das Kind in den Armen und – vom heiligen
Geist erleuchtet – bricht er in die Worte aus: Nun haben meine Augen, Herr,
deinen Heiland gesehen: Ein Licht, um die Heiden zu erleuchten und zum Preis
deines Volkes Israel.
Er sagt damit:
Jesus wird das Licht für alle Heidenvölker sein. Und sie alle sollen um Jesu
willen das Volk Israel ehren.
Zu unserem
Gotteslob gehört also ganz wesentlich dazu, daß wir auch sein Volk Israel loben und preisen!
Nicht, weil es
besser wäre als andere Völker – das ist es nicht – sondern weil der, der das
Licht der Welt ist, aus diesem Volk kommt! Aber wir haben kaum jemals das Volk
Israel gepriesen, sondern fast immer das Gegenteil getan, wir Christen sind den
Juden allzuoft zum Fluch geworden.
Simeon sagt
auch dies in prophetischen Worten zu Maria:
Siehe, dieser ist gesetzt zum Fall und zum Aufstehen vieler in Israel und zu einem Zeichen, dem widersprochen wird,
und auch durch deine Seele wird ein Schwert dringen...
Er sagt damit
den persönlichen Schmerz voraus, den Jesus seiner Mutter mehrfach zufügen wird:
Als Zwölfjähriger, während seiner öffentlichen
Wirksamkeit, zum Beispiel bei
der Hochzeit zu Kana, und vor allem, als er am Kreuz stirbt. Die katholische
Kirche spricht sogar von den „sieben Schmerzen“ der Maria.
Simeon
benennt, wie manche Ausleger es deuten, aber auch den Trennungsschmerz
angesichts der Zerspaltenheit von Juden
und Heidenchristen. Dieser Riß, ja diese Feindschaft, war zur Zeit, als Lukas
sein Evangelium schrieb, schon da.
„...gesetzt zum Fall und zum Aufstehen vieler in
Israel und zu einem Zeichen, dem widersprochen wird...“: Einige aus dem
Volk Israel werden ihn als den Messais erkennen: Die messianischen Juden, etwa
die, die in dem von uns unterstützten Altenheim Eben Ezer in Haifa leben – aber
die allermeisten Israelis, falls sie überhaupt religiös sind, sagen bis heute:
nein, dieser arme Rabbi, der kanns auf keinen Fall gewesen sein...sie stoßen
sich an seinem Kreuz. Aber das tun ja auch wir Christen: auch viele von uns
wollen ein Christentum ohne Kreuz. Aber ohne sein
2
Kreuz verliert
Weihnachten seinen Sinn. Sein Kreuz ist und bleibt das Zentrum, die Quelle des
Glaubens. Ohne sein Kreuz ist er kein Heiland.
III
Die beiden
Menschen in unserm Text erkennen ihn als den Heiland, den Messias.
Ein Mann und
eine Frau, zwei alte Menschen. Lukas sagt, sie waren erwartungsvoll, waren
erwartungsvoll geblieben für den, der schon über 1000 Jahre vorher – im Segen
des uralten Jakob für seine Söhne (1. Mose 49), aber auch in einer Weissagung
des Sehers Bileam (4. Mose 24, 17)
- angekündigt worden war.
Wie
erstaunlich, daß diese Beiden – wie vermutlich nur ganz Wenige im damaligen Israel
– erwartungsvoll geblieben sind, so wie es hier wunderbar von Simeon gesagt
wird: „Er wartete auf den Trost Israels“.
Den Trost Israels. Er, Jesus, ist der einzige Trost auch für die, die im
heutigen Israel – aber auch anderswo - nicht ganz bei Troste sind.
Kann man das
überhaupt: In hohem Alter noch erwartungsvoll sein? Haben Sie das nicht auch
schon oft von alten Menschen gehört, daß sie wehmütig oder auch bitter, oder
ganz verzagt, sagen: Was hab‘ ich denn noch zu erwarten? Wozu bin ich eigentlich
noch da?
Oft schon
sagten mir betagte Gemeindeglieder: Im Alter muß man eigentlich nur noch
abgeben, immer abgeben...alles wird immer weniger, schwächer, kürzer, man muß
ständig Abschied nehmen auf Beerdigungen und sonstwo...
So wie es
Fontane in Gedichtform gebracht hat:
Immer enger, leise,
leise
schwindet hin, was
prangt und prunkt,
schwindet Hoffen,
Hassen, Lieben
und am End‘ ist
nichts geblieben
als der letzte dunkle
Punkt...
Und doch hat
Luther auch alte Menschen mit gemeint, als er den Satz niederschrieb:
Niemand lasse
die Hoffnung fahren, daß Gott an ihm noch eine große Tat tun will...
Eins von
vielen Beispielen: Mit Abraham hat er überhaupt erst angefangen, als der 75
Jahre war.
Hanna und
Simeon sind erwartungsvoll geblieben. Nicht weil sie von Menschen noch Großes
erwarteten. Auch nicht, weil sie „vom Leben“ noch manches erwarteten. Sondern –
Lukas macht das sehr deutlich – ihre Hoffnung gründet sich auf Gottes Wort. Sie
vertrauen den Verheißungen Gottes, sie glauben felsenfest daran, daß Gott zu
seinen Verheißungen steht, sie wahr macht.
5
Darum treibt
es den Simeon in den Tempel, wo nach jüdischem Glauben Gottes schechina ist,
seine Einwohnung, seine Nähe; und von Hanna heißt es sogar: Sie wich Tag und
Nacht nicht vom Tempel!
Menschen, die
viel von Gott erwarteten. Dabei hatte Gott es ihnen im Leben nicht leicht
gemacht, im Gegenteil. Hanna war nur kurz verheiratet gewesen, hatte viele
Jahrzehnte lang das damals sehr harte Schicksal der Witwenschaft ertragen müssen,
und der alte
Simeon redet Gott hier im griechischen Urtext eben nicht mit dem
ehrfürchtig-vertrauenden Wort für Herr, nämlich kyrios, an, sondern mit dem
anderen griechischen Wort für „Herr“, despota, ein Wort, das man für gnadenlose
Sklavenhalter, für die Herren von Sklaven gebrauchte. Du harter Herr! sagt
Simeon, du anscheinand oft so gnadenloser Herr! Und wie vielen glaubenden
Menschen mag er so erscheinen! Unbarmherzig, gnadenlos, vielleicht sogar
heimtückisch, scheinbar mit Freude am Quälen...Und dann aber sagt Simeon aufseufzend weiter: Nun
aber...nun endlich entlässest du deinen Diener... deinen Sklaven, in den schalom, in den Frieden
hinein. Das griechische Wort, das hier für „entlassen“ steht, bedeutet das
Geschehen, wenn ein Zugtier nach schwerer Arbeit aus dem Joch ausgespannt wird.
Oder auch das Geschehen, wenn einem Sklaven nach langer Fronarbeit die Freiheit
gegeben wird – so wie es einmal auch im Sterben sein wird?
Doch, ich
hoffe schon, daß das Sterben auch ein erlösendes Geschehen ist.
Simeon hält
einen Säugling im Arm, alles wird ihm leicht, er erfährt den Frieden, der nicht
von dieser Welt ist.
Viele kennen
das Bild, das Rembrandt davon gemalt hat – ein Selbstbildnis, eines seiner
letzten Bilder. Mit altersblinden Augen schaut Simeon – nein, nicht auf das
Kind herab, sondern er sieht nach oben, in das Licht Gottes hinein. In diesem
Licht, das den Simeon erleuchtet, sieht er, wer dieses Kind ist.
Simeon sieht
den Ersehnten, den Lukas den „Trost Israels“ nennt.
Wie nötig ist
er für diese ganze Welt „in ihren tausend Plagen und großen Jammerlast“. Wie
nötig für uns.
Simeon segnet
Jesu Eltern - so wie der alte Isaak, der alte Jakob gesegnet hatten...
Und Hanna,
Hanna lobt Gott und redet von Jesus.
Segnen – und
von ihm reden.
Der Name
Simeon bedeutet: der Hörende.
Und Hanna: Die
Gnadenbotin.
Wer auf Gottes
Wort hört und wen der heilige Geist erleuchtet, der wird zum Segen für Andere.
6
Wer beharrlich
und mit viel Mühe in der Nähe Gottes bleibt, der erkennt, was Gnade ist und
kann davon erzählen.
Zu Beidem sind
auch wir berufen und begabt. Auch und vielleicht besonders Menschen im Alter.
Der Friede
Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus unserm Herrn.Amen.